Zalando, Dawanda oder Lieferheld – mit Startups werden digitale Erfolgsgeschichten assoziiert und weniger die Handwerker oder Dienstleister um die Ecke, die jedoch den Großteil der Neugründungen ausmachen. Doch gerade für sie kann ein genauer Blick auf die Geldgeber der Start-ups lohnend sein.
Egal, wie hoch die Ziele gesteckt sind – bevor es losgeht, müssen die Finanzen stehen. Entweder werden private Mittel eingesetzt oder immer häufiger KfW-Programme und externe Finanzmittel. Dafür gibt es Modelle wie von Project A, Hanse Venture oder Golden Mind, die nicht nur Kapital zur Verfügung stellen.
Der Arbeitsmarkt ist im Aufschwung. Ein Grund, warum sich die Gründerbegeisterung 2015 in Grenzen hielt. Im Vergleich zum Vorjahr ist entsprechend des KfW-Gründungsmonitors die Zahl um 17 Prozent (152000 Personen) auf 763000 Gründer gesunken und hat damit den tiefsten Stand seit 2002 erreicht. Im gleichen Zeitraum fiel die Erwerbslosenquote. In der Konsequenz sanken 2015 die Notgründungen aus Mangel an Alternativen überproportional um 28 Prozent gegenüber 2014.
Zwei interessante Veränderungen: Zum einen stieg die Zahl der innovativen Gründer um 6 Prozent auf 95000 an. Doch bislang ist nur jeder fünfte Gründer ein digitaler Gründer, Tendenz steigend.
Digitale Gründer haben oft viel vor. Sie zielen zumindest auf den deutschsprachigen Raum (41 Prozent) beziehungsweise die EU (6 Prozent), nicht selten sogar auf den Weltmarkt (22 Prozent). Das lässt Kapitalgeber aufhorchen. Mittlerweile suchen nicht nur Gründer Kapitalgeber, sondern auch Kapitalgeber nach interessanten Investitionsprojekten.
Jährliche Rendite muss stimmen
Beispiel Project A, Berlin. 2012 startete das Unternehmen, das von ehemaligen Rocket Internet Geschäftsführern gemanagt wird. Es verfügt über rund 80 Millionen Euro Venture Kapital, das der Otto-Konzern und der Axel Springer-Verlag investiert haben. Diese Summe wurde aktuell um 40 Millionen Euro aufgestockt und ein zweiter Fonds in Höhe von 140 Millionen Euro geschlossen – in der Summe 260 Millionen Euro.
Zu den neuen Investoren gehören traditionelle Unternehmerfamilien wie Oetker, Jahr oder Ravensburger, ebenso Persönlichkeiten aus der digitalen Branche wie Rolf Schrömgens (trivago) oder Rene Köhler (Internetstores). Ihr Ziel ist eine durchschnittliche Rendite von 12 bis 15 Prozent – Laufzeit rund zehn Jahre. Dafür muss die Mischung stimmen.
„Gute Investoren in den USA, die Returns bis zu 20 oder 25 Prozent erzielen, haben nicht eine geringere Quote beim Scheitern, sondern eine höhere Erfolgsquote“, erklärt Geschäftsführer und Co-Gründer Florian Heinemann. Project A ist bei der Auswahl der Gründungen wählerisch. Sie wollen am Anfang dabei sein und in den ersten zwei, drei Jahren die Entwicklung steuern. „Mindestens ein Unternehmen muss 70 bis 80 Millionen Euro zurückspielen“, sagt Heinemann.
Der Einsatz: Pro Thema investieren die Berliner 7 bis 8 Prozent des Fonds oder maximal 10 Millionen Euro. Für weitere Mittel sind sie immer auf der Suche nach Co-Investoren. 2015 hat das Unternehmen etwas mehr als 20 Millionen investiert. Insgesamt kamen im selben Zeitraum ungefähr 140 Millionen ins Portfolio. Das heißt, für jeden Euro, den Project A investierte, kamen weitere 6 bis 7 Euro ergänzend aus anderen Quellen.

Um diese Ziele zu erreichen, braucht es Rendite versprechende Ideen. Rund 150 landen pro Monat bei ihnen auf dem Schreibtisch. Doch selten entsteht daraus ein konkretes Projekt. Viel wahrscheinlicher spült das eigene Netzwerk beispielsweise über Co-Investoren die interessanten Ideen an. „Vor fünf bis sechs Jahren genügte es, einen großen Geldtopf zu haben, um für gute Unternehmen attraktiv zu sein. Das dreht sich immer mehr“, erklärt Heinemann. „Unternehmer mit guten Ideen können sich heute die Geldgeber aussuchen.“ Der Wettbewerb hat zugenommen.
Das Angebot von Project A: Investmentpaket plus Unterstützerstruktur als Wahlmodul. Dafür stehen 100 Mitarbeiter parat, die Startups in allen relevanten Bereichen schnell und kompetent anschieben. 90 Prozent der Gründer nutzen dieses Menü in irgendeiner Phase der Laufzeit. „Für die Themenbereiche, in die wir in Europa investieren, wollen wir das bestmögliche Investmentprodukt plus Beratung bieten. Einige der relevanten europäischen Startups müssen bei uns im Portfolio sein, das ist unser Anspruch“, betont der Geschäftsführer.
