Amazon ist nie Mainstream geworden, sagt Christian Otto Kelm. Stattdessen hat sich der Marktplatz zum größten Tummelplatz für Endkunden - ohne die liebevolle Zuneigung der wirklich großen Hersteller und Marken - entwickelt. Der Etailment-Experte beobachtet, dass Amazon in den Augen vieler nur noch ein Investitionsobjekt oder Hilfsmittel für Marktschreier ist. In diesem Gastbeitrag geht er der Frage nach, warum ein Amazon-Hype den nächsten jagt - während die wahren Chancen von vielen nicht genutzt werden.
Acht Jahre voller Ausreden, warum man bloß nicht beginnen sollte, Produkte zu platzieren, wo Kunden sind. "Warum Pinterest anfangen?", "Da kommt doch eh noch ein Hype", "Wir arbeiten noch an unserer MySpace-Seite" oder dem "Firmenprofil für Xing"...
2021 wird es nicht besser - "Jetzt kaufen doch eh die Großen alles auf." "Außerdem wird Amazon doch sowieso bald zerschlagen."

Was ist da schiefgegangen?
Was ging da in den letzten Jahren schief und warum wird Amazon nie Mainstream werden? Warum bezeichnen sich nur Google-SEOs als SEOs und warum haben die selten Ahnung von Amazon? Warum machen große Agenturen Amazon nicht oder nur halbherzig nebenbei?Und wo ist die Lobby für Amazon? Wo sind Adrian Hotz und Alexander Graf als große Amazon-Fans der ersten Stunde hin? Wo ist die gesamte Multichannel-Fraktion hin? Sind nur noch die SUHR-Schreihälse da draußen?
Am Ende dreht sich alles um Zahlen. Nicht um das eigentliche Kerngeschäft, sondern nur um die Größe und Handlungen von Amazon. Ein schönes Ökosystem rund um Amazon? Richtig groß das ganze System aus Tools, Agenturen, Brokern und allem drum rum ... Doch der Fokus lautet meist Sourcen, Verkaufen, Reich werden. Aus klein mach groß oder gernegroß! Für Hersteller und Marken sind das jedoch absolut nicht die Kernprobleme. Tupper, Vorwerk, Birkenstock, Nike und viele mehr leben in einer Welt, wo Sätze wie "Ohne Amazon-Strategie hat man keine Marken-Strategie" wie ein schlechter Treppenwitz verpuffen.
Dabei hat Amazon als Werbeplattform vielleicht bald mehr Ad-Budget als Facebook oder Google ... aber es ist weiterhin kein Mainstream. Warum Amazon hier erfolgreich ist? Na, die Ansprechpartner werden direkt vom Amazon-Marketing-Team angeschrieben, und die Jahresverhandlungen haben den Part immer drin. Das Geld wird gegeben als Ruhepuls und Amazon kümmert sich darum.
Wo sind die großen Amazon-Kampagnen?
Doch auch dieser Werbemittel-Hype führt nicht zum Mainstream. Wo sind die großen Amazon- oder Amazon-DSP-Kampagnen von GroupM und Co? Der Kunde ist da - und kauft immer mehr! Doch die Wahrnehmung fehlt völlig?!
Aber das sind allgemeine Hygienefaktoren - das ist nichts Neues für große Marken und Hersteller. Die sind halt so groß, dass ein wenig Amazon-Anteil kein Team rechtfertigt und Aufwände und neue Strategien und Ansätze. Wofür das alles?
Der neue Trend: Business verkaufen
Das neue Hype-Thema Nummer eins: einfach Business verkaufen. Alles zusammenkaufen, was nicht bei einem Multiple unter 4 nein sagt - aber diese völlig falschen Motive von Skalierung und Geldvermehrung führen nicht zu Lösungen.Ganze zwei Milliarden USD Investitionskapital sind aktuell für Aufkäufe verfügbar, haben Phil Layer und Manuel Siskowski errechnet! Andere sprechen sogar von über 3,5 Milliarden USD. Damit sind wir nur noch irgendein BILD-Trend - aber dafür XXL.
