Schon die ersten Worte der neuen Karstadtchefin lassen einen neuen Führungsstil erahnen. Eva-Lotta Sjöstedt will das gebeutelte Personal dafür gewinnen, den Warenhauskonzern in eine gute Zukunft zu führen.

Das fing ja gleich gut an: Während die Fachwelt rätselt, ob die neue Karstadt-Chefin Deutsch spricht oder ob ihr wie ihrem Vorgänger Andrew Jennings ein Dolmetscher an die Seite gestellt werden muss, schreibt die Presseabteilung erst einmal ihren Namen falsch: "Karstadt Aufsichtsrat beruft Eva-Lotta Sjøstedt zum Chief Executive Officer" meldet der Warenhausbetreiber. Doch die Dame heißt Sjöstedt, denn im Schwedischen gibt es kein ø. Richtig wäre die Schreibweise, wenn sie Dänin wäre.

Wie dem auch sei: Bisher verkaufte sie Billy-Regale und Klippan-Sofas, jetzt soll die Ikea-Managerin den angeschlagenen Warenhauskonzern Karstadt retten. Der Aufsichtsrat des Essener Konzerns berief am Mittwoch die 47-jährige Schwedin zur Nachfolgerin des bisherigen Warenhaus-Bosses Andrew Jennings, dessen Vertrag zum Jahresende ausläuft. Der Posten gilt als Schleudersitz.

Der herausfordernde deutsche Markt, auf dem sich Karstadt nicht nur mit dem Rivalen Kaufhof, sondern auch mit H&M oder Zara und zunehmend auch Internet-Anbietern wie Zalando auseinandersetzen muss, ist allerdings Neuland für Sjöstedt. Die blonde Schwedin arbeitete für das Unternehmen mit den Mitnahmemöbeln in Schweden, Japan und den Niederlanden, aber nicht in der Bundesrepublik.

Ein anderes Kaliber als Jennings

Das für Karstadt zentrale Geschäft mit Textilien ist ihr allerdings nicht unbekannt. Sie begann ihre Karriere als Modedesignerin und Fashion-Einkäuferin für verschiedene Einzelhändler. Interessant für Karstadt dürften außerdem ihre Erfahrungen im Multi-Channel-Geschäft, also der immer wichtiger werdenden Verbindung von stationärem Handel und Internet-Handel sein.

"Das ist ein ganz anderes Kaliber als Jennings", zitierte der "Spiegel" einen, der die neue Karstadt-Chefin kennt. Zwar sei sie warmherzig und könne gut mit Menschen, gleichzeitig sei sie aber absolut zahlengetrieben. Tatsächlich zeigte Sjöstedt schon in ihrer Stellungnahme für Karstadt einen Balanceakt zwischen Mitarbeitermotivation und Leistungsorientierung.

"Unser Ziel bei Karstadt muss es sein, auf Grundlage unserer Tradition, unserer Erfahrungen und des bisher Geleisteten auch neue Wege zu finden, die Wünsche und Anforderungen unserer Kunden in Zukunft zu erfüllen", teilte sie mit. "Und dafür brauchen wir diejenigen, die bisher schon so unglaublich viel geleistet haben: die Karstadt-Mitarbeiter." Karstadt müsse schnell profitabel gemacht werden, und "dafür brauchen wir das Maximum an Leistungsfähigkeit jedes einzelnen".

Es gibt auch Kritik

Unumstritten ist die Entscheidung für Sjöstedt dennoch nicht. Der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg etwa urteilt: "Ich kann nicht erkennen, worin die Qualifikation von Frau Sjöstedt liegt. Weder wüsste ich von Erfahrungen mit dem deutschen Einzelhandel, noch mit der Betriebsform Warenhaus, noch mit der Position als alleinverantwortlicher Unternehmenschef." Wieso es ausgerechnet ihr gelingen solle, den Niedergang von Karstadt nachhaltig zu stoppen, könne er nicht erkennen, meinte Roeb.

Der Restrukturierungsexperte Harald Linné von der auf Feuerwehreinsätze spezialisierten Managementfirma Atreus hält die Berufung der Schwedin dagegen für eine mutige Entscheidung. "Sie weiß, was es heißt Spielregeln neu zu definieren, Regeln zu brechen, um Erfolg zu haben", sagte Linné. Doch reiche das allein nicht aus. Wenn Karstadt-Eigentümer Berggruen wirklich ihren Erfolg wolle, müsse er ihr auch genug Geld zur Verfügung stellen, um eine neue Strategie zu entwickeln und umzusetzen. "Ohne Geld wird es nicht gehen."

Spekulationen über Zerschlagung halten sich wacker

Mut muss die neue Karstadt-Chefin aber auf jeden Fall haben. Lässt sie sich doch auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang ein. Schließlich hat Karstadt-Eigner Berggruen erst kürzlich die Mehrheit an den lukrativen Premium- und Sport-Häusern an den österreichischen Investor René Benko verkauft. Spekulationen über eine drohende Zerschlagung des Unternehmens wollen seitdem nicht mehr verstummen.

Sjöstedts übernimmt den wahrscheinlich schwierigsten Job, der derzeit im deutschen Einzelhandel zu vergeben ist. Hat sie Erfolg kann sie als Retterin von Karstadt in die Geschichte der Warenhauskette eingehen. Scheitert sie, werden viele den Preis dafür zahlen: Die 20.0000 Karstadt-Beschäftigten, aber auch zahlreiche Innenstädte, denen bei einer Schließung der Karstadt-Warenhäuser ein wichtiger Kundenmagnet verlorenginge.