Rund um den Globus fließen Millionen in Start-ups, die die Versicherungsszene digitalisieren, vereinfachen und beschleunigen. Nach den Fintechs lassen Insurtechs die Herzen der Investoren höher schlagen. Da dürfen Größen wie Amazon und der Name Samwer nicht fehlen.

Jahrzehntelang haben „Herr Kaiser“ und Co Haushalte und Unternehmen besucht, standen für Vertrauen, Sicherheit und grundsolide Beratung in Sachen Versicherungen – schon lange ist die Armada der Herr Kaisers geschrumpft und einzelne Abläufe sind nach und nach ins Internet verlagert worden. Doch das hat nichts mit der fundamentalen Veränderung zu tun, die aktuell stattfindet – die „Insurtechs“ sind los.

Investoren sind nicht zimperlich

In den ersten drei Quartalen 2017 flossen weltweit knapp 1,6 Milliarden US-Dollar in Insurtechs. In den USA waren Finanzierungsrunden im dreistelligen Millionenbereich keine Seltenheit, so Justyna Mekler von Sollers Consulting, Köln gegenüber Deutsche Startups.

Auch in Deutschland vergeht derzeit kein Monat, in dem nicht neue Finanzierungsrunden publiziert werden. Dabei haben die Start-ups nicht nur Privatkunden im Visier. Sie machen auf breiter Front den angestammten Versicherungsunternehmen Konkurrenz – oder kooperieren mit ihnen.

Promi-Investoren inklusive

Das Berliner Start-up Wefox beispielsweise repräsentiert eine klassische Makler-Plattform. Bislang wurden 50 Millionen investiert, unter anderem auch von Promis wie Ashton Kutcher. Umsatz im vergangenen Jahr: 13 Millionen Euro. Das umfasst die Versicherungsprovisionen der Makler, wovon Wefox 30 Prozent erhält. Das entspricht somit rund vier Millionen Euro.

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Die Umsatzziele für 2018 sind hoch gesteckt: 50 Millionen Euro Abwicklungsvolumen sollen es werden. Vor einigen Monaten hat Wefox einen weiteren Schritt gewagt und eine eigene Versicherung unter dem Namen One gegründet. Sie bietet aktuell eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung an. Seit dem Start haben laut Julian Teicke insgesamt 12.000 Kunden eine Police abgeschlossen.

Kooperation mit Banken

Konkurrent Clark, mit Sitz in Frankfurt, gibt dagegen keine Umsatzzahlen preis, doch machte jüngst mit einer beeindruckenden Finanzierungsrunde in Höhe von 29 Millionen Dollar von sich reden. Clark hat den Company-Builder Finleap im Rücken. Anders als bei Wefox steht das Start-up über seine Versicherungsapp direkt mit den Kunden in Verbindung und davon gibt es nach Unternehmensangaben rund 100 000. Zudem kooperiert Clark mit sechs Bankinstituten darunter DKB, Ing-DiBa oder PSD-Bank Hannover. 

Whitelabel-Lösungen im Portfolio

„Der nächste Meilenstein ist die Entwicklung einer B2B-Whitelabel-Lösung für Finanzinstitute, für die wir unter anderem mit der Vertriebskammer Bayern kooperieren. Damit haben wir den größten öffentlichen Versicherer in Deutschland als ersten offiziellen Partner für unsere Whitelabel-Lösung gewonnen“, erklärt Dr. Christopher Oster, Gründer und CEO der Clark Germany GmbH. Zudem lancierte der digitale Versicherer eine Betriebliche Altersvorsorge, denn „ab 1. Januar 2019 müssen Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter bezuschussen. Unsere Lösung macht diesen Schritt zum Kinderspiel“, ist Oster überzeugt, „die Verträge können von den Mitarbeitern direkt über die Clark-App eingesehen werden“.
Von der Haftpflicht bis zur Altersvorsorge lassen sich via Laptop Versicherungen bei Clark abschließen.
© Clark
Von der Haftpflicht bis zur Altersvorsorge lassen sich via Laptop Versicherungen bei Clark abschließen.

Sein Ziel ist ehrgeizig: Bis Ende 2019 soll über eine Milliarde Euro Vertragsvolumen über die  digitale Versicherungsplattform gemanagt werden. „Mittelfristig peilen wir ein Wachstum auf eine Million Kunden an. Wenn man den Erfolg der Direktbanken sieht, halten wir das für absolut realistisch“, gibt sich der Gründer selbstbewusst.

