Wie sieht der Handel in zehn Jahren aus? Antworten darauf liefert der HandelsMonitor Mega-Trends 2030+, der als wöchentliche Serie auf etailment.de erscheint. Diesmal erklären Gastautoren Dr. Bernhard Swoboda und Amelie Winters, welcher kulturelle Wandel sich im Handel bis 2030 vollziehen und warum Individualisierung beim Kauf alltäglich sein wird. Dass Kundenzentrierung heute schon wegweisend ist, zeigt ein Blick nach China.
Zukünftig werden diejenigen Händler erfolgreich sein, die jede Facette der sogenannten Customer Experience verstehen und Technologien nutzen, um Organisation und Prozesse in der gesamten Value Chain immer wieder anzupassen.
Studien zeigen, dass bereits heute kundenorientierte Unternehmen um 60% profitabler sind. Sie sind effektiver.
Schnelle Bedarfsbefriedigung und individuelles Einkaufserlebnis
Kunden wünschen sich 2030 die beste Customer Experience: schnell, günstig, unterhaltsam, lohnenswert, personalisiert, sicher und rund um die Uhr. Experten haben im Rahmen unserer Delphi-Studie den Trend Individualisierung der Customer Experience eingeschätzt. Sie gehen davon aus, dass 2030 Güter des täglichen Bedarfs automatisch geliefert werden und beim Einkauf dem Streben nach Erlebnis gefolgt wird.Produkte, Preise und Kommunikation werden stärker individualisiert und fokussiert werden. Die Zustimmung von 90,4 % ist die Höchste aller Trends.

Omnichannel: Gebot für stationäre wie für Onlinehändler
Food-Kundenbedürfnisse wie Frische, Schnelligkeit, Bequemlichkeit und Preis dominieren auch 2030. Qualität, Erreichbarkeit, Service und Preis werden die Wahl der Händler bestimmen. Lokale und vor allem smarte Läden gewinnen an Bedeutung, wobei Online-Angebote üblich sein werden.Omnichannel - also smarte Offline-Stores integriert mit neutechnologiebasierten Online-Stores und -Touchpoints - werden bei Food nicht nur von den heutigen Brick-and-Mortar-Händlern angeboten, sondern auch von heutigen Online-Pure-Playern.
Wenn der Schuh seinen Verschleiß meldet
Im Food-, Fashion-, Elektro- oder Beauty-Handel ist die Experience weitergehend. Traditionelle Kaufprozesse verlieren an Bedeutung, beispielsweise beginnend mit dem Bedürfnis nach Schuhen, gefolgt von der Suche nach Artikeln, probieren, kaufen und bezahlen.Im Zukunftsszenario streamen Sensoren in Schuhen die Nutzungs- und Fitnessdaten, was sowohl eine optimierte Produktherstellung und 360-Grad-Kundenprofile ermöglicht als auch Kunden wertvolle Einblicke in Produktnutzung, Verschleiß und Laufverhalten in Echtzeit gibt.
Kunden werden benachrichtigt, sobald sich der Schuh dem Ende seiner Lebensdauer nähert, wobei durch maschinelles Lernen und Marketing Intelligence personalisierte Produktempfehlungen, auch aus Daten von Peergruppen, Trends und Social-Media-Inputs, erfolgen. Der Kunde wählt Ersatz für seinen abgelaufenen Schuh und nutzt gegebenenfalls Click&Collect zur Abholung.
Bedarfe erkennen und zusätzliche Services anbieten
Im Offline-Store kommt es für den Händler darauf an, weitere Bedarfe zu erkennen und Zusatzservice anzubieten (zum Beispiel Fußscan für maßgefertigte und live ausgedruckte Sohlen). Die Daten werden dem Kundenprofil hinzugefügt und die Customer Experience wird durch individuelles Erlebnis, Prozesse und Produkte geprägt.Eine entsprechende Kundenintegration, ohne biometrische Kundendaten, ist heute schon bekannt, wird aber durch Crowd Shaping, Echtzeit-Produktherstellung, All-in-One-Services etc. noch bereichert.

JD ersetzt suchbasiertes durch empfehlungsbasiertes Einkaufen
JD zählt zu den größten Ex-Online-Pure-Playern Chinas mit diversifizierten Geschäftsfeldern sowie Partnerschaften. JD.com ersetzt zunehmend ein suchbasiertes durch ein empfehlungsbasiertes Einkaufen, das auf maschinellen Lernalgorithmen beruht.In vielfachen Kontakt- und Bezugspunkten werden Kundendaten (Feedback, Präferenzen, Kauf- und Kommunikationsverhalten, Standort- und Bezahldaten) mit unternehmensspezifischen Daten verlinkt und in die eigene Plattform gespeist (siehe Abbildung oben).
Analysemethoden und maschinelles Lernen dienen zur Kundenprofilerstellung und -segmentierung, zur Trendidentifikation und zum Filialmanagement.
Artikel- und Gesichtserkennung werden kontinuierlich verfeinert, um individuelle Produktempfehlungen, Promotions, Preise und Produkte zu optimieren. Mit weiteren Initiativen werden bis 2030 solche Händler weltweit reinen Plattformanbietern überlegen sein.