Lea-Sophie Cramer und Sebastian Pollok gründeten vor einem Jahr den viel beachteten Online-Lifestyle-Shop Amorelie. Lea erzählt den etailment-Lesern im Interview von der Herausforderung des Onlinemarketings in der Erotikbranche und der Bedeutung von Events in der analogen Welt.
Lea-Sophie Cramer: „Wer in dieser Branche arbeitet und keinen Spaß hat, macht wohl grundsätzlich etwas falsch“. (Bild: Amorelie)
Lea-Sophie Cramer: „Wer in dieser Branche arbeitet und keinen Spaß hat, macht wohl grundsätzlich etwas falsch“. (Bild: Amorelie)

 

Wie kommt man zur Gründung eines Onlineshops für Erotik-Spielzeug?

Lea-Sophie Cramer, Gründerin Amorelie: Der erste Impuls kam tatsächlich durch den Hype um das Buch Shades of Grey. Dann haben wir im Netz recherchiert und festgestellt, dass es in diesem Bereich noch nichts Ansprechendes für die junge, moderne Zielgruppe gibt. Und auch die Investoren, mit denen wir uns getroffen haben, fanden das Thema  spannend. Weil wir neu waren mit diesem Lifestyle-Ansatz war es dann auch gut möglich die guten Herstellermarken zu überzeugen. Und jetzt sind wir seit einem Jahr online.

 

Warum ist für euch Offline-Marketing so wichtig. Das ist eher untypisch für ein StartUp.

Cramer: Es spielt eine unheimlich große Rolle. Durch die Branche, in der wir uns bewegen, gibt es viele Restriktionen, sowohl online als auch offline. Im TV beispielsweise muss man gucken was man zu welchen Sendezeiten zeigt. Wie darf man die Produkte darstellen, was darf man sagen? In manchen Bereichen sind wir eben limitierter. Das Thema selbst ist aber ein sehr visuelles. Wenn die Leute es erleben, funktioniert es und auch wenn sie darüber offen reden können. Somit haben wir angefangen, jede Menge offline zu machen, also Plätze zu schaffen, an denen die Welt von Amorelie erlebbarer wird.

Bei uns ist das TV-Werbung, TV-Editorial und das gesamte Konzept rund um unsere PopUp-Stores, also zeitlich begrenzte Ladengeschäfte. In Berlin, Hamburg und München haben wir das bereits erfolgreich ausprobiert – vielleicht folgt als nächstes auch noch Köln.


Wie muss man sich den PopUp-Store vorstellen: Verkauft Ihr dort direkt oder leitet Ihr Interessenten in Richtung Onlineshop weiter?

Cramer: Wir verkaufen dort auch Ware. Wir nehmen immer unsere Bestseller mit, weil die Kunden ja irgendwas mitnehmen wollen. In Hamburg und Berlin hatten wir unsere zehn besten Produkte dabei. Der Store ist zwei Wochen geöffnet und wir starten mit einer Eröffnungsveranstaltung, unter Anwesenheit der Presse. Anschließend starten wir mit einzelnen Events, um die Leute in die Stores einzuladen, zum Beispiel mit einer Toy-Party, einer Lesung oder anderen Veranstaltungen.

 

Pfiffiges Newsletter-Konzept bei Amorelie: Workshop statt Produktverkauf
Pfiffiges Newsletter-Konzept bei Amorelie: Workshop statt Produktverkauf

Und wie wird das angenommen?

Cramer: Super, man spürt sofort dieses besondere Flair. Alles ist bunt und lustig und es gibt Drinks. Das ist eben nicht die Bahnhofsgasse, wo man sich reinschleichen muss. Bei uns ist das Ganze etwas anders aufgezogen – es geht um Designerprodukte, die das Liebesleben bereichern.

 

Geht Ihr eher ins Stadtzentrum oder in die hipperen Stadtviertel?

