Noch nie gab es im Handel so viele Varianten des Bezahlens wie jetzt: Während lange Zeit das Lamento über Aufwand und Kosten groß war, nutzen heute immer mehr Unternehmen Finanzdienstleistungen - und die Kunden danken es ihnen in vielerlei Hinsicht.
Der US-Gigant Walmart hat wie kaum ein anderer Händler verinnerlicht, dass es völlig egal ist, wo ein Konsument den Kauf tätigt, solange er den Kauf abschließt. Das Unternehmen lanciert ständig neue Services, um den Einkauf bequem zu machen und seine Konsumenten an sich zu binden. Das endet nicht beim Einkauf. Der Handelsriese übernimmt auch Finanzdienstleistungen.
Den Einstieg machte der Händler vor vier Jahren mit Walmart2Walmart. Damit konnten Verbraucher innerhalb der USA Geldbeträge transferieren und das günstiger als bei den Banken üblich. Verbraucher hätten seither knapp 700 Millionen US-Dollar an Gebühren gespart, so das Unternehmen. Im Frühjahr weitete das Unternehmen mit Walmart2World das Modell aus, das vom Dienstleister MoneyGram betrieben wird.

Überweisung weltweit in nur zehn Minuten
Der Dienst überweist Beträge in maximal zehn Minuten, während andere internationale Dienstleister in der Regel mehrere Tage benötigen. Der Kunde hat die Wahl und kann das Geld über eine internationale Bank oder über ein digitales Wallet erhalten. Oder er überweist den Betrag an einen der MoneyGram-Standorte in 200 Ländern, wo er bar ausgezahlt wird.Ob Geldauszahlungen oder Rechnungsbegleichung – am örtlichen Walmart-Markt kann das direkt beim Einkauf erledigt werden. Wer den Ablauf beschleunigen will, nutzt den Mobile Express Money Service, Teil der Walmart-App. Einmal angemeldet, bereitet der Nutzer die Geldanweisung in der App vor und schließt den Transfer in der Mobile Express Lane am Walmart-Standort ab. Beleg und Überweisungsdetails sind dann elektronisch gespeichert und vereinfachen künftige Transaktionen, so die Verheißung.
Bargeld wird zum Instrument der Serviceleistung
Banken haben auch hierzulande nicht mehr die unumschränkte Hoheit bei den Gelddiensten. Sie selbst schränken Serviceleistungen rund ums Bargeld ein oder überlegen, Preisschilder dranzuhängen. Eine Chance für den Einzelhandel, sich mit neuen Services zu profilieren. So manche bislang klassische Bankendienstleistung verlagert sich zunehmend an die Kasse des Einzelhandels. Dort träumt man zwar vom digitalen, bargeldlosen Bezahlen, das die Abwicklung an der Kasse beschleunigen und das kostenintensive Bargeldhandling überflüssig machen würde.Auch wenn der Tausch von Münzen geradezu ein archaisches Auslaufmodell zu sein scheint, in Deutschland werden noch immer 78 Prozent der Kaufvorgänge bar bezahlt, heißt es in einer Studie vom EHI Retail Insitute. Seit wenigen Jahren bieten nun Rewe, Penny, dm-drogeriemarkt und viele mehr den Cash Back Service an. Wer hier per Karte einkauft, kann sich gleichzeitig Bargeld vom eigenen Konto auszahlen lassen. Kundenbindung par excellence.
Der Einzelhändler ist in der Regel sowieso flüssig. Daher kommt es ihm durchaus gelegen, den Bargeldbestand in seiner Filiale zu reduzieren. Den Kunden wiederum erspart es den Gang zur Bank oder zum nächsten Geldautomaten. Und der Weg dorthin wird künftig immer weiter, denn die Banken reduzieren nicht nur die Zahl ihrer Filialen, sondern auch die der Geldautomaten.
Bargeld-Revival in Zeiten des Datenmissbrauchs
Unterstützt wird diese Form der Kundenbindung über Services von Start-ups wie barzahlen.de. Denn die zunehmende Sensibilität gegenüber den eigenen Daten lässt viele Kunden zudem am Bargeld festhalten. "Jeder Datenmissbrauchsskandal steigert das Interesse am Barzahlen und damit an unserem Angebot", erklärt Achim Bönsch, Mitgründer der Cash Payment Solution GmbH (CPS), Berlin.Die Idee: Wer online einkauft und nicht digital bezahlen will oder kann, erhält einen "Zahlschein" mit einem Barcode. Damit geht er oder sie an die Kasse eines stationären Händlers und bezahlt die offene Rechnung bar.

Auf der stationären Seite konnten die Gründer Bönsch und Stephan Seifert dm-Drogerimarkt als Partner gewinnen. Der Anfang war gemacht. Heute bieten mehr als 8.000 Online-Shops den Dienst an. Deren Rechnungen können bundesweit an 12.000 Akzeptanzstellen bezahlt werden. Mit dabei sind neben dm unter anderem Rewe, Penny, Real, Mobilcom Debitel, Ludwig Barbarino Eckert, Budni und Rossmann. "Die Nachfrage steigt", erklärt Bönsch.
Diese Services sind nicht nur ein probates Kundenbindungsinstrument, sondern bringen dem Einzelhandel nachweislich Neukunden – durchschnittlich 30 Prozent, versichert Bönsch.
Potenzial unter jungen Leuten und Migranten
Das Potenzial ist größer als gedacht. Schüler, Studierende, junge Leute in Ausbildung, die noch keine Kreditkarte erhalten, Migranten und eben "eine wachsende Zahl Verbraucher, die der Datensicherheit Priorität einräumen und weder Kreditkarten- noch Bankdaten via Internet weiterreichen wollen", betont Bönsch.Der umgekehrte Weg funktioniert auch. Einziges Limit: Rechnungen dürfen 999 Euro nicht übersteigen. Doch in dieser Größenordnung will selten jemand mit einem Bündel Scheine im Einzelhandel bezahlen. Selbst online ist dies eher die Ausnahme. "Nur 1 bis 3 Prozent der E-Commerce-Bestellungen übersteigen 1.000 Euro", so die Erfahrung der Grenke-Bank.
Strom, Versicherung, Miete – bringen Kunden ins Geschäft
Warum die Funktion auf reine Onlineshops beschränken? Kunden der Stadtwerke Düsseldorf können seit 2015 ihre Energierechnungen über diesen Weg bezahlen. Die Stadtwerke verschicken per Post oder Mail mit ihrer Rechnung oder Mahnung nicht nur einen Überweisungsträger für die Bank, sondern legen ebenfalls den Barcode für die Bezahlung im Einzelhandel bei.Damit erweitern sie auf einen Schlag die Einzahlungsoptionen, die bislang auf wenige Standorte in ihren Filialen begrenzt waren. Eon, Ergo Direkt und GAG Immobilien sind diesem Beispiel gefolgt. Gerade im Wohnungsbau und bei Behörden sieht Bönsch noch reichlich Potenzial. "Das sind in der Regel vergleichsweise niedrige Rechnungsbeträge, jedoch für die Absender hohe Stückzahlen", erläutert Bönsch.