Sein Traum war stets eine Karstadt-Kaufhof-Fusion. Doch Maurizio Borletti kam beim Bieten um Karstadt nicht zum Zuge - weil ihn die Gewerkschaft abgelehnt habe, wettert der Italiener.

Gerade an einem solchen Tag wirkt die Meldung, dass Karstadt in seine Filiale in Gummersbach 100.000 Euro für Verschönerungen investiert, amüsant. 100.000 Euro - das ist ein Bruchteil von dem, was man in dieses Haus tatsächlich stecken müsste, damit es das Versprechen einlöst, das Karstadt-Chef Andrew Jennings für alle Filialen des Konzerns abgegeben hatte. Die Häuser sollten "Full of Life" sein, schmetterte der Brite.

Doch mittlerweile ist Karstadt eher "Full of Trouble". Ende August läuft der Sanierungstarifvertrag zwischen Unternehmen und Beschäftigten aus - und immer mehr Experten fragen sich: Wo bleiben eigentlich die Investitionen für Häuser? Wo ist die vesprochene schöne, neue Warenhauswelt? Stattdessen tritt mit dem Auslaufen des dreijährigen Kündigungsschutzes das ein, was zu befürchten war: Mitarbeiter werden entlassen.

Zudem gibt es immer besorgniserregendere Mitteilungen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, außerdem sollen unbefristete Arbeitsverträge nicht verlängert werden.

Mehr Flexibilität versus Ideologie

Neuerdings steht auch Verdi wegen Karstadt unter Rechtfertigungszwang - ausgelöst durch schwere Vorwürfe von Maurizio Borletti. Der italienische Warenhausbetreiber (Printemps, La Rinascente) klagte im "Handelsblatt", dass die Gewerkschaft im Bieterstreit um Karstadt vor zwei Jahren mit allen Mitteln verhindert habe, dass er den Zuschlag bekomme - stattdessen ausschließlich Nicolas Berggruen favorisiert habe.

"Wir forderten damals mehr Flexibilität und längere Arbeitszeiten, im Gegenzug aber wollten wir auf Stellenstreichungen verzichten", sagte der Italiener dem "Handelsblatt". Doch Verdi habe den gesprächsbereiten Karstadt-Betriebsrat ausgebremst. "Die Gewerkschaft opferte Karstadt für ihren ideologischen Kampf."

Wenn nun in den nächsten zwei Jahren 2.000 Stellen
bei Karstadt gestrichen werden, sei das auch das Verschulden der Gewerkschaft, behauptet Borletti und benutzt martialische Worte: "Verdi hat Blut an den Händen." Das "Handelsblatt" beruft sich auf das Umfeld des Karstadt-Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg und schreibt, dass Borlettis Version bestätigt werde. Verdi wolle laut "Handelsblatt" wegen Rufschädigung durch Borletti rechtliche Schritte gegen den Italiener prüfen.

Borletti hatte stets auch Interesse an Galeria Kaufhof. Pläne, die Metrotochter mit Karstadt zu einer edlen Warenhauskette verschmelzen wollte, hatte er nie wirklich dementiert.

Borlettis Ahnungen

Früher als Borletti griff 2010 auch Triton nach Karstadt - jedoch vergeblich. Auch der deutsch-skandinavische Finanzinvestor hatte für seinen Sanierungsplan weitere Zugeständnisse von den Arbeitnehmern gefordert. "Triton versucht, den Beschäftigten die Pistole auf die Brust zu setzen", hieß es damals bei Verdi. Vielmehr fürchtete man damals bei der Gewerkschaft, dass Triton "den ganzen Laden auseinandernehmen" wollte.

Borletti wirft nun Berggruen Wortbruch vor. Denn der Deutsch-Amerikaner hatte nach seiner Übernahme von Karstadt stets beteuert, dass niemand um seinen Job bangen müsse. Doch die nun bevorstehenden Entlassungen seien vorhersehbar gewesen, sagte Borletti dem "Handelsblatt". Schon 2010 sagte er zu "Bild": "Ich glaube, Herr Berggruen will Karstadt aufteilen und stückweise verkaufen."

Auf 300 Millionen Euro schätzte der Italiener damals den Erlös, auf den Berggruen spekulierte. In der Tat wurde Karstadt längst in die Geschäftsbereiche Warenhaus, Sport und Premium untergliedert.

Berggruen und die 65-Millionen-Euro-Einlage

Das "Handelsblatt" berichtet über eine weitere Facette von Berggruen, und beruft sich dabei auf vertrauliche Unterlagen: So habe der Investor dem Karstadt-Insolvenzverwalter Görg eine Einlage in Höhe von 65 Millionen Euro in die Gesellschaft zugesichert. Kurze Zeit nach der Übernahme des Warenhauskonzerns habe sich Berggruen dieses Darlehen zurückzahlen lassen.

Zweifel an der Strategie von Berggruen gibt es schon länger. 400 Millionen Euro will Karstadt bis 2015 in die Häuser stecken - doch nicht etwa mit "frischem Geld". Vielmehr sollen diese Investitionen einzig aus dem Cashflow bestritten werden. Nicht nur der Verdi-Sekretär und Karstadt-Aufsichtsrat Johann Rösch äußerte hier große Skepsis, ob dieser Plan aufgehen werde.

Die Gummersbacher wissen immerhin, was sie für die 100.000 Euro für ihre verschönerte Karstadtfiliale bekommen werden: eine vergrößerte Abteilung für Damenhandtaschen.