Trends in E-Commerce & Social Media werden schon lange nicht mehr nur in den USA gesetzt. Insbesondere in der Schnittstellen-Disziplin „Social Commerce“ hat China das Silicon Valley schon seit Jahren überholt. Grund genug für den Etailment-Experten Markus Caspari, in einer neuen Serie einige wichtige Player in China zu beleuchten - und Trends zu antizipieren, die in einigen Monaten vielleicht in den USA und anschließend in Europa ankommen werden. Im ersten Teil der Serie stellt er Xiaohongshu – ein Hybrid aus Pinterest, Instagram und Amazon - vor.
"Neue" Themen in der westlichen Hemisphäre sind oft schon ein alter Hut in China. Ein Beispiel ist das Thema Liveshopping, das in den USA und Europa 2020 und 2021 erst langsam Fahrt aufgenommen hat. Zudem gibt es aktuell Diskussionen, ob Liveshopping in Deutschland überhaupt jemals richtig durchstarten wird.

Ein geschlossener Kreislauf
Dadurch, dass hier viele Funktionen innerhalb einer Anwendung sind, hat das enorme Auswirkungen auf die Usability und die Consumer Journey - ein echter "Closed Loop", man bleibt immer innerhalb der App. Bei den in Deutschland aktuell verwendeten Social-Media-Apps wird daran noch gearbeitet. Xiaohongshu hat im Laufe der Jahre extrem viel Erfahrung in Social Commerce gesammelt und die User Experience von der Inspiration zum Kauf perfektioniert. Andere Social-Media-Apps können sich die Anwendung unter diesem Gesichtspunkt wirklich als Best Practice anschauen – was sie sicher auch tun.Gerade deshalb ist die Analyse der Social-Commerce-Anwendungen in China so spannend, weil man dadurch relativ früh ein Gefühl dafür bekommt, wie es bei uns weitergeht.
Ansonsten wirkt die App sehr vertraut für Nutzer von Tiktok, Instagram und Pinterest. Eine wichtige Rolle bei der Interaktion spielen bei Xiaohongshu die "Notes", die andere Nutzer hinterlassen können – nicht zu verwechseln mit Kommentaren, die natürlich auch möglich sind.

"Kleines rotes Buch"
Die App hat erst Ende letzten Jahres 500 Mio. US-Dollar an neuen Investorengeldern eingesammelt. Der Name Xiaohongshu bedeutet auf Englisch in etwa "Little Red Book". Das ist auch der Grund für die Kurzfassung des Namens für westliche Nutzer: "RED".Das Unternehmen wurde 2013 als Online-Tourguide gegründet und setzte bereits seit fast acht Jahren auf die Symbiose von E-Commerce und Social Media – lange bevor der Begriff "Social Commerce" in Deutschland die Runde machte.
Bereits im August 2014 startete die App ihr E-Commerce-Business und fing an, sich mit Retailern zu connecten. Nutzer konnten seitdem Produkte direkt dort bestellen. Heute geht das bequem mit AliPay oder WeChat Pay, das heißt die User Experience bei Bestellungen ist einfach und intuitiv.
Frühe Fokussierung auf Mode und Beauty
Bereits im Mai 2017 hatte das Unternehmen 50 Millionen Nutzer. Im Juni 2018 wurde dann ein Funding in Höhe von 300 Mio. US-Dollar vorgenommen, das von Alibaba und Tencent angeführt wurde. Die Plattform fokussierte sich außerdem früh auf Fashion&Beauty-Trends und wird daher auch oft mit Instagram verglichen.Nutzer teilen dort ihre Shopping-Erfahrungen und beschreiben und bewerten Produkte. Daher wird die Plattform als Inspirationsquelle für Shopping verstanden und die Nutzer oder am besten auch gleich die "KOC" ("Key Opinion Consumers") beschreiben die Produkte. Händler können auf der Plattform Onlineshops eröffnen. Die meisten Umsätze verdient Xiaohongshu aber weiterhin nicht mit E-Commerce, sondern mit Werbung.
Zwei Drittel der Nutzer sind Frauen
Im Oktober 2021 erreichte das Unternehmen bereits 200 Millionen User, davon zwei Drittel Frauen. Fast 90% der Nutzer sind unter 35 Jahren alt sind. Die Verwender interessieren sich überproportional stark für hochpreisige Produkte.2021 startete das Unternehmen dann auch verschiedene Initiativen, um den Anteil männlicher Nutzer auf der Plattform zu erhöhen.
Kritik an Influencern
Das Unternehmen stand gerade in jüngerer Zeit auch schon einige Male in der Kritik, beispielsweise durch Fotos von Influencern, die ihre Reisebilder zu stark bearbeiten und so falsche Eindrücke über Reiseziele vermitteln würden.Einen Eindruck, wie die App funktioniert und wie sie Mode und Lifestyle in China prägt, zeigt das nachfolgende Video vom Jahresanfang. Darin prognostiziert die Plattform die Lifestyletrends 2022 für junge Chinesen.
Spekulationen über internationale Expansion
Laut Spekulationen von Business Insider.com vom 8. März 2022 plant Xiaohongshu aktuell auch die internationale Expansion über China hinaus und habe dafür bereits jemanden eingestellt, der sich um die Entwicklung eines internationalen Produktes kümmere. Eine Reuters-Nachricht vom 21. April 2022 meldet dann dagegen einen Personalabbau von etwa 9% der Belegschaft.Es lohnt sich jedenfalls, die Entwicklung der App in der kommenden Zeit genau zu beobachten, um Trends frühzeitig zu antizipieren, denn ggf. wird die eine oder andere Social-Media-App durch Xiaohongshu inspiriert.
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