Viel Geld führt nicht zu Mainstream
Es gab jedes Jahr gefühlt einen neuen Hype - und das brauchen Konzerne und Hersteller nicht. Dabei ist Amazon über Jahre einer der stabilsten und wachsenden Kanäle, aber eben nie Mainstream - zu viele Berichte über Bewertungen und Accountschließungen und angebliche Probleme mit Fälschungen oder darüber, dass Amazon-Eigenmarken gute Artikel kopieren und vieles mehr.Amazon wird gerne als Hilfsmittel für Marktschreier benutzt, aber nicht als das dargestellt, was es ist - Haushaltsnormalität und Grundversorger!
28% der Amazon-Käufe dauern nur drei Minuten
Sind wir ganz ehrlich: Amazon ist das Fast Food des E-Commerce. 28% der Käufe sind nach drei Minuten, 50% nach spätestens 15 Minuten durchgeführt. Selbst die Schlange am Drive-in ist manchmal langsamer!Doch wo ist ein Uwe Hamann, dem man vertraut, mit einem einfachen 14-Punkte-Plan? Warum schaut sich keiner freiwillig die kostenlosen Amazon-Kurse auf Youtube an, die vom Anfänger bis zum Amazon-Wissenschaftler alle abholen und bedienen?
Wann bieten Universitäten endlich Kurse, die den Bereich Amazon als Ganzes abbilden und eben nicht mal kurz als kleinen Teil des E-Commerce?
Fehlverhalten von Wenigen wirkt abschreckend
Der Wandel fehlt, der Hype war ständig da - doch Mainstream entsteht aus Stabilität und dauerhaft guter Zusammenarbeit. Witzigerweise ist Amazon hier selten ein Problem, sondern eher das Fehlverhalten Weniger, egal ob gekaufte Amazon-Daten oder gefakte Bewertungen, die dann pressewirksam nach außen getragen werden.Das schreckt leider ab. Dabei wäre jede Marktplatz- und Plattform-Strategie einfacher, würde man sie kompletter und allgemeiner für alle Kanäle inklusive Amazon angehen.
Großkonzerne belächeln die Jagd nach dem schnellen Geld
Der Schrei nach schnellem Geld und husch, husch, eigener Marke - ortsunabhängig arbeiten, passives Einkommen ohne Arbeit - hat die Vormacht übernommen und wird natürlich von Großkonzern und Weltmarke belächelt.Damit fand der Hype im falschen Bereich statt und der Strom zog weg vom Mainstream - was bleibt, ist der wohl größte Tummelplatz für Endkunden ohne die liebevolle Zuneigung der wirklich Großen.
Das lässt die Türen weit auf für alle agilen Kleinunternehmen und Aufkäufer. Doch dann soll sich bitte am Ende keiner beschweren plötzlich nicht mehr mitspielen zu dürfen! Weil Amazon schlicht nicht Mainstream ist, nutzen viele die Chancen nicht.
Digitalisierung ist das Buzzword, welches Amazon locker in die Tasche gesteckt hat. Unilever mit 61% Mehrumsatz im E-Commerce - doch es sind nur 9% gesamt. Folge: Der Konzern hat E-Commerce und Digitalisierung zu einer der fünf "strategischen Optionen" ausgerufen.
Auch Douglas wird zwar zum Onlinehändler, jedoch müssen hier die Prioritäten auf den Abbau der 500 Filialen gelegt werden. Von Amazon spricht da keiner!
Nichts skaliert, nur weil man ein "E" davor setzt
Und der Rest interessiert sich für betrügerische Sterne und steigende Aktienwerte. Das ist doch der wahre Mainstream, den jeder nur noch kennt! Geld, Pakete, Kunden und Bewertungen - doch Amazon ist über Jahrzehnte so viel mehr geworden!Die großen Marken und Hersteller haben die Chance so was von verpasst. Mit Anlauf und Ansage rein in die aktuelle Lage. Nichts skaliert, nur weil man ein "E" davor setzt. Alle rufen E-Commerce und E-Autos, E-Währung, E-bay und jetzt haben wir die E-skalierung?