Der Lockruf von China als Land der unbegrenzten Absatzmöglichkeiten für den Onlinehandel ist unüberhörbar. Die Chancen sind groß. Die Hürden aber auch. Wie kann man sie am besten umgehen?

Einer der zentralen Hebel, um in China Fuß zu fassen, ist ohne Zweifel der Online-Riese Alibaba.

Glaubt man aktuellen Statistiken, werden 75 Prozent aller Online-Umsätze über Alibaba – inklusive seiner Plattformen Tmall und Taobao abgewickelt. Damit ist Alibaba im heimischen Land weitaus dominanter als Amazon in den USA. Zudem spricht Alibaba eine eher junge, konsumfreundliche Kundschaft an. 75 Prozent der Nutzer sind 35 Jahre und jünger. Und: Alibaba investiert massiv in die Logistik, um auch die Kunden in ländlichen Regionen besser zu erreichen.

Alibaba - Gigantische Reichweite und gigantischer Wettbewerb

Die Chancen für deutsche Händler stehen gut. Bereits 2020 soll laut Studien ein Viertel der chinesischen Bevölkerung ausländische Produkte digital einkaufen. Derzeit sind es rund 15 Prozent. Das Volumen: 85 Milliarden Dollar.

Bei Alibaba und seinen Ablegern locken Reichweite und Absatzpotenzial: Die Plattform TMall bietet den Unternehmen einen Zugang zu 434 Millionen chinesischen Kunden. Der Wettbewerb dort ist aber auch nicht ohne. Auf Tmall Global sind derzeit 7.700 Marken aus 53 verschiedenen Ländern und Regionen erhältlich. Der Preiskampf ist brutal.

Deutsche Händler und Hersteller geben sich die Klinke in die Hand

Gleichwohl hat das Buhlen des Internet-Riesen Alibaba um deutsche Händler und Hersteller zunehmend Erfolg. Inzwischen verkaufen beispielsweise Nespresso, Henkel, die Drogeriekette dm oder auch Adidas, Aldi Süd und Bosch ihre Produkte über die Alibaba Plattform Tmall nach China. WMF, Rossmann und Zalando haben einen Flagship Store auf Tmall Global eröffnet.

"Man muss erst einmal die Marke etablieren. Und man muss bereit sein, kräftig zu investieren, also Zeit, Geld und Ressourcen. Das geht nicht einfach über Nacht. Man muss eine langfristige Sicht haben. Wenn jemand denkt: China ist groβ, und ich kann schnell und einfach da reingehen, dann rate ich davon ab. Ja, die Expansion nach China ist nicht leicht, aber sie lohnt sich, wenn man das langfristig orientiert angeht." (Terry von Bibra, Alibaba)"

Hinzu kommt: Die eigene Website spielt angesichts der Bedeutung der Marktplätze im Relevant Set der Kunden für den Handel eine viel kleinere Rolle als in Deutschland. Viele Player erwirtschaften auf den Markplätzen einen Großteil ihres Umsatzes. Ihre Websites informieren lediglich. Wenn jemand etwas bestellen will, wird er auf einen der Marktplätze weitergeleitet.

Exportschlager FC Bayern München: Der Bundesliga-Club verkauft Trikots und Fan-Artikel an chinesische Fans auch über die Alibaba-Plattform TMall. „Mia san mia“ heißt es auch für die chinesischen Kunden im Bayern-Shop. Ein Vorbild? Alibabas neuer Deutschland-Chef Terry von Bibra rennt bei hiesigen Firmen von Bosch bis Zalando gerade offene Türen ein
© Alibaba
Exportschlager FC Bayern München: Der Bundesliga-Club verkauft Trikots und Fan-Artikel an chinesische Fans auch über die Alibaba-Plattform TMall. „Mia san mia“ heißt es auch für die chinesischen Kunden im Bayern-Shop. Ein Vorbild? Alibabas neuer Deutschland-Chef Terry von Bibra rennt bei hiesigen Firmen von Bosch bis Zalando gerade offene Türen ein

Dabei  geht es nicht immer nur um das große Geschäft. Der Drogeriefilialist dm beispielsweise will das China-Geschäft nicht länger Graumarkt-Exporteuren überlassen und den Verkauf durch Zwischenhändler vermeiden. Davor hatten Zwischenhändler auf dem Onlinemarktplatz Eigenmarken-Artikel von dm aus deutschen Regalen verkauft – sogar der deutsche Onlinehändler Allyouneedfresh soll nach Informationen der Lebensmittelzeitung  eigens für chinesische Kunden Produkte der in China sehr beliebten dm-Eigenmarke Balea ins Sortiment genommen haben.

Tmall bietet zudem unterschiedliche Einfallstore: Der Marktplatz Tmall Classic richtet sich  an Unternehmen, die bereits in China verkaufen. Diese haben eine Verkaufslizenz, Läden und ein Team vor Ort. Tmall Global ist dagegen für Produkte, die ausdrücklich grenzüberschreitend verkauft werden.

Tmall beherrscht das chinesische Online-Marktplatz-Geschäft
Tmall beherrscht das chinesische Online-Marktplatz-Geschäft

Die Händler sind also noch nicht in China zugelassen und haben wahrscheinlich noch kein Team vor Ort. Einige Marken verkaufen auf Tmall Classic und zeigen auf Tmall Global ein paar Produkte und Segmente, die sie gerne ausprobieren wollen, ohne sich die Arbeit zu machen, die nötig ist, um die Produkte direkt in China zu verkaufen.

