In der Produktentwicklung und im Marketing dienen Personas dazu zu visualisieren, wer das angebotene Produkt, etwa eine neue Couch, kaufen soll. Personas sind hilfreich, um ein soziodemografisch fundiertes Targeting zu schaffen. Aber selten berühren sie die Ebene, die beim Kauf am wichtigsten ist: die Emotionen, sagt der Geschäftsführer der Digitalberatung Etribes und Etailment-Experte Stefan Luther. Er erklärt, warum gerade im Onlinehandel Gefühlsvisionen wichtig sind - und wie sich Sinneseindrücke digital übermitteln lassen.

Single, zwischen 30 und 35 Jahren alt, in der Großstadt lebend, kein Haustier, isst auf der Couch – Angaben wie diese finden sich in den Biografien von sogenannten Personas.

Personas, Customer Journey und Co. sind Hilfsmittel, die sich bewährt haben. Sie geben einen guten Überblick und strukturieren das erwartete Einkaufsverhalten. Aber Hand auf Herz: So kaufen wir nur selten ein. Wir springen in der Customer Journey vor und zurück, wie wir auch die Browser-Tabs wechseln, lassen uns von spontanen Impulsen und Sinneseindrücken leiten, statt dem soziodemographisch-erwartbaren Muster zu folgen.
Begeisterte Kunden beim Onlineshopping: Zur Kundenzentrierung gehören nicht nur soziodemografische Aspekte, sondern auch das, was Endkunden wahrnehmen und fühlen.
© IMAGO / Westend 61
Begeisterte Kunden beim Onlineshopping: Zur Kundenzentrierung gehören nicht nur soziodemografische Aspekte, sondern auch das, was Endkunden wahrnehmen und fühlen.

Rationales Kaufen findet nur auf dem Reißbrett statt

Deshalb sollten Unternehmen viel öfter die Marktforschung mit einer zentralen Frage ergänzen, nämlich: Was löse ich mit meinem Produkt bei den Endkunden aus?

Mit dieser Perspektive stehen nicht mehr nur demographische Fragen oder Touchpoints im Vordergrund, sondern das, was die Endkunden wirklich wahrnehmen und fühlen. Es ist eine Form der Kundenzentrierung. Und gerade diese emotionale Ebene gleichsam anzusprechen, wird beim Onlineshopping immer wichtiger.

Gefühle verstehen und gezielt ansprechen

Nehmen wir nochmal das Beispiel von oben –  den Kauf einer Couch im Internet – und stellen uns für die Kaufentscheidung eine Pyramide mit mehreren Ebenen vor: Auf der untersten Ebene, als grundlegendes Element, stehen die Basisentscheidungen, etwa welche Größe und Form das Sofa haben soll. Darüber liegen die Ebenen für Preis sowie Farbe und Material. Diese Informationen decken die meisten Onlinehändler mit ihren Produktsuchen und -Filtern ab.
Doch wie sich das Sofa anfühlt und wie es ins Wohnzimmer passt, das sind die Ebenen an der Spitze der Pyramide. Diese Fragen werden bisher nur selten beim Onlinekauf beantwortet, dabei sind sie zentral und entscheiden schlussendlich, ob wir das Sofa kaufen (bzw. behalten) oder nicht. Dabei lassen sie sich von Herstellern wie Händlern gleichermaßen beantworten.

Apple und Ikea

Der Smartphone-Gigant Apple ist auch in Sachen Gefühlsvisionen das Maß aller Dinge: Bei seiner jüngsten Produktshow hat er eben nicht nur einfach Produkte präsentiert, sondern immer sehr geschickt die emotionale Ebene angesprochen.

Apple hat sich im Vorfeld bewusst überlegt, was das Publikum während der Präsentation fühlen und wie es im Anschluss handeln soll. Basierend darauf hat der Konzern die Zuschauer dann auf die Reise in die neuen Produktwelten geschickt.

Aber auch fernab von hollywood-reifen Megashows lassen sich Sinneseindrücke bei Kunden übermitteln. Möglichkeiten dafür gibt es viele; so bietet beispielsweise Ikea eine Augmented-Reality-App an, um ein Gefühl für potenzielle neue Möbel und deren Look and Feel in den eigenen vier Wänden zu vermitteln.

Die Rolle bewegter Bilder

Aber auch über die eigene Shop-Seite lassen sich gezielt Emotionen ansprechen, etwa mit Videocontent auf Produkt-Detailseiten. Von deren großem Mehrwert beim Einkauf ist auch Mokebo-Gründer Philip Kehela überzeugt.
In der AR-App von Ikea können mit wenigen Klicks Räume kreativ ausgestattet werden. Die App schlägt auch Alternativen zu bestehenden Möbeln vor, indem man die Kamera auf sie richtet.
© Screenshot / Ikea
In der AR-App von Ikea können mit wenigen Klicks Räume kreativ ausgestattet werden. Die App schlägt auch Alternativen zu bestehenden Möbeln vor, indem man die Kamera auf sie richtet.
Im Podcast Different (ab Minute 19:00) erklärt er sehr anschaulich, wie sich Gefühlsvisionen beim Möbel-Onlineshopping im Bewegtbild vermitteln lassen: Das kann etwa passieren, indem eine Person sich auf ein Sofa setzt. Oder indem sie in ein Kissen greift. Beides vermittelt ein Gefühl für die Haptik des Produkts und wie es auf den Körper reagiert.

Diese Eindrücke wecken Emotionen bei uns, lassen uns mit-spüren, wie weich oder hart, fluffig oder kantig, das Sofa und das Kissen sind; die Videos transportieren im Idealfall sogar, wie wir uns darauf selbst fühlen würden.

Die "Empathy Map"

Doch wie lässt sich dieses Prinzip nun auf alle Vertriebskanäle – vom Onlineshop bis Social Media – und auf die eigenen Produkte übertragen? Natürlich indem die Frage „Was löst das Produkt bei Kunden aus?” immer wieder, in jeder Abteilung des Unternehmens, reflektiert wird – vom UX-Team über das Projektmanagement bis ins Marketing.

Um die Antworten auf diese Frage zu systematisieren, kann die sogenannte Empathy Map helfen. Sie ermöglicht es, sich in die Sinneswelt der Kunden hineinzuversetzen. Was sehen sie, was hören sie in einer bestimmten Situation? Wie sind Handeln sowie Denken und Fühlen gelagert? Was belastet sie, was wünschen sie sich – und wie könnte das Produkt sie in diesem Moment glücklicher machen?

Darüber hinausgehend lohnt sich auch der Blick auf die „Pains und Gains“, also, welche Sorgen die Kunden haben – und welche Wünsche.

Fazit

Die psychologischen Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und damit neue positiv bewertete Erlebnisse zu schaffen – darum sollte es im digitalen Handel viel mehr gehen.  

Mit dieser holistischen Vorstellung lassen sich die Kunden mehrdimensionaler ansprechen und erreichen. Denn das ist schließlich die Grundüberzeugung vom Nutzen der Gefühlsvisionen: dass begeisterte Kunden mehr kaufen.

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