Flexibilität ist das zentrale Mantra bei der Internationalisierung im Onlinehandel. Wer an dem laut Forrester bis 2018 40 Milliarden Euro großen Markt des grenzüberschreitenden europäischen E-Commerce mitverdienen will, muss die lokalen Marktbedürfnisse kennen. Doch wie unterscheiden sich die großen europäischen Nationen und ihre Kunden?



Das aus dem Zusammenschluss von eBay Enterprise und Innotrac entstandene Unternehmen Radial hat mit den E-Commerce-Märkten Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands die größten und am weitesten entwickelten Einzelhandelsmärkte in Westeuropa untersucht, die zusammengenommen rund 75  Prozent des gesamten Online-Umsatzes der Region ausmachen. Einzelhändler müssen in diesen Märkten mit Herausforderungen wie wachsenden Kundenerwartungen, schrumpfenden Gewinnmargen, ausländischen Wettbewerber sowie einer enormen technischen und logistischen Komplexität umgehen.

Vorteil Nähe: Nationale Händler sind 1,36 Euro günstiger in den Versandkosten als ihre internationalen Wettbewerber (Foto: Radial)
Vorteil Nähe: Nationale Händler sind 1,36 Euro günstiger in den Versandkosten als ihre internationalen Wettbewerber (Foto: Radial)


Dabei hat die Studie eine Reihe elementarer Differenzen herausgearbeitet.

Versandoptionen: Deutschland hinkt mit gerade einmal 3,6 Versandoptionen, Frankreich (3,8 Optionen) und Großbritannien (4,8 Optionen) hinterher. Dafür können die deutschen Einzelhändler bei verschiedenen Versandoptionen durchgehend wettbewerbsfähige Preise anbieten. Von den drei Märkten hat Deutschland zudem den niedrigsten Mindestbestellwert für kostenlosen Versand. Ähnlich wie ihre französischen Nachbarn setzen die deutschen Händler verstärkt auf lokale Alternativen zur Hauszustellung, wie die DHL PackStationen und Hermes PaketShops. Die Option der Abholstation ist im Ländervergleich hier mit Abstand am weitesten verbreitet. Dafür ist die Verfügbarkeit der Filialabholung in Deutschland am geringsten, erreicht aber dennoch stattliche 74  Prozent. Zudem bietet Deutschland mit 3,1 Tagen die kürzeste Lieferzeit beim Standardversand.

40 Prozent der Händler bieten übrigens vier oder mehr Zustelloptionen (Foto: Radial)
40 Prozent der Händler bieten übrigens vier oder mehr Zustelloptionen (Foto: Radial)

Rückgabefristen: Mit durchschnittlich 26 Tagen verfügt Deutschland über sehr viel kürzere Rückgabefristen als Frankreich (40 Tage) und Großbritannien (42 Tage). Bei einem Land, das für seine traditionell strengen Verbraucherschutz- und Fernabsatzbestimmungen bekannt ist, überrascht es nicht, dass sich die deutschen Einzelhändler näher am gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaß von 14 Tagen bewegen.

Retourenoptionen: In Deutschland ist eine breite Palette an Retourenoptionen verfügbar – alle Händler bieten die Rücksendung per Paketdienst, und die große Mehrheit bietet die Rücksendung über beliebte Systeme wie DHL PackStationen und Hermes PaketShops an. Deutsche Händler bieten jedoch mit 42 Prozent am seltensten die Rückgabe in den Filialen an (Frankreich: 69  Prozent, Großbritannien 83  Prozent). Im Gegensatz zu Frankreich und Großbritannien werden in Deutschland sämtliche Retourenoptionen vom Händler bezahlt. Trotz der geänderten Rechtslage, bei der die kostenlose Rücksendung nicht mehr Pflicht ist, sind deutsche Kunden so sehr daran gewöhnt, dass nur wenige Händler ihre Rückgaberichtlinien geändert haben.

Omnichannel-Maßnahmen: Die hohe Verfügbarkeit der Filialabholung und ‑rückgabe zeigt, wie wichtig Omnichannel-Maßnahmen für Händler in allen drei Märkten sind. Hier bildet Deutschland das Schlusslicht und hat am meisten Nachholbedarf. Jedoch verfügen in allen drei Märkten nur wenige Händler über wirklich vernetzte Abläufe. Die Effizienz, die sich aus Omnichannel-Angeboten ergibt, wird so noch nicht voll ausgeschöpft. Viele dieser Bestellungen könnten auch mit Filialbeständen ausgeführt werden, statt die Waren vom E-Commerce-Lager zur Filiale zu transportieren. Dies würde die Kosten sowohl für den Händler als auch den Verbraucher weiter senken. Ferner könnten Händler mithilfe von Omnichannel-Aufträgen die Zustellung am gleichen Tag und eine nahezu sofortige Bestellabholung auf landesweiter Ebene anbieten. Doch um dies umsetzen zu können, müssen sie ihre Omnichannel-Entwicklung vorantreiben.

Vorteil Nähe: Nationale Händler sind im Schnitt 1,36 Euro günstiger in den Versandkosten als ihre internationalen Wettbewerber (Foto: Radial)
Vorteil Nähe: Nationale Händler sind im Schnitt 1,36 Euro günstiger in den Versandkosten als ihre internationalen Wettbewerber (Foto: Radial)

Zur Studie: Die aktuelle Untersuchung basiert auf einer Sekundärerhebung mit je 25 führenden lokalen Onlinehändlern aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Ergänzt wurde sie durch die Angaben von 25 führenden internationalen Einzelhändlern, die ihre operative Abwicklung vorwiegend in keinem der genannten drei Länder haben. Um eine möglichst umfangreiche Abbildung des Marktes zu erhalten, wurden Einzelhändler aus verschiedenen Branchen sowie reine Onlinehändler und Multichannel-Anbieter ausgewählt.