Marktplätze genau vergleichen

Ein Markstart ausländischer Anbieter auf den Marktplätzen beginnt daher häufig mit beliebten, preissensiblen Produkten. Wenn sich bei den Kunden dann ein Preisimage gefestigt hat, wird das Sortiment erweitert.

"Manche Unternehmen sagen: Es ist teuer und aufwändig, in China zu verkaufen. Deshalb machen wir einen erheblichen Aufschlag. Das können sie tun. Das ist aber nicht unsere Empfehlung, weil der chinesische Konsument ein mündiger ist und inzwischen viel Auswahl hat. Er reist viel und sieht viel. Und fragt dann zu recht: warum?" (Terry von Bibra, Alibaba)

Lohnen kann daher auch der Blick auf die chinesische Nummer 2 - JD.com - sein. Insbesondere, wenn man  Haushaltswaren und andere technische Geräte anbieten will. Hier ist die Plattform besonders gut zu Hause.

Wichtig ist aber auch der Vergleich der Servicegebühren, Technologiegebühren, Provisionen und Kooperationsmöglichkeiten. Hier gibt es je nach Plattform erhebliche Unterschiede.



Gut zu wissen: Suchmaschinen spielen in China beim Shoppen eher eine Nebenrolle.

Alibaba verhindert beispielsweise, dass Suchmaschinen die Seiten von Tmall und Taobao spidern. In der Folge sind die Produkte nicht in den Suchmaschinen zu finden. Deshalb gehen die chinesischen User nicht mehr auf Suchmaschinen wie Baidu, um Produkte zu suchen, sondern auf Tmall und Taobao. Alibaba ist denn auch Marktführer für Suchwort-Vermarktung in China.

Logistik-Aufbau braucht Helfer

Gerade in China aber genügt es einfach nicht, nur die Artikelbeschreibungen zu übersetzen und dann an den Start zu gehen. Eine der großen Hürden ist der Logistik-Aufbau und der die damit verbundenen Wirren der rechtlichen und zollrechtlichen Vorschriften. Die Zusammenarbeit mit einer Third-Party-Agentur kann daher sinnvoll sein.

Wie vertrackt der Logistikprozess in China zugeht, erklärt Udo Günzel, E-Commerce Experte und Mitglied im Advisory Board von Azoya International. „Es bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Direct Shipping und Free-Trade-Zone. Bei Direct Shipping werden die einzelnen Pakete in Deutschland verpackt und in konsolidierter Menge nach China gesendet. Bei Free-Trade-Zone wäre es praktisch, wenn der Händler große Palettensendungen machen könnte, die vor Ort vorgelagert und auf Bestellungen dann gepackt und distribuiert werden. Dafür gibt es eine Einrichtung, die das von der Regierungsseite her erlaubt. Es ist möglich, in bestimmten Freihandelszonen, die sich in der Regel in der Nähe von Flughäfen oder Häfen befinden, Waren in großen Mengen zu lagern und von dort packen und liefern zu lassen."

Bei Direct Shipping ist der Luftfrachtweg zwingend erforderlich, da der chinesische Konsument innerhalb von 7 bis14 Tagen seine Ware haben will.

"Wenn die Marke noch unbekannt ist, dann empfehlen wir, eine Marketing-Agentur vor Ort zu engagieren, um zu klären, wie man die Marke positionieren sollte. Der Grund: Es ist nicht immer sinnvoll, die Marke genauso wie in Deutschland zu führen. Zum Beispiel, wenn das Segment schon gut besetzt ist. Das Verkaufsargument „Qualität aus Deutschland“ zählt sehr stark in China. In der Folge kann man die Marke häufig etwas höher positionieren als im Heimatmarkt." (Terry von Bibra, Alibaba)"

Alibaba-Europa-Chef  Terry von Bibra rät denn auch zum Partner vor Ort für die Logistik. „Ich kann nicht praktikabel in China verkaufen, ohne eine Agentur vor Ort zu haben. Wir nennen sie Tmall Partners. Sie übernehmen den chinesischen Kundendienst und müssen stets erreichbar sein. Sie stimmen mit uns den ganzen Tag die Promotions ab. Das wäre von Deutschland aus sprachlich, zeitlich und von der Expertise her gar nicht machbar.“

Aber auch beim Payment ist es nicht ganz so leicht. Statt PayPal, Mastercard und Co nutzen die Chinesen Dienste wie Alipay, Unionpay und Tenpay. Um die in China gewohnten Zahlungsarten anzubieten, braucht es ich entweder eigene Verträge mit den Dienstleistern, die nicht einfach zu bekommen sind oder einen Drittanbieter, der im  Auftrag die Zahlungen der genannten Dienstleister abwickelt. Obendrein muss man seine Produkte in der Landeswährung verkaufen. Die eingenommenen  Yuan müssen in Euro nach Deutschland geliefert werden. Dieser Währungstransfer kostet. Das muss man einplanen.

So wie man das gesamte China-Engagement genau kalkulieren muss. Es lohnt sich. Aber nur, wenn man sich nicht Hals über Kopf in das Abenteuer stürzt.

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