Kaufhof-Chef Lovro Mandac im Exklusiv-Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Der Handel über die Zukunft der Warenhäuser.

Das Schicksal der Kaufhäuser in Deutschland ist in aller Munde. Freuen Sie sich über das Interesse, weil die Kunden die Warenhäuser nun wieder entdecken?
Die Kunden müssen das Warenhaus nicht wieder entdecken. Karstadt und Kaufhof haben schließlich zusammen täglich rund 3,5 Millionen Besucher in ihren Häusern.

Das Warenhaus gilt aufgrund der Spezialisierung und Vertikalisierung im Handel als Auslaufmodell. Warum hat Galeria Kaufhof eine Zukunft?
Wir haben zunächst eine sehr gute Vergangenheit. Am 14. August 2009 sind wir seit 130 Jahren im deutschen Markt tätig. Im Geschäftsjahr 2008 erzielten wir mit 128 Warenhäusern in Deutschland und Belgien und 13 Sportgeschäften einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro. Wir haben unser Ergebnis in den vergangenen vier Jahren um 64 Prozent gesteigert. Zwar haben wir nicht mehr den Marktanteil wie vor 30 Jahren, aber der ganze Markt hat sich verändert und weiterentwickelt - und wir tun dies auch.

Wie sieht diese Weiterentwicklung konkret aus?
Wir entwickeln die Retail Brand-Strategie unseres Galeria-Konzeptes konsequent weiter. Wir sind längst den Weg vom Generalisten hin zum Multi-Spezialisten gegangen. Bei uns wird nicht mehr alles unter einem Dach verkauft. Wir haben unsere Kernzielgruppen klar definiert. Wir wissen was für unsere Kunden relevant ist, wissen welche Anforderungen, Bedürfnisse und Wünsche sie haben. Darauf richten wir alle Prozesse in unserem Unternehmen aus. Und wir überprüfen permanent, ob wir richtig liegen. Man kann das Geschäft nicht täglich neu erfinden. Aber sicher sind heute Schnelligkeit und Flexibilität im Warenhausgeschäft Voraussetzung für unseren Unternehmenserfolg.

Wie macht sich dieser Wandel in den Häusern und Sortimenten bemerkbar?
Wir haben innerhalb der Sortimente ein Trading up vorgenommen, unsere Eigenmarkenpolitik forciert und uns von wenig profilierten Marken getrennt. Auch berücksichtigen wir heute viel stärker individuelle lokale Anforderungen: Hierfür haben wir das Wettbewerbsumfeld, die Zentralität des Standorts, die Einkaufskraft und Bevölkerungsstruktur untersucht, um unsere Kernkompetenzen jeweils standortspezifisch auszurichten. Unser Konzept ist dazu in einzelne Module ausdifferenziert. Sie sehen, das Warenhausgeschäft ist echte Detailarbeit.

Ihre härteste Konkurrenz, die Shopping-Center, expandieren mittlerweile auch in die Innenstädte von immer kleineren Städten. Funktionieren beide Formate nebeneinander?
Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Center einen echten Formatvorteil haben. Mit unserem Galeria Konzept betreiben wir sehr erfolgreich ein Shop-in-Shop-Format im Warenhaus. Wir bieten also eine sehr große Auswahl an Marken und Eigenmarken, ohne dass der Kunde in ein anderes Geschäft gehen muss. Das finden viele Verbraucher sehr angenehm. Wer bei uns durch die Regale geht, findet im Textilbereich 20, 30 oder 40 verschiedene Marken im direkten Vergleich. In Shopping-Centern wird jedoch anders verkauft und präsentiert, dort wird auch eher eine jüngere Kundschaft angesprochen.

Foto: Christoph Seelbach
Foto: Christoph Seelbach
Wer gehört denn zur Zielgruppe von Galeria Kaufhof?
Wir fokussieren uns auf Frauen ab 35 Jahren und Familien. 70 Prozent unserer Kunden sind weiblich. Wir glauben zudem, dass wir immer noch das Warenhaus sind, das das mittlere Markensegment erfolgreich bedienen kann.

Eine Beraterweisheit lautet aber doch seit langem: „Die Mitte bricht weg".
Wir sprechen von Marken im Preissegment Mitte und obere Mitte. Diese sind nach wie vor gefragt. Das Luxussegment hingegen bricht derzeit ein und wandert teilweise in die Mitte.

Dennoch: Die Umsätze von Galeria Kaufhof stagnieren seit Jahren. Sie schließen bis 2010 vier Häuser. Täuscht die Chance zur Übernahme von Karstadt-Standorten nicht darüber hinweg, dass das Format Warenhaus keine Zukunft mehr hat?

