Die Deutsche Kreditwirtschaft verlängert den Testzeitraum für das kontaktlose Kartenverfahren girogo. Die Kunden nutzen die neue Zahlmethode zu wenig - doch Handel und Banken halten am Projekt fest.

Am 17. April 2012 startete die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) den nach eigenen Angaben "größten europäischen Feldtest" für die kontaktlose Near-Field-Communication-Bezahltechnologie (NFC). Dazu wurden in der Pilotregion Hannover, Wolfsburg, Braunschweig rund 1,5 Millionen Girocards (früher EC-Karte) mit der NFC-Technik ausgegeben - insbesondere von den Sparkassen.

Namhafte Händler wie Edeka, dm Drogeriemarkt, Douglas, Tankstellen und Systemgastronomen beteiligen sich an dem Test, integrierten girogo an inzwischen rund 1.000 Kassen und warben für die neue und schnelle Art des Bezahlens im Kleinbetragsbereich bis 20 Euro.

Die Kunden setzen girogo noch zu wenig ein

Jüngstes Mitglied im Kreis der Akzeptanzstellen ist der VfL Wolfsburg, der die girogo-Technik seit der Bundesliga-Rückrunde in der Volkswagen Arena einsetzt. Das schnelle Zahlen mit der Karte per Funkübertragung ohne PIN und Unterschrift eignet sich hervorragend, um den Ansturm auf die Wurst- und Bierverkaufsstände in der Halbzeitpause zu bewältigen.

Doch trotz zahlreicher Karten und Akzeptanzstellen in der Region muss der girogo-Test in die Verlängerung gehen. Ursprünglich war die Pilotphase auf einen Zeitraum von 12 Monaten angelegt. Danach sollte über einen breiteren Rollout der NFC-Technologie auf den deutschen Girocards entschieden werden.

Doch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) will den Testzeitraum nun - wie aus Handelskreisen zu vernehmen ist - zunächst bis Ende 2013 verlängern, bevor über das weitere Schicksal der kontaktlosen Geldkarte girogo entschieden werden soll.

"Der Zeitplan für die gemeinsame Erschließung weiterer Regionen ist derzeit noch offen", teilt die DK in einer
Foto: Hanno Bender
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auf Anfrage von derhandel.de mit. Von einer "Verschiebung" oder "Verlängerung" wollen die Banken freilich nicht sprechen, doch die Kunden nehmen die neue Art des Bezahlens offenbar noch nicht in ausreichendem Umfang an.

"Wir verzeichnen bislang nur geringe Transaktionszahlen, aber das ist nicht schlimm, da wir auf diese Weise noch einige Kinderkrankheiten im Bezahlprozess bereinigen konnten", sagte Jürgen Manegold, Vorstandssprecher der Edekabank AG auf dem Bargeldlogistikkongress in dieser Woche in Wiesbaden. Ähnliche Rückmeldungen erhält man von anderen Projektteilnehmern, die von Umsätzen in "homöopathischen Mengen" sprechen. Konkrete Zahlen zur Nutzung gibt die DK bislang nicht heraus.

Kosten für girogo aus Handelssicht interessant

"Das Totenglöcklein muss aber noch nicht geläutet werden", betonte Jürgen Manegold in Wiesbaden. "Girogo hat aus unserer Sicht ein großes Potenzial, wenn Banken und Handel an einem Strang ziehen und auch Parkraumbewirtschafter und der öffentliche Nahverkehr sich beteiligen."

Edeka ist mit 178 Märkten und 645 Kartenterminals neben der Douglas Holding und Esso einer der größten Projektteilnehmer und im Lenkungsausschuss der Deutschen Kreditwirtschaft zum girogo-Piloten vertreten.

Die Kosten für das kontaktlose Bezahlverfahren auf Basis der Geldkartentechnologie beziffert der Chef der gruppeneigenen Edekabank nach den bisherigen Ergebnissen auf 0,24 Prozent vom Umsatz. Damit sei das Verfahren aus Handelssicht attraktiv, da die Kosten für das Bargeldhandling gerade im Kleingeldbereich durch die Verteuerung der Münzver- und -entsorgung enorm gestiegen seien.

Sparkassen halten an ihren Rollout-Plänen fest

"Kein anderes kontaktloses Bezahlverfahren ist in Deutschland so weit vorangekommen, wie girogo. Es ist jetzt noch zu früh, um auf die Transaktionszahlen zu schauen", urteilt Michaela Roth, Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), gegenüber der derhandel.de. "Auch bei der Einführung von electronic cash gab es einen langen Vorlauf, heute ist es das mit Abstand beliebteste Kartenzahlverfahren in Deutschland."
 
Und auch das Spitzengremium der deutschen Banken, die DK, zieht eine positive Bilanz: "Wir sind in der kurzen Zeit schon sehr weit gekommen: 50 Handelsunternehmen mit 400 Filialen und rund 1.000 Terminals nehmen in der Pilotregion teil. 14 Terminalvarianten von vier Herstellern wurden für girogo zugelassen."

Die Sparkassen, die das Projekt in der Deutschen Kreditwirtschaft besonderes vorantreiben und mittlerweile 8 Millionen Girocards mit girogo-Funktion herausgegeben haben, wollen an ihrem Zeitplan für die nächsten Testgebiete festhalten. Ab Februar sollen dazu verstärkt Gespräche mit Händlern in den Metropolregionen Hamburg, Rhein-Main und Rheinland aufgenommen werden.   

Im Handel mehren sich allerdings auch kritische Stimmen, die ihre Skepsis durch eine mögliche Verlängerung des Tests bestätigt sehen: "Es gibt genügend Karten und Akzeptanzstellen in der Pilotregion. Das Henne-Ei-Problem ist gelöst, aber der Kunde braucht das kontaktlose Bezahlen offenbar nicht", kommentiert ein Kartenzahlungsexperte die Verschiebung.

Die NFC-Technologie gilt auf der anderen Seite aber als Brückentechnologie für mobile Payment-Lösungen auf Basis von Debit- und Kreditkarteninformationen, die auf einem Chip im Smartphone hinterlegt werden.

Streit um die neuen Regeln für TA 7.1

Für weiteren Diskussionsstoff zwischen Kreditwirtschaft und Handel sorgte in Wiesbaden die neuste Version des technischen Regelwerks zum Girocard-Verfahren (TA 7.1.). Entgegen der ursprünglichen Pläne soll in der TA 7.1. kein eigener Datensatz für Bargeldabhebungen enthalten sein. Damit wären die Gebühren für Bargeldauszahlung am POS, das sogenannte Cash-Back-Verfahren, wie es etwa die Rewe ihren Kunden anbietet, nicht getrennt verhandelbar.

"Der Handel würde seinen Kunden diesen Service gerne anbieten, ist aber nicht bereit, dafür 0,3 Prozent vom ausgezahlten Geldbetrag an die Banken zu entrichten", kommentierte der Vertreter eines großen Lebensmittelhändlers. "Die Kreditwirtschaft muss sich schon fragen lassen, wie ernst sie den 'War on cash' denn meint".