Trotz Smartphone-Boom und Social Media erfreut sich E-Mail-Marketing kontinuierlicher Beliebtheit. Die Tools sind ausgereift, die Nutzungsquoten sind gleichbleibend hoch, auch auf dem Smartphone, und bei den Targeting-Taktiken gibt es jede Menge Best Practice. Es kommt also vor allem auf relevante Inhalte an und auf eine spannende Betreffzeile an.
Werfen Sie einen Blick in die Inbox Ihres E-Mail-Programms. Sehen Sie dort auch immer mehr Sonderzeichen und Emojis in den Betreffzeilen? Manche Unternehmen schicken ihren Newsletter-Kunden sogar Herzchen ins Postfach. Wenn das bei Ihnen auch so aussieht, könnten sich zwei Fragen aufdrängen: Wie macht man das? Und: Funktioniert das überhaupt?
René Kulka hat das auch interessiert. Und er ließ Millionen von E-Mails durch eine Analyse laufen, um heraus zu finden, was die gute von der schlechten Mail unterscheidet und wie der Betreff die Öffnungsrate beeinflusst. Kulka ist einer der renommiertesten deutschen Experten für E-Mail-Marketing, arbeitet als technischer Visionär beim Dienstleister Optivo und betreibt den Blog EMailMarketingTipps.de. Hier seine Ergebnisse.
Formale Anforderungen
Grundsätzlich gibt es drei wichtige Einflussgrößen, die direkt auf die Öffnungsrate wirken: der Absender, die Betreffzeile und der Pre-Header, also die erste Zeile in der E-Mail. Alle drei sind nicht isoliert zu betrachten, denn sie erzielen eine kombinierte Wirkung. Sie erzeugen eine Art Öffnungswahrscheinlichkeit. Will man als einzelnes Unternehmen noch genauer differenzieren, muss man Vergleichstests laufen lassen, in denen identisch strukturierte Empfängergruppen E-Mails bekommen, die bis auf eines der oben genannten Merkmale identisch sind. So könnte man beim Absender ein generisches „newsletter@unternehmen.com“ gegen ein scheinbar persönliches „horst@unternehmen.com“ antreten lassen.Der Absender hat enorme Bedeutung. Abweisende Versenderkennungen wie „noreply“ sollen laut Kulka unbedingt vermieden werden. Sie suggerieren dem Empfänger, dass das Unternehmen nicht an einer Interaktion mit ihm interessiert ist. In der Wahrnehmung des Absenders durch den Empfänger bündeln sich alle früheren Erfahrungen mit E-Mails von einem Unternehmen. Mitunter wird der beste Betreff gar nicht mehr gelesen, wenn der Nutzer einen vorbelasteten Absender erkennt.

E-Mail-Automatisierung mit professioneller Software ist ein willkommener Effizienzsteigerer und die Mechanismen zum Beispiel bei Transaktions- oder Retargeting-Mails sind hinlänglich ausdefiniert. Aber auch hier wäre eine redaktionelle Schlusskontrolle extrem wichtig, sonst rutscht einem vor allem bei länger geplanten Kampagnen gelegentlich ein massiver Fehler durch, wie das beispielsweise Adidas passierte. Im April dieses Jahres gratulierte man mit einer automatisch verschickten Mail den Teilnehmern des Boston Marathons. Die Betreffzeile lautete: „Congrats, you survived the Boston Marathon!“. Angesichts des Anschlags von vor vier Jahren ein ziemlich zynischer Betreff.

Emojis mit Wirkung
Nun aber zu den konkreten Inhalten. Kulka stellte seiner Analysesoftware zunächst die Frage, ob Smileys einen Unterschied machen hinsichtlich der Öffnungsrate. „Grundsätzlich ist es für die Öffnungsrate gut, sich von anderen E-Mails zu unterscheiden“, sagt der E-Mail-Experte. Wenn alle Versender Smiley und Emojis benutzen, erodiert das Potential der Idee folglich. Und so ist es kein Wunder, dass die omnipräsenten Herzchen und Sternchen in E-Mails zu finden sind, die eher eine unterdurchschnittliche Öffnungsrate haben. Das diskreditiert den Ansatz aber nicht grundsätzlich. Der kreative und vor allem überraschende Umgang mit ASCII-Zeichen hat schon Potential. Kulka fand Mails mit schwarzen Dreiecken, die statt eines „A“ eingesetzt wurden, mit Pfeilen oder mit Eiskristallen, die bessere Öffnungsraten erzielten als der Durchschnitt.Bei Uhrzeit- und Datumsangaben ermittelte Kuka ein gemischtes Bild. Die Angabe des Tagesdatums : „Nur am 28. Mai..“ blieb eher negativ in der Wirkung. Eine konkrete Uhrzeit „Nur bis 19 Uhr …“ steigerte dagegen die Neugier der Leser. Und eine Monatsangabe hatte ebenfalls positiven Einfluss auf die Öffnungsrate. Vermutlich signalisiert das dem Nutzer die Regelmäßigkeit der Nachricht: „Newsletter vom September“. „Das reine Tagesdatum funktioniert nicht als künstliche Verknappung. Vielleicht glauben die Nutzer, dass sie ja heute noch viel Zeit haben, sich die Angebote anzuschauen, und vergessen die E-Mail dann“, vermutet Kulka.