Nur die realen Forderungen werden verrechnet

Das Londoner Start-up Laka bietet Versicherungen für einen breiten Privatkundenmarkt und will mit den Premiumangeboten der traditionellen Unternehmen konkurrieren. Zum Start haben sie die High-End Zweiradbesitzer im Blick. Im Seed-Funding sammelten sie 1,5 Millionen Dollar. Der Clou: Die Kunden zahlen jeweils nur die real angefallenen Kosten. Das heißt, am Ende eines Monats werden die eingegangenen Forderungen unter den Kunden fair geteilt je nach individueller maximaler Prämie. Fallen keine Forderungen an, wäre die Prämie gleich Null. Im Vergleich zu üblichen Marktpreisen spart Laka den Kunden mehr als 80 Prozent, so das Unternehmen.
Just bikes - der Auftakt von Laka
© Laka
Just bikes - der Auftakt von Laka
Marshmallow ist ein weiteres Beispiel aus Großbritannien. Ihre Zielgruppe sind Immigranten und Gastarbeiter,l die die traditionellen Autoversicherer nur spärlich bedienen. Unterstützt werden sie von Passion Capital und Investec Bank.

Einfache Tarife

Auch Christoph Samwer, ein Cousin der Samwer-Brüder, hat Versicherungen für sich entdeckt. Er ist CEO des Berliner Start-up Friday,  ein Autoversicherer. Die Idee: Der Tarif ab 1 Cent pro gefahrenem Kilometer wird kilometergenau berechnet, ist monatlich kündbar  und richtet sich an digital affine Kunden.  Davon gäbe es bereits 15 000. Seit Ende Mai hat Friday sowohl eine Volllizenz der Bafin wie des Commissariat aux Assurances (CAA) in Luxemburg und hat damit die Basis, mit weiteren digitalen und innovativen Versicherungsprodukten an den Markt zu gehen.
Friday verschlankt die Autoversicherung - den Segen von Stiftung Warentest haben die Berliner schon.
© Friday
Friday verschlankt die Autoversicherung - den Segen von Stiftung Warentest haben die Berliner schon.
Auch Peter Thiel findet Gefallen an der Branche. Bei diesem Namen muss man aufhorchen. Er ist als Mitgründer von Paypal und früher Investor von Facebook bekannt. In den letzten Jahren konzentrierte er sich vermehrt auf europäische Finanztechnologie beziehungsweise Fintechs. Jetzt also Versicherungen. Sein Unternehmen, die Valar Group, investierte gerade 30 Millionen Dollar in das deutsche Start-up Coya, das sich aktuell um die Bafin-Zulassung bemüht und hofft, im Sommer durchstarten zu können - noch mahnt die Homepage zu Geduld. Valar hatte sich bereits letzten August in einer ersten 10 Millionen Dollar-Runde beteiligt.

Expansion in Asien

Simplesurance vertreibt in Deutschland unter der Adresse Schutzklick.de Versicherungen für Privatpersonen, die Wertgegenstände wie Smartphones, Tablets, Fahrräder oder Autos versichern können und hat zudem einen B2B-Ansatz entwickelt.
Die Gründer von Simplesurance Joachim von Bonin (CFO) und rechts Robin von Hein (CEO)
© Simplesurance
Die Gründer von Simplesurance Joachim von Bonin (CFO) und rechts Robin von Hein (CEO)
Jetzt hat das 2012 gegründete Startup insgesamt 24 Millionen Dollar Kapital in der Series C eingesammelt. Zu den Investoren gehören Allianz X, Raktuen Capital und Rheingau Founders. Mit dem frischen Geld will man weltweit expandieren. In 28 Ländern in Europa sind sie schon präsent plus in den USA – jetzt drängt es sie auf den asiatischen Markt – wie andere auch.

Amazon investiert in Indien

Zum Beispiel Amazon. Der Online-Riese ist ebenfalls auf der Pirsch. Im April investierte der Online-Händler 22 Millionen Dollar in das indische Kredit-Portal Capital Float.
Online versichern über Acko - mit Amazon Anbindung.
© Acko
Online versichern über Acko - mit Amazon Anbindung.
Jetzt fließen 12 Millionen Dollar in das ebenfalls indische Insurtech-Unternehmen Acko General Insurance, das 2016 gegründet worden war. Es hat erst im April für Uber-Konkurrent Ola eine Insassenversicherung aufgesetzt. Damit sollen Reklamationen abgedeckt werden wie verpasste Flüge aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens oder kleinere Unfälle. Jetzt denkt man über gemeinsame Produkte nach.

Chance auf Symbiose

Klassische Versicherer müssen sich warm anziehen, denn die Insurtech-Konkurrenz ist expansionsfreudig, an risikofreudigen Investoren mangelt es nicht. Die Alternativen: Ignorieren kommt nicht in Frage – es verbleiben kooperieren und oder Investieren. Lemonade bietet eine Mieter- und Hausratversicherung per App an, die mit wenigen Klicks per Smartphone abgeschlossen werden kann. Daniel Schreiber und Shai Winiger haben das Startup 2015 in New York gegründet. Es hat bislang in drei Finanzierungsrunden 180 Millionen US-Dollar Wagniskapital erhalten, den größten Teil vom japanischen Technologiekonzern Softbank. Auch der Venture-Arm des Versicherers Allianz hat sich strategisch an Lemonade beteiligt.

