Mit dem mächtigen XC 90 läutet Volvo eine neue Ära ein, weitere Premiummodelle folgen in diesem Jahr.

Fast acht Milliarden Euro steckt der chinesische Geely-Automobilkonzern in seine schwedische Tochter Volvo. Mit der großzügigen Unterstützung aus Fernost lösten sich die Skandinavier nicht nur endgültig vom Vorbesitzer Ford, sondern entwickelten auch eine eigene Fahrzeugarchitektur und eine neue Motorengeneration als Basis für insgesamt elf neue Modelle bis 2019.

Die Investitionen zahlen sich ganz offensichtlich aus: Knapp 700 Millionen Euro flossen im vergangenen Jahr bereits als operatives Ergebnis zurück. Erstmals in der 89-jährigen Geschichte setzte das Unternehmen mehr als eine halbe Million Fahrzeuge in einem Jahr ab – für 2016 kündigte Volvo-Chef Hakan Samuelsson soeben schon neue Rekorde bei Absatz und Ertrag an.

Neuer Kombi V 90 depütiert in Genf

Denn den mutmaßlichen Höhepunkt erfährt die Produktoffensive bereits am 3. März, wenn Samuelsson auf dem Genfer Automobilsalon das Premierentuch vom neuen Kombi V 90 ziehen wird. Die Vorgänger bildeten über Jahrzehnte stets das Rückgrat der schon immer etwas eigenwilligen Marke – das dürfte, was die Bedeutung des Kombis angeht, auch so bleiben.

Mit der Neuerscheinung, da braucht man keine prophetischen Gaben, werden die Schweden ihre Position im Premiumsegment nicht nur halten, sondern den süddeutschen Platzhirschen ein gutes Stück näher kommen. Mit dem neuen Kombi und der bereits im Januar enthüllten Limousine S 90 ziehen die Göteborger jedenfalls zwei ganz dicke Trümpfe im lukrativen Kampf um die zahlungskräftige Businesskundschaft. Nach Jahren der Abstinenz ist Volvo nun wieder reif für die Firmenparkplätze.

Auftakterfolg sorgt für Drei-Schicht-Betrieb

Diesen Weg ebnete der aktuelle XC 90, der im vergangenen Jahr als erstes Fahrzeug der neuen Ära das Comeback der Nordlichter einleitete. Für den mächtigen Geländewagen liegen bereits mehr als 88.000 Bestellungen vor. Im Stammwerk im Göteborger Stadtteil Torslanda wurde aufgrund der hohen Nachfrage erstmals seit 2008 wieder eine dritte Schicht eingeführt.

Natürlich hatte die treue Kundschaft reichlich Nachholbedarf, weil der erste XC 90 mehr als zehn Jahre lang durchhalten musste, ehe der Nachfolger auf den Rädern stand. Doch ist der Auftakterfolg vor allem dem stilvollen Gesamtauftritt des „großen Schweden“ zu verdanken. „Der ist ja riesig“, entfuhr es dem Kollegen, als der Geländewagen zum Probelauf vorgefahren wurde. Und tatsächlich ist das knapp fünf Meter lange Gefährt gleichzeitig auch Van.

Komfortabler Siebensitzer

Vor allem, wenn die dritte Sitzreihe für 1.500 Euro mitbestellt wird. Dann finden, anders als bei vielen anderen Fahrzeugen mit Zusatzbestuhlung, tatsächlich sieben Personen Platz – in der ersten und zweiten Reihe höchst komfortabel, aber auch „im Kofferraum“ sind längere Strecken keine Strafe. Wird ein veritabler Frachter benötigt, ist das Gestühl im Handumdrehen flach gelegt. Dann ergeben sich fast zwei Kubikmeter Stauraum.

Die Heckklappe schwingt, selbstverständlich ist man geneigt zu sagen, elektrisch auf und zu und auf Knopfdruck lässt sich auch die Ladekante absenken, wenn das Kreuzchen beim 2.560 Euro teuren adaptiven Luftfahrwerk gemacht wurde. Eine Taste tiefer schwingt die Anhängerkupplung aus ihrer Warte- in die Bereitschaftsposition – auch dieses technische Kunststück schlägt mit 1.040 Euro extra zu Buche. Ein „Laderaum-Paket“ für 750 Euro rundet den Cargo-Bereich ab.

Computerverständnis ist Voraussetzung

Der Arbeitsplatz des Fahrers bietet buchstäblich „großes Kino“. Über den hochkant angeordneten Zentralbildschirm im iPad-Format lassen sich praktisch alle Fahrzeugfunktionen steuern. Der Dienstwagenfahrer benötigt zwar nicht gleich einschlägige IT-Kenntnisse, sollte aber zumindest computeraffin sein, um die nicht immer selbst erklärende Bedienung zu durchschauen.

Reichlich Technik, edle Hölzer, helles Leder, changierende Ambientebeleuchtung – auch wenn es im schwedischen Großraumgefährt noch so edel zugeht, unter der Motorhaube haben die Ingenieure ihre aktuellen Modelle, zumindest von der Papierform her, auf Diät gesetzt. Mehr als vier Zylinder sind nicht mehr drin.

Vierzylinder für mehr als zwei Tonnen

Das muss allerdings kein Nachteil sein. Denn in Verbindung mit der serienmäßigen Achtgang-Automatik verrichtet der stärkere der beiden angebotenen Selbstzünder mit 165 kW/225 PS seinen Job ganz ausgezeichnet und wuchtet die mehr als zwei Tonnen schwere Fuhre behände über Autobahnen und Landstraßen. Nur feinfühlige Akustikästheten werden sich beim Beschleunigen am etwas raueren Motorgeräusch stören. Hier wirkt beispielsweise der Audi Q 7 mit seinem Sechszylinder noch einen Tick kultivierter.

Auch beim Preis steht Volvo den deutschen Kontrahenten in nichts nach. Zwar startet der XC 90 D 5 mit Allradantrieb in der „Kinetic“-Ausstattung bei 53.400 Euro. Dann fehlen aber noch viele Details aus der Zubehörliste. Für die Top-Variante „Inscription“ werden bereits 64.530 Euro fällig und der Testwagen brachte es auf satte 87.810 Euro.

Dienstwagenfahrer mit Hang zur skandinavischen Marke und begrenztem Budget werden auf den Kombi V 90 warten müssen, der ab der zweiten Jahreshälfte verkauft werden soll. Ein allzu großer Preisnachlass ist angesichts der Premiumambitionen von Volvo aber nicht erwarten. Und für die chinesische Konzernmutter soll sich das finanzielle Engagement schließlich weiter auszahlen...

Bernd Nusser