Wer in Deutschland an Online-Hofladen denkt, dem kommt unwillkürlich Frischepost in den Sinn. In den sieben Jahren, die seit dem Start 2015 vergangen sind, hat es das Team rund um die beiden Gründerinnen Eva Neugebauer und Jule Willing geschafft, aus einer simplen Idee ein Erfolg versprechendes Geschäftsmodell zu formen. Auch wenn die Erweiterung des Liefergebiets erst einmal zurückgestellt wurde, stehen die Zeichen bei Frischepost auf Wachstum. Etailment-Experte Matthias Schu berichtet, was sich von der Logistik über die Sortimentserweiterung bis zur eigenen App bei dem Lieferdienst derzeit tut.

Die Story von Frischepost mit den beiden Gründerinnen Eva und Jule, die sich noch aus gemeinsamen Studientagen an der WHU kennen, beginnt mit einem Piloten im Jahr 2015. Und ist so simpel wie genial: Wie schafft man es, die Supply Chain im Lebensmittelhandel umzukehren?

Und nicht von großen Ketten und deren konditionellen Restriktionen, sondern von den Produzenten aus zu denken, die sich nicht auf Masse, sondern auf biologische, nachhaltige Produkte fokussieren? Mit einer Plattform für Bauern, die ihre Waren zeitgemäss auch digital im regionalen Umfeld mit kurzen Wegen verkaufen möchten. 
Das Hamburger Start-up Frischepost bringt regionale Erzeuger und Verbraucher digital zusammen und liefert bislang auch in Berlin, München, Köln sowie im Rhein-Main-Gebiet.
© Frischepost
Das Hamburger Start-up Frischepost bringt regionale Erzeuger und Verbraucher digital zusammen und liefert bislang auch in Berlin, München, Köln sowie im Rhein-Main-Gebiet.

Früh nachhaltige Standards etabliert

Auch wenn Frischepost 2015 allenfalls seiner Zeit als einer der führenden Pioniere in diesem Marktsegment noch voraus war, hat das Start-up bereits damals Pflöcke eingeschlagen und bei sich als Standard etabliert, die in vielen anderen Unternehmen erst Jahre später im Zuge des Corona-Boosts im E-Food stärker in den Vordergrund rückten.

So beispielsweise elektrische Auslieferfahrzeuge, die bei Frischepost von Anfang an dabei sind. Und alle eigene Namen wie "Anton, der Apfelwagen", "Kira Kirsche", oder "Martha, die Milchkuh" tragen. Und aufwendig beklebt als fahrende Werbeflächen für Frischepost agieren.

Corona sorgt für Verschiebung zu Privatkunden

Die Corona-Pandemie mit ihrem ungeahnten Boost im Online-Lebensmittelhandel hat auch vor Frischepost nicht halt gemacht und zu einer Verschiebung innerhalb der Kundenstruktur geführt.

Fokussierte man vor Corona primär auf das B2B-Geschäft und belieferte z.B. Gastronomiebetriebe oder auch KMUs mit Produkten, liegt der Fokus heute auf B2C und dem Endkunden. Und der Bündelung der Einkaufstouren zu den einzelnen regionalen Produzenten. Mit dieser erweiterten Value Proposition läutete man somit auch die zweite große Entwicklungsstufe für Frischepost ein.

Verstärkung im Führungsteam

Nachdem das Ziel der ersten Stufe – Validierung des Geschäftsmodells, Aufbau des Start-ups und dieses durch die ersten Jahre navigieren – erfolgreich erreicht wurde, gilt es nun, mit dem Team von Frischepost die Vision des nachhaltigen Konsums weiter zu verbreiten. Und zu skalieren.
Tom Mayer ergänzt seit Kurzem das Geschäftsführungsteam der Gründerinnen Eva Neugebauer und Jule Willing (von links).
© Frischepost
Tom Mayer ergänzt seit Kurzem das Geschäftsführungsteam der Gründerinnen Eva Neugebauer und Jule Willing (von links).
Um diese Ziele zu erreichen, haben sich die Gründerinnen weitere E-Commerce-Expertise mit ins Boot geholt. Seit Oktober 2021 unterstützt Tom Mayer, der weit reichende E-Commerce-Erfahrung u.a. von Tchibo, Manufactum, Breuninger oder auch als Co-Founder von Milchmann & Co mitbringt, als neuer CEO von Frischepost die Gründerinnen.

Neben der Skalierung des Geschäftsmodells stehen dabei operativ insbesondere die Stärkung der Marke Frischepost und Effizienzsteigerungen bei Operations und Logistics im Vordergrund.