Personalisierung ist Trumpf
Was der Marketing-Experte dagegen uneingeschränkt empfehlen kann ist der Einsatz von Personalisierungselementen im Betreff. Das erzeugt eine deutliche Steigerung bei der Relevanz schon bevor die E-Mail geöffnet wird. Der Rückgriff auf eine Kaufhistorie etwa im Abbrecher-Retargeting funktioniert ganz ordentlich. Die Anrede mit Namen hat bereits deutliche Wirkung, aber der größte Hebel liegt in der Platzierung des Orts, mit dem der Nutzer etwas verbindet. Sei es die Destination einer geplanten Reise oder natürlich der Heimatort. Mit dieser Taktik ist Groupon einer der erfolgreichsten E-Mail-Versender der Welt geworden.Da Relevanz der wichtigste Hebel für die Öffnungsrate ist, liegt es nahe, dass allgemeine Formulierungen im Betreff eher schlecht abschneiden. Floskeln wie „Urlaubsreif?“ oder das Stochern im Nebel: „Auf der Suche nach Hörbüchern?“ funktionieren nicht. Rabatte auf ein Gesamtsortiment sind dann spannend, wenn letzteres einigermaßen homogen oder präzise auf eine Zielgruppe abgestimmt ist. Dann nimmt der Kunde die Witterung auf, dass für ihn ein konkreter Nutzen enthalten ist: „20% Rabatt auf alles Anglerzubehör“. Hier entdeckte Kulka signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen. da hilft nur selbst testen.
Eine Stilfrage
Ein aus psychologischer Sicht sehr interessantes Ergebnis erzielte die letzte Analyse. René Kulka wollte wissen, ob die konkrete Wortwahl einen Unterschied macht. Sie macht. Verben und Adjektive, die auf Handlungen und Interaktion ausgerichtet und eine leicht fordernde Wirkung haben, aktivieren die Nutzer signifikant besser. „Sagen Sie uns Ihre Meinung“ oder auch „Berlin sagt danke“ erzielen überdurchschnittliche Wirkung. Aber den Vogel schießt das Verb prüfen ab: „Prüfen Sie die Verfügbarkeit“ oder „Bitte Prüfen: Ihr Finanzplan für 2017“ stimulieren die Nutzer eindeutig zum Klicken.Außerdem mahnt Kulka nochmal das notwenige Testen an. Jede seiner Erkenntnisse ist für die eigene Zielgruppe mit eigenen Tests zu beweisen oder zu widerlegen. Und zum Test gehört auch, dass man sich einmal anschaut, wie die E-Mail in verschiedenen Clients dargestellt werden. „Wenn der Pre-Header als Bild realisiert wurde und der Client Bilder unterdrückt erscheint da nichts“ sagt Kulka. Und natürlich hat die Bildschirmgröße eine Bedeutung: „Manche Betreffzeilen sind so lang, die werden einfach vom Client abgeschnitten“. Der beste Durchschnittswert für die Betrefflänge liegt zwischen 10 und 40 Zeichen. Je kürzer, umso besser.
Zum Schluss hat René Kulka noch ein paar grundlegende Tipps:
- Empfänger segmentieren
- Reihenfolge: Schlüsselwörter für Empfängergruppe nach vorn
- Inhaltsleere Worte am Anfang weg - z.B. Artikel („Das“, „Ein“)
- Mehrwert in den Vordergrund
- Klarheit ist besser als Einfallsreichtum
- Konkret und prägnant ist besser als allgemein
- Aktivierend (auf Handlung ausgerichtet)
- Keine Irreführung oder falsche Versprechen („Re:“)
- Genügend Zeit einplanen – und vor allem testen