Zentrale Rechtsfragen - unterschiedliche Bewertung. Es ist auch für das Landgericht Essen schwer, im Streit des Arcandor-Insolvenzverwalters mit Thomas Middelhoff den Durchblick zu behalten. Die Konsequenz: Beide Seiten mögen sich vergleichen.

Vorschlag zur Güte im Arcandor-Prozess: Das Essener Landgericht hat den Kontrahenten im Streit um millionenschwere Schadenersatzzahlungen einen Vergleich empfohlen. Vom früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und anderen fordert der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg Schadenersatz im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften.

Das Gericht erklärte nun laut Beschluss vom 20. Juli, dass die "zentralen Rechtsfragen in den Instanzen unterschiedlich bewertet werden können". Außerdem erscheine es fraglich, ob die zum Teil lange zurückliegenden Vorgänge heute noch aufgeklärt werden könnten.

Wirtschaftlich nachteiliger Plan?

Görgs Forderungen von zunächst 175 Millionen Euro richten sich neben Middelhoff noch gegen zehn weitere ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte. Hauptstreitpunkt ist der Verkauf von fünf Karstadt-Immobilien an den Oppenheim-Esch-Fonds im Jahr 2005. Görg bemängelt, der damalige Plan, die Häuser zu verkaufen und nach umfassender Renovierung wieder zurück zu mieten, sei für Arcandor wirtschaftlich nachteilig gewesen. Die Verkaufspreise seien zu gering, die vereinbarten Mieten dagegen viel zu hoch gewesen.

Middelhoff weist die Vorwürfe zurück. Er habe die von seinen Vorgängern bereits verbindlich beschlossenen Verkäufe gar nicht mehr stoppen können.

Nach bisheriger Einschätzung des Gerichts gilt dies aber wohl nur in vier von fünf Fällen. Beim Verkauf der Karstadt-Immobilie in Wiesbaden tendieren die Richter dazu, eine unternehmerische Pflichtverletzung Middelhoffs und weiterer Vorständen anzunehmen.

"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht"

Der von Insolvenzverwalter Görg allein in diesem Fall geforderte Schadenersatz von 58 Millionen Euro ist nach Ansicht der Richter aber "nicht schlüssig berechnet". Die Richter halten allenfalls einen geringeren Betrag für denkbar.

Görgs Anwälte erhielten deshalb zwei Monate Zeit, um zu diesem Komplex weitere Ausführungen zu machen. Görg beziffert die möglicherweise entstandenen Schäden nun auf insgesamt rund 234 Millionen Euro. Entsprechende Angaben von "Wirtschaftswoche" und "Manager Magazin" bestätigte am Freitag Görgs Sprecher Thomas Schulz: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht." Ein Anwalt Middelhoffs spricht dagegen laut "Wirtschaftswoche" von einer "Milchmädchenrechnung". Es fehle weiterhin eine plausible Schadenserhebung.

Görg hat laut Gericht jetzt sechs Wochen Zeit, Widersprüche auszuräumen. Danach hat Middelhoff vier Monate Zeit zu einer Stellungnahme. Der Verkündungstermin ist deshalb vom 31. August auf den 15. Februar 2012 verlegt worden.

Zweite Klage gegen Middelhoff im Dezember

Gegen Middelhoff gibt es noch weitere Klagen, unter anderem eine zweite Schadenersatzklage von Görg. Sie steht nach Informationen der "Wirtschaftswoche" Mitte Dezember an. Darin geht es um umstrittene Bonizahlungen und Reisekostenabrechnungen.

Seit 2009 ermittelt zudem die Bochumer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue. Im Gegenzug verlangt auch Middelhoff von Görg Schadenersatz. Außerdem verklagt er Görg wegen des Verdacht des Prozessbetrugs.