Bei Hanse Ventures in Hamburg gibt es Geld und Expertise ausschließlich im Doppelpack. Als Company Builder entwickeln sie „eigene Geschäftskonzepte im Bereich Internet und Mobile und setzen diese mit geeigneten Gründerteams um“, heißt es dort.
Geld und Expertise nur im Doppelpack
Sie interessieren sich weniger für Gründerteams, die eine feste Idee mitbringen und womöglich erstes Kapital investiert haben. Sie interessiert die Idee in der Rohfassung, die sie entsprechend ihrer Expertise für den Markt „aufgleisen“ – mit einem Gründerteam, das in ihren Augen Erfolg verspricht.
Zentral ist auch hier die Suche nach den Rendite versprechenden Trüffeln. Welche Idee, welches Unternehmerteam verspricht dies? Für die Hamburger führt der Weg über Austausch. Jedes Quartal werden kurze Pitches, der sogenannte Ideensturm, ausgerufen, zu denen sich potenzielle Gründer anmelden können, doch sehr selten entstehen daraus Hanse Venture-Gründungen. Warum also dort erscheinen? „Weil wir ein offenes und qualifiziertes Feedback geben, das ist für Gründer essenziell“, betont Tobias Seikel, einer der drei Geschäftsführer bei Hanse Ventures, zuständig für die operative Führung und Nachwuchsförderung.

Es sei ein Irrglaube, Ideen könnten im stillen Kämmerchen ausgebrütet werden, aus Angst, sie würden kopiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bereits an dieser Idee arbeitet, sei so groß, dass es fahrlässig wäre, sich keine kritische Rückmeldung zu holen.
Der Vorteil der Pitches für Hanse Ventures: Sie bekommen eine Vielzahl an Ideen zu Gesicht und noch wichtiger, sie lernen potenzielle Gründer kennen, die eventuell auch für eine ganz andere Idee geeignet sind. Deshalb gilt für Seikel, über eine Idee mit möglichst vielen Branchenexperten und Markteilnehmern zu reden, sie abzuklopfen, um nach ein, zwei Praxistests die Idee zu verwerfen oder das passende Team zu finden. Zwei bis fünf Gründungen pro Jahr gehen die Hanseaten im Schnitt an.
Innerhalb von vier bis acht Jahren sollte ein Unternehmen solide aufgebaut sein und damit Exit-Reife erreicht haben. Wer sich darauf einlässt, erhält ein Investmentpaket plus einem begleitenden Team von Hanse Ventures. Dieser Deal umfasst die Gründung einer GmbH, in der die Jungunternehmer als Geschäftsführer eingetragen sind. Sie erhalten einen Geschäftsführervertrag und – am Markt eher selten – ein entsprechendes Gehalt. Hanse Ventures investiert in den Start und organisiert Geld für Folgefinanzierungsrunden. „Unsere Anteile werden mit den Folgerunden allerdings immer kleiner, bei einem hoffentlich immer wertvolleren Kuchen“, erklärt Seikel – um irgendwann alle Anteile komplett möglichst gewinnbringend zu veräußern.
Idealerweise quartieren sich die Junggeschäftsführer direkt auf dem Stockwerk der Hanse Ventures Geschäftsführung ein, um effizient im direkten Kontakt zu sein. „Wir halten immer Fläche frei für die neuesten Startups“, betont Seikel. 25 Mitarbeiter schieben die jungen Unternehmen an, sorgen für Personal, das schnell eingearbeitet wird, und ziehen sich wieder raus, sobald die unternehmenseigene Truppe steht, wie etwa das erfolgreiche Unternehmen pflege.de, das im vierten Jahr bereits 70 Mitarbeiter beschäftigt und „alleine läuft“, ähnlich wie Rebelle, die erfolgreiche Onlineplattform für Secondhand-Designertextilien.
B-to-B ist reif für Onlinelösungen
Das Gros der Gründer bewegt sich im finanziell kleineren Rahmen. Laut KfW sind im langjährigen Mittel 75 bis 80 Prozent der extern finanzierten Gründer sogenannte Mikrofinanzierer, die sich Kapital bis 25.000 Euro beschaffen. Ab dieser Größe ist Golden Mind, Berlin, unterwegs. Dahinter steckt Bastian Mell, der 2009 bereits mit Paket Plus ein Werbenetzwerk für Paketbeilagen aufgezogen und mittlerweile an BurdaDirect verkauft hat. Jetzt unterstützt er Startups mit seinem Netzwerk, Knowhow und mit maximal 60.000 Euro. Ein kleines Team begleitet die Jungunternehmer bei praktischen Fragen wie der Einstellung von Personal oder der Vorbereitung einer Investorenanfrage. „Die Gründerszene ist breiter geworden – vom veganen Hundefutter bis zu Bambus-Sonnenbrillen, doch nur wenige sind erfolgreich“, erklärt Mell. Ihn interessieren Geschäftsbereiche, die sich seit Jahrzehnten nicht verändert haben und nun reif für eine Onlinelösung sind. Mell setzt auf Lösungen im B-to-B-Bereich für Mittelständler. Mehrere Startups hat er in der Pipeline.
Mehr zum Thema in der Ausgabe 3/2017 von "Der Handel"