Abschaffung der Liefergebühr und kürzere Lieferfenster

Doch auch bei der Kundenzentrierung setzt Frischepost neue Maßstäbe: Damit Kunden sich nicht jede Woche implizit die Frage stellen müssen, ob man die Liefergebühren für die Bestellung zahlen möchte oder doch in den Supermarkt geht, hat Frischepost diese nun abgeschafft. Und erreicht damit im Sinne eines positiven "Lock-in-Effekts" eine Habitualisierung eines regelmässigen Kauf- und Bestellverhaltens.
Kommissionierung im Lager von Frischepost
© Frischepost
Kommissionierung im Lager von Frischepost
Um die Lieferzeiten zudem attraktiver zu gestalten, wurden die Lieferslots nochmals verkürzt. Von Montag bis Freitag stehen den Kunden nun drei Zeitfenster zwischen 13 - 16 Uhr (Mittag), 14 - 18 Uhr (Nachmittag) sowie 18 - 21 Uhr (Abend) zur Verfügung.

Die Besonderheit dabei: Da die Routenplanung am Vorabend erfolgt, wird dem Kunden nochmals am Abend vorher per Mail eine genaue Zeiteingrenzung auf 15 Minuten innerhalb des gewählten Slots mitgeteilt.

Erweiterung des Sortiments mit Ultrafrische

Das Sortiment von Frischepost umfasst heute rund 2.000 Artikel, die mehrheitlich von über 500 regionalen Erzeugern produziert werden. Der Fokus dabei: Saisonalität, die der Kunde im online publizierten Saisonkalender nachvollziehen kann. Es werden hauptsächlich die Produkte angeboten, die zur jeweiligen Jahreszeit passen. Bio, nachhaltige Produktion und kurze Wege stehen dabei im Fokus.
Um 46% nahmen die Bestellungen bei Frischepost im vierten Quartal 2021 im Vorjahresvergleich zu. Die Zahl der Stammkäufer wuchs sogar um 50%.
© Frischepost
Um 46% nahmen die Bestellungen bei Frischepost im vierten Quartal 2021 im Vorjahresvergleich zu. Die Zahl der Stammkäufer wuchs sogar um 50%.
Hinzukommen sollen eine bessere Grundabdeckung in allen Sortimentsbereichen im Sinne eines "One-Stop-Shoppings" für die Kunden sowie eine größere Auswahl im Bereich Ultrafrische. Hier spielt auch die lokale/regionale Lieferantenstruktur der Frischepost in die Karten: Eine Reihe der Produzenten ernten/produzieren und verpacken tagesfrisch auf Bedarf nach Bestelleingang; die Range reicht dabei vom Salatkopf, der bedarfsgerecht auf dem Feld geschnitten wird, über fangfrischen Fisch bis hin zur Rohmilch.

Damit kann Lebensmittelverschwendung und Foodwaste, sowohl bei den Produzenten und Bauern, als auch bei Frischepost, nahezu auf Null reduziert werden. Sollte doch einmal etwas übrig bleiben, wird dieses zu "Too Good to Go" weitergegeben.

Expansion zurückgestellt

Heute ist Frischepost bereits in der Hansestadt Hamburg, Berlin, München, Köln und im Rhein-Main-Gebiet vertreten. Hamburg, das auch die Keimzelle von Frischepost bildet, wird vom Start-up selbst bedient. Die weiteren Gebiete sind durch ein Franchise-Modell abgedeckt.

Nach einem erfolgreichen vierten Quartal 2021, bei dem der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal nochmals um 46 % gesteigert werden konnte, blickt Frischepost optimistisch in die Zukunft. Zudem wurde gerade eine Series-B-Finanzierungsrunde abgeschlossen.

Dass die bereits 2020 angekündigte Frischepost-Expansion auf ganz Deutschland und darüber hinaus dennoch erst einmal zurückgestellt wurde, hat Branchenbeobachter überrascht. Die Geschäftsführung begründet die Entscheidung damit, dass man zunächst verstärkt in Kundenbindung, Service und eine eigene App investieren will, wie die Lebensmittel Zeitung Gründerin Eva Neugebauer zitiert.

Fazit

Im derzeit primär auf schnelle Lieferung und Quick-Commerce fokussierten deutschen E-Food-Geschehen tritt Frischepost mit einem erfrischend anderen Ansatz im Gepäck an, um Kunden online mit nachhaltigen, regionalen Bio-Produkten zu bedienen.

Für mich steht Frischepost nicht nur als ein Online-Bio-Urgestein innerhalb der Branche, sondern auch als neuer Hoffnungsträger mit erheblichem Potenzial im unterversorgten deutschen Online-Lebensmittelmarkt.

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