Verdi setzt die Kritik am Quelle-Insolvenzverwalter fort. Der Handelsexperte Johann Rösch wirft Klaus Hubert Görg Versäumnisse vor, die die entlassenen Mitarbeiter Geld kosten könnten.
Unklarheiten beim Abverkauf
Der Insolvenzverwalter habe keine Antwort darauf, wie der Abverkauf der Lagerbestände organisiert werden könne. So sei immer noch völlig unklar, wie viele Beschäftigte dafür gebraucht würden. "Es gibt viele offene, zermürbende Fragen", sagte der Rösch. "Die Menschen sind verzweifelt." Görg müsse endlich Entscheidungen treffen.Leidtragende der Hängepartie seien die Arbeitnehmer, die Unterlagen wie Arbeitsbescheinigungen und Kündigungsschreiben vom Insolvenzverwalter nicht bekämen. Diese Papiere bräuchten sie aber, um sich arbeitslos melden zu können. "Es besteht die Gefahr, dass sie kein Arbeitslosengeld erhalten", warnte Rösch.
Die Lage für die Beschäftigten werde immer dramatischer. Vom Quelle-Aus sind rund 4.000 Menschen betroffen, die ihren Job verlieren werden.
"Seit Wochen keine physische Präsenz"
Das Quelle-Management vor Ort werde völlig alleingelassen, kritisierte der Gewerkschafter. "Es gibt seit Wochen keine physische Präsenz von Verantwortlichen der Kanzlei Görg in Nürnberg oder Fürth", sagte Rösch. "Das ist ein Skandal." Er befürchte, dass auch die lukrativen Quelle-Auslandsgesellschaften, für die es mehrere Interessenten gibt, immer mehr in eine Schieflage geraten könnten.Die Mitarbeiter in den Call Centern, den Servicegesellschaften oder beim Technischen Kundendienst Profectis wüssten ebenfalls nicht, wie es weitergehen soll.
Waren in Schiffen
Beim Abverkauf der Lagerbestände geht es um 18 Millionen Artikel, die laut Rösch außer im Quelle-Zentrallager in Leipzig auch noch auf Schiffen oder beim Zoll in Containern liegen.Diese Ware müsse verkauft werden, um die Insolvenzmasse zu vergrößern. Dies sei auch nötig, um den vorrangig besicherten Massekredit in Höhe von 50 Millionen Euro zurückzuzahlen, den der Bund sowie die Länder Bayern und Sachsen dem Unternehmen gegeben hatten.
"Sie wickeln einfach ab"
Der Insolvenzrechts-Experte Professor Hans Haarmeyer hat nach dem Quelle-Aus scharfe Kritik an den Insolvenzverwaltern in Deutschland geübt. Dem Anspruch, ein Unternehmen zu sanieren, werde nur ein kleiner Teil der Verwalter gerecht, sagte Haarmeyer der "Nürnberger Zeitung".Viele gingen den Weg, mit wenig Aufwand und wenig Risiko schnell viel Geld zu verdienen. "Sie wickeln einfach ab." In Deutschland gebe es 2.000 Insolvenzverwalter. "Doch niemand geht der Frage nach, was die mit dem Geld anderer Leute machen."
Es gebe weder ein Auswahlverfahren noch eine Kontrolle, monierte der Professor für Insolvenz-, Wirtschafts- und Privatrecht am RheinAhrCampus in Remagen (Rheinland-Pfalz). "70 Prozent der Insolvenzmasse, also des Firmenvermögens, geht hierzulande für die Vergütung des Insolvenzverwalters und für die Gerichtskosten drauf. Das ist ein Systemfehler."
Görg in Schutz genommen
Die Zulassung für Insolvenzverwalter müsse strenger reglementiert werden. Auch die Gläubiger müssten Einfluss auf die Auswahl bekommen. "Wir haben von vornherein zu 95 Prozent die falschen Leute, nämlich Juristen. Stattdessen brauchen wir Unternehmensexperten", forderte Haarmeyer.Den Quelle-Insolvenzverwalter Görg nahm der Professor jedoch in Schutz. Dieser habe einen extrem engen Zeitrahmen gehabt. "Ich glaube, dass die Insolvenz von Quelle eine Konsequenz aus jahrelangem Missmanagement war", sagte Haarmeyer. "Der Insolvenzverwalter konnte nicht mehr viel ausrichten."
Görg hat mittlerweile Kritik an der Abwicklung des Versandunternehmens zurückgewiesen. "Der Insolvenzverwalter kann erst dann Klartext reden, wenn das Konzept mit allen Beteiligten abgestimmt ist", sagte sein Sprecher Thomas Schulz am Mittwoch. Dazu solle es heute, Mittwoch, ein Gespräch mit Betriebsräten und Gewerkschaft geben.
Nächste Verhandlung: Karstadt
Seit diesen Mittwoch laufen schon die nächsten Gespräche für Görg: Der Insolvenzverwalter verhandelt mit Verdi über einen Arbeitnehmerbeitrag zur Sanierung von Karstadt, das wie Quelle zum insolventen Arcandor-Konzern gehört.Der Insolvenzverwalter verlangt von den 28.000 Beschäftigten insgesamt 150 Millionen Euro über drei Jahre verteilt. Verdi will allerdings keine Gehaltsabstriche zulassen. Infrage kommen Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Mehrarbeit oder andere Einschnitte. Vor den Verhandlungen hatten Verdi und die Betriebsräte am Dienstag ihre Marschroute besprochen.
Sie wollen sichergehen, dass Zugeständnisse im Falle einer Liquidierung von Karstadt für die Beschäftigten nicht verloren sind. Ort und Beginn der Gespräche sind geheim.