Dieser Dienstag hat große Bedeutung für den deutschen Einzelhandel. Nach der Düsseldorfer Gerichtsentscheidung, die Übernahme der Kaiser's Tengelmann-Märkte durch Edeka zu blockieren, ist Rewe vorerst Punktsieger. 

Wie schnell große Pläne platzen können zeigt dieser Dienstag. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat einen der umstrittensten Deals im deutschen Einzelhandel über einen noch ungewissen Zeitraum gestoppt. Denn das Vorhaben der Edeka, sich die 471 Supermarkt-Filialen von Kaiser's Tengelmann einzuverleiben, ist nach der heutigen Gerichtsentscheidung blockiert worden.

Der Erste Kartellsenat stufte die Ausnahmegenehmigung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als rechtswidrig ein. Entschieden wurde per Eilverfahren, Edeka-Konkurrent Rewe und die Einkaufskooperation Markant hatten bei Gericht entsprechende Anträge gestellt. Auch Rewe hatte sich für Kaiser's-Filialen interessiert.

Haub bedauert die Entscheidung

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub hat mit "großer Bestürzung" auf die Entscheidung des OLGs reagiert. "Wir bedauern diese Wendung im Ministererlaubnisverfahren außerordentlich, insbesondere mit Blick auf unsere knapp 16.000 Mitarbeiter bei Kaiser's Tengelmann", sagte Haub einer Mitteilung zufolge. Ziel sei es immer gewesen, Kaiser's Tengelmann als Ganzes abzugeben und damit den größten Teil der Arbeitsplätze zu erhalten. 

Edeka prüft derweil, welche rechtlichen Möglichkeiten für das Unternehmen noch bestehen. "Im Interesse der Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann hätten wir uns eine andere Entscheidung gewünscht", sagte ein Unternehmenssprecher von Deutschlands größtem Lebensmittelhändler. 

Gabriel streitet Vorwurf der Befangenheit ab

Für Sigmar Gabriel ist die Entscheidung eine Ohrfeige. Der Wirtschaftsminister weist allerdings die vom Gericht gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Die Richter halten dem Minister vor, durch Geheimgespräche mit den Chefs von Edeka und Kaiser's Tengelmann befangen gewesen zu sein.

Dazu erklärte das Wirtschaftsministerium: "Die vom Gericht behauptete Befangenheit wurde von keinem Verfahrensbeteiligten zu keinem Zeitpunkt vorgetragen." Wie in solchen Verfahren üblich, habe Gabriel auch Gespräche mit den Antragstellern geführt. Dies sei "üblich, möglich und zulässig". Das Ministerium prüft nun das Urteil und will dann entscheiden, ob es juristisch dagegen vorgeht.

Der Edeka-Konkurrent Rewe sei - anders als vom Gericht behauptet - im Verfahren nicht schlechter behandelt worden. Ein Gegenangebot von Rewe, das die Richter unter Verweis auf den Erhalt fast aller Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann anführen, sei geprüft worden: "Dieses Angebot von Rewe stellte gegenüber dem Angebot von Edeka allerdings aus kartellrechtlichen Gründen keine Alternative dar."

Nicht nachvollziehbar sei zudem, betonte das Ministerium, dass Arbeitsnehmerrechte vom Gericht nicht als Gemeinwohlgrund angesehen würden: "Denn es geht hier um die Existenz von vielen tausenden Beschäftigten und deren Familien, die eine Berücksichtigung in solchen Verfahren erforderlich machen."

Verdi stützt den Minister

Kritik an der OLG-Entscheidung kommt auch von Verdi. "Diese Entscheidung bedeutet Unsicherheit für die Beschäftigten. Anders als das Gericht feststellt, ist der Erhalt der Arbeitnehmerrechte der Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann ein nachvollziehbares Kriterium des Gemeinwohlinteresses", teilt Stephanie Nutzenberger mit, im Vorstand der Gewerkschaft zuständig für die Handelsbranche.