Wir beobachten unsere Standorte sehr genau, insbesondere dort, wo sich demografische Veränderungen ergeben. Große Warenhäuser können heute nur noch dort bestehen, wo Einwohnerzahlen und Kaufkraft stimmen. Das ist in den von Ihnen angesprochenen vier Standorten nicht mehr der Fall. Im übrigen haben wir in den vergangenen Monaten sehr viel Geld in unsere Häuser gesteckt, die Verkaufsflächen optimiert, die Gangführung verändert, die Sortimente gestrafft und neue profilierte Marken hinzugenommen aber auch beispielsweise in ein neues Kassensystem investiert. Galeria Kaufhof ist für die Zukunft bestens aufgesellt.

Früher ging man in ein Kaufhaus, weil man dort alles fand, heute findet man alles im Internet. Der Online-Handel boomt, wie sehr macht sich diese Konkurrenz für Sie bemerkbar?
E-Commerce ist eine Konkurrenz wie jeder Händler, der sich in diesem 400 Milliarden Euro Einzelhandelsmarkt tummelt. Galeria Kaufhof braucht den E-Commerce zur Außendarstellung und zur Abrundung des Angebots. Aber der Einkauf im Internet wird das Einkaufserlebnis in einer realen Filiale, das Schmecken, Riechen, Fühlen nicht ersetzen können.

Kommen wir zum Thema Deutsche Warenhaus AG. Gibt es überhaupt eine Alternative zum Zusammengehen?
Es ist die sinnvollste Lösung für Karstadt und vor allem für seine Mitarbeiter. Galeria Kaufhof ist als Einzelhandelsunternehmen sehr erfolgreich und versteht den deutschen Markt. Unser System ist so ausgelegt, dass wir die Karstadt-Häuser - wir reden hier von rund 60 Filialen -  direkt weiterführen könnten. Damit wäre auch die Großzahl der Arbeitsplätze gesichert.

Foto: Christoph Seelbach
Foto: Christoph Seelbach
Die Metro Group will sich mittelfristig von Galeria Kaufhof trennen, mit oder ohne Karstadt. Ist das Unternehmen ohne die Einkaufsmacht und die Querschnittsgesellschaften der Metro überhaupt überlebensfähig?
Davon können Sie ausgehen. Ein wesentlicher Punkt des Effizienz- und Wertsteigerungsprogramms „Shape 2012" der Metro Group ist ja, den Vertriebslinien die Verantwortung für ihre gesamte Wertschöpfungskette zu übertragen.  

Sie haben Erfahrung mit dem Zusammenschluss von Unternehmen. Wie lange hat die Integration der Unternehmenskulturen von Galeria Horten und Kaufhof 1994/95 gedauert?
Wenn Sie das Denken und Empfinden der Mitarbeiter meinen, dann hat das einige Jahre gebraucht. Der formale Prozess ging viel schneller. Wir hatten schon nach einem Monat die Integration vieler Stabsfunktionen abgeschlossen. Bei den Häusern war das erste nach einem Jahr umgeflaggt, nach drei Jahren hießen fast alle Filialen Galeria Kaufhof.

Was sind die größten Schwierigkeiten bei dem Zusammengehen von Unternehmen?
Die Integration zweier Unternehmenskulturen ist ein schwieriger mentaler Prozess. Die Mitarbeiter haben sich ja immer als Wettbewerber gesehen. Das ist eine große Herausforderung, insbesondere weil die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen das wichtigste Gut eines Warenhauses ist. Das haben wir bei Horten sehr gut gelöst.

Interview: Hanno Bender

Zur Person
Foto: Christoph Seelbach
Foto: Christoph Seelbach
Lovro Mandac kann mit Fug und Recht als Urgestein der deutschen Warenhausgeschichte bezeichnet werden. Aktuell ist der 59-jährige Top-Manager dabei, ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte mitzuschreiben - unabhängig davon, welches Ende das Kapitel Karstadt finden wird. Mandac kam 1987 zum Kaufhof und übernahm 1994 den Vorstandssitz, er leitete die Übernahme von Horten und übertrug das Galeria-Konzept, das Horten 1988 entwickelt hatte, auf den Kaufhof. Mandacs Karriere war allerdings nicht nur von Erfolgen gekrönt, das Projekt „Emotions", ein Kaufhaus für Frauen, wurde wieder beerdigt. Die geplante Internationalisierung des Galeria-Konzepts ist bislang auf Belgien beschränkt. Dort übernahm Kaufhof im Jahr 2001 die 15 Häuser des Warenhausunternehmens Inno.

Dieses Interview ist Bestandteil der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel, das in den kommenden Tagen erscheinen wird. Die Redaktion schildert darin ihre Eindrücke von einer "Reise durch die Warenhauswelt". Mehr als 50 Kaufhäuser von Karstadt haben die Reporter von Der Handel besucht und bewertet. Informationen zum Abonnement von Der Handel finden Sie hier.