Die Redaktion von Der Handel sprach mit Christoph von Guionneau, Vorsitzender der Geschäftsführung von Görtz, über die künftige Rolle des Handels und Onlineshops als Informationsquelle.
Wir befinden uns in einer der größten Umwälzungszeiten überhaupt. Heute stehen wir als Händler nicht mehr vor der Frage: Was biete ich meinen Kunden an? Der Kunde ist viel schneller, er entscheidet und gibt vor. Der Handel hat nicht mehr diese Führungsrolle, Sortimente zu sammeln und dann anzubieten. Unternehmen, die heute noch so denken, haben keine Chance zu überleben. Denn in dem Moment, in dem Sie das Sortiment zusammengestellt haben, will der Kunde schon wieder etwas anderes.
Wie kann der Handel auf diese Geschwindigkeit reagieren?
Man muss versuchen zu erkennen, was der Kunde will - und zwar viel schneller als früher. Ich glaube nicht mehr an die klassische Arbeitsteilung. Der Händler muss heute zum Hersteller und der Produzent muss Händler werden. Der Kunde wird künftig nicht mehr bereit sein, die Ineffizienz in der Wertschöpfungskette zu bezahlen, die dadurch entsteht, dass es einen Einkäufer auf der einen und einen Verkäufer auf der anderen Seite gibt. Wer heute erfolgreich sein will, vermeidet diese Übersetzungsfunktion und investiert die Effizienzgewinne in das "Frontend" - in die Verkaufsfront. Produzenten, die über Informationsaustausch mit dem Handel herausfinden wollen, was der Kunde wünscht, sind auf dem Holzweg, dieses Hinterherlaufen funktioniert nicht.
Und wie erkennt Görtz, was der Kunde will?
Indem wir alle Kontaktmöglichkeiten zum Kunden nutzen, von der Kundenkarte bis zum Onlineshop. Wir investieren als mittelständisches Unternehmen Millionen in unsere Database, um herauszufinden, was der Kunde denkt.
Inwiefern gehört der Internetshop zu dieser Strategie?
Unseren Onlineshop betreiben wir nicht in erster Linie, um einen zusätzlichen Vertriebsweg zu haben. Der Hauptgrund für den Shop ist, dass wir die Kunden schnellstmöglich, vor allen anderen, verstehen wollen. Nach unseren Einschätzungen sind mehr als 30 Prozent unserer stationären Umsätze mittlerweile onlineinduziert. Ich kann es mir nicht leisten, auf diese Informationsquelle zu verzichten. Es geht heute nur noch darum den Kunden zu verstehen. Unternehmen, die heute im Handel erfolgreich sind, wissen was die Kunden wollen, und sie haben ihre Prozesse im Griff.
Interview: Hanno Bender
Dieses Interview ist in der Ausgabe 09/2010 von Der Handel erschienen - hier geht es zum Probeexemplar.