"Der Bundeswirtschaftsminister hat zu Recht festgestellt, dass sich insbesondere im Einzelhandel durch eine drastisch gesunkene Tarifbindung prekäre und unsichere Arbeitsverhältnisse ausbreiten. Hier muss die Rechtsprechung die Veränderungen in der bundesdeutschen Wirtschaftsstruktur nachvollziehen", fordert Nutzenberger weiter

Trotz der heutigen, vorläufigen Entscheidung wolle Verdi die Tarifverhandlungen mit Edeka weiter führen, um den Schutz der bei Kaiser's Tengelmann auch im weiteren Verfahren zu gewährleisten.
"Um weitere Verwerfungen in der Branche auch zukünftig zu verhindern, ist es dringend geboten, die Allgemeinverbindlichkeit der Flächentarifverträge im Handel voranzutreiben", ist Nutzenberger überzeugt.

Arbeitsplatzsicherheit - wirklich?

Das Argument der Arbeitsplatzsicherheit wird aber von Handelsexperten angezweifelt. "Die Tengelmann-Gruppe muss effizienter geführt werden, und das wird mit Sicherheit auch das Personal betreffen", sagte etwa der Saarbrücker Handelsprofessor Joachim Zentes vor einiger Zeit im Gespräch mit Der Handel. "Auf Dauer wird es nicht ohne harte Schnitte gehen. In einer Marktwirtschaft kann kein Unternehmen auf Dauer Stellen garantieren", betonte der Hochschullehrer.

"Die Operation wird nur dann erfolgreich und profitabel, wenn der Käufer die Filialen, die Warenwirtschaft, die Logistik, IT-Systeme und den Einkauf von Kaiser’s Tengelmann in sein Unternehmen integrieren kann", sagte Zentes weiter.

Wenn der Käufer die heutigen Managersysteme und die Zentrale mitführen müsste, dann hätte man die gleiche Kostenstruktur wie heute, so sein Argument. "Die logistische Abwicklung wird man vielleicht behalten, Lagereinheiten, weil das Warenvolumen auch gehandelt werden muss." Das betreffe den süddeutschen Raum, wo Tengelmann auch stark ist. "Aber, hart formuliert: Sie brauchen keinen einzigen Mitarbeiter aus der Zentrale", ist Zentes sicher.

Kaiser's: Große Tradition, hohe Verluste

Kaiser's Tengelmann erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2015 erwirtschafteten einen Nettoumsatz von 1,78 Milliarden Euro. Nach Angaben von Eigentümer Haub summierten sich die Verluste der Supermarktkette seit der Jahrtausendwende auf mehr als 500 Millionen Euro. Gegründet 1876 ist das Unternehmen nach eigenen Angaben das älteste Lebensmittel-Handelsunternehmen Deutschlands.

Die vergangenen Jahre waren allerdings von einem steten Niedergang geprägt. Einst bundesweit vertreten, finden sich die Filialen der Kette heute nur noch im Großraum Berlin, in München und Oberbayern sowie in Teilen Nordrhein-Westfalens. Dass das Unternehmen als Übernahmeobjekt dennoch attraktiv ist, liegt nicht zuletzt an seiner nach wie vor starken Marktposition in den Großräumen Berlin und München. Kaiser's Tengelmann war bisher Teil des Mülheimer Tengelmann-Konzerns, zu dem etwa auch Obi und KiK gehören.

Edeka betreibt bundesweit rund 11.500 Läden - darunter gut 4.000 Filialen des Discounters Netto. Kein anderer Lebensmittel-Einzelhändler verfügt in Deutschland über ein so dichtes Filialnetz. Die Edeka-Gruppe beschäftigt mehr als 330.0000 Mitarbeiter und erzielte 2015 einen Umsatz von mehr als 53 Milliarden Euro. Seit dem Jahr 2000 hat das Unternehmen seine Erlöse durch organisches Wachstum, aber auch durch mehrere Übernahmen mehr als verdoppelt. 

Die Rewe-Gruppe mit Sitz in Köln (einschließlich Penny) erzielte im Jahr 2015 geschätzt 28,569 Milliarden Euro Umsatz.