Signal-Iduna, Dortmund, hat sich strategisch auf die Newcomer eingestellt. „Wir sprechen von einem Two-Speed-Modell: Beschleunigung des Kerngeschäftes durch eigene Kraft, aber auch Partnerschaften sowie der Aufbau neuer Geschäftsmodelle und Bespielung neuer Geschäftsfelder“, erklärt Ulrich Leitermann, Vorstandschef von Signal Iduna. 2017 haben sich die Dortmunder am am Start-up Element, Berlin beteiligt.  Das Unternehmen, von Company-Builder Finleap erst im März 2017 gegründet, erregte im vergangenen Jahr Aufsehen: Es erhielt als erster volldigitaler Schadenversicherer eine Bafin-Lizenz. Das Portfolio umfasst Schaden-, Haftpflicht- und Unfallversicherungen.

Element integriert Versicherungsprodukte für Endkunden in die IT-Infrastruktur von Partnern, deren Marke dabei im Vordergrund steht. Das Unternehmen, von Company-Builder Finleap erst im März 2017 gegründet,  erregte im vergangen Jahr Aufsehen: Es erhielt als erster voll-digitaler Schadenversicherer eine Bafin-Lizenz. Das Portfolio umfasst Schaden-, Haftpflicht- und Unfallversicherungen. Element integriert Versicherungsprodukte für Endkunden in die IT-Infrastruktur von Partnern, deren Marke steht dabei im Vordergrund.
Das erste Kooperationsbaby von Signal-Iduna und Element: "Versicherung 09" für das ganz spezielle Publikum.
© Signal-Iduna
Das erste Kooperationsbaby von Signal-Iduna und Element: "Versicherung 09" für das ganz spezielle Publikum.
Erstes Ergebnis der Zusammenarbeit mit Signal-Iduna ist die „Versicherung09“, eine Haushaltsversicherung kombiniert mit Hausrat- und Haftpflichtschutz mit Zusatzleistungen für Fußballfans. So können Fußballbegeisterte beispielsweise ihre Fanartikel versichern oder bekommen bis zu 50 Euro vom Ticketpreis zurück, wenn sie ohne eigenes Verschulden ein Spiel verpassen. Extra-Bonus: Jedes Tor des BVB 09 in der Bundesliga wird mit 09 Cent belohnt. Wenn die Mannschaft von Borussia Dortmund am Ende der Saison mindestens Rang 3 erreicht, erhalten die Kunden 9,09 Euro des Beitrags zurück.

Ein Produkt für eine überschaubare Interessensgruppe, für Signal-Iduna als Sponsor des BVB ein imageträchtiges Produkt. „Die Fokussierung auf klar umrissene Zielgruppen ist Teil unserer Konzernstrategie. Wir haben so die Möglichkeit, über individualisierte Lösungen ganz nah an das Kundenbedürfnis heranzukommen“, erläutert Leitermann. Ein weiteres Beispiel ist die Partnerschaft mit dem Security-Start-up Perseus. Das Produkt bietet KMUs mehrstufigen Schutz und Unterstützung bei Cyberattacken.

Versicherer holt Rakuten-Boss

Diesen neuen Produkten sollen weitere folgen. Um künftig neue Geschäftsmodelle mit anderen Unternehmen schnell umsetzen zu können, gründeten die Dortmunder Signals unter hellosignals.com. Im Blick hat der Versicherer zukunftsträchtige Investments. „Dazu haben wir mit Signals Venture Capital eine eigene Einheit gegründet, die vor allem Geschäftsmodelle screent, die weit von unserem Kerngeschäft entfernt sind“, betont Chief Digital Officer Johannes Rath. Auch Element ist gewappnet für weitere Expansion. Denn neben einer starken Finanzierung, ist im Vorstand geballte Kompetenz versammelt. Ex Axa-Manager Dr. Wolff Graulich (CEO), Sascha Herwig (CTO) Digitalisierungsexperte Henning Groß und Vertriebschef Richard Hector, der zuvor bei AppNexus war. Jüngster Sproß im Leistungsspektrum: Gemeinsam mit Schutzklick, einer Marke von simplesurance, brachten sie im April diesen Jahres volldigitalisierte Versicherungspolicen auf den Markt.
Element bietet nicht nur Versicherungen sondern auch White-Label-Lösungen.
© Element
Element bietet nicht nur Versicherungen sondern auch White-Label-Lösungen.
Damit können Makler ihren Kunden sofort nach Abschluss und ohne jeden Austausch von Papierdokumenten die gewünschte Police übermitteln. Basis dafür ist eine flexible Schnittstelle (API). Seit 1. Mai 2018 erweitert nun Christian Macht die Vorstandsrunde, der bei Boston Consulting, Groupon und bis 2016 als CEO Deutschland für Rakuten tätig war. Er soll die Erfolge des Gründungsjahres festigen und die europäische Expansion vorantreiben. Und die wird kommen.
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