Cramer: In Hamburg waren wir am Pferdemarkt nahe Schanzenviertel, in Berlin mitten im Hotspot an der Torstraße und in München werden wir am Gärtnerplatz sein. Ich bin sehr gespannt, wie das in München aufgenommen wird, die Stadt ist schon anders als Berlin oder Hamburg.

 

Wie steht es mit anderen Analog-Maßnahmen wie Print oder Radio?

Cramer: Im Print Bereich machen wir klassische PR, um Amorelie in den Lifestyle und Fashion Magazinen zu platzieren. Das hilft enorm das Thema alltagstauglich zu machen. Wir haben Radio ausgetestet und würden uns derzeit nicht dafür entscheiden. Es kann aber auch am Spot liegen. Zusätzlich sind wir auf Messen vertreten und das ist sehr spannend, weil diese meist das ganz alte Klischee der Erotikindustrie verkörpern. Unser Stand hat überhaupt nicht dazu gepasst. Wir waren nicht annähernd so freizügig wie der Rest und dadurch natürlich schon wieder extrem provokativ unterwegs. Unser Stand eine wahre Ruhezone. Die Pärchen, die zu uns gepasst haben, sind von ganz allein gekommen, weil sie sich eine Pause von den restlichen Eindrücken der Messe genommen haben. 


Dessous-Verkäufer sagen, dass Kataloge für sie unverzichtbar sind?

Cramer: Das haben wir uns auch schon mehrfach überlegt. Ich könnte mir so eine Art Magazin vorstellen. Wir zielen ja auf die Durchschnittsdeutschen, die sich mit dem Thema nicht gut auskennen. Bei denen ist Beratung super wichtig. Wir haben auch ein Newsletterprogramm über sechs Wochen: Werde zum besseren Liebhaber. Das könnte in einem Magazin auch funktionieren.


Wer macht die Inhalte?

Cramer: Das ist spannend. Es gibt externe Journalisten, die das anbieten. Wir haben auch ein eigenes Redaktionsteam von drei Leuten, die sich um die Inhalte kümmern. Wir kriegen ja auch so viele Schulungen von Herstellern über die Produkte, da lernt man eine ganze Menge und dieses Wissen möchten wir weitertragen. Aktuell geht es um „sexual health and well-being“, also Gesundheit und Wohlfühlen.

 

Was kann man zu dem Thema online machen? Keyword-Advertising ist schwierig, oder?

Cramer: Keywords gehen, SEO geht auch, Display ist sehr schwierig, Facebook ebenfalls. Google und Facebook sind konservative, amerikanische Firmen, die strikte Regeln haben. Die kann man zeitgemäß finden oder nicht, das sollen andere beurteilen.

 

Was ist die Strategie?

Cramer: Viel geht über Dessous und Wäsche. Oder man holt die Kunden auf die Facebook-Seite, um sie dann zum Shop weiterzuleiten. Aber auch da kann man einfach bestimmte Produkte nicht zeigen. Man kann Liebeskugeln zeigen, die gelten als Fitnessgeräte für den Beckenboden. Vibratoren kann man nicht zeigen. Doch ich bin überzeugt, dass das bald lockerer wird.

 

Was macht Facebook? Erscheinen die Boosts dann gar nicht oder bekommt Ihr böse Briefe von Facebook?

Cramer: Nein, die Anzeigen erscheinen gar nicht erst. Posts zu erstellen, die dann andauernd abgelehnt werden – dahinter steckt wirklich viel Arbeit.

 

Benutzt man unverfängliche Synonyme für zum Beispiel Vibrator?

Cramer: Das geht zwar schon, aber die meisten Produkte, die wir führen, kennt eh keiner. Da wird es dann noch schwieriger. Partnervibratoren kennt keiner, Liebeskugeln, Penisringe. Wie nutzt man das? Je mehr wir also verklausulieren, umso schwieriger wird es letztendlich.

 

Habt Ihr den Gedanken mit dem Thema stationär zu gehen?

Cramer: Das könnte ich mir schon vorstellen, aber andererseits ist der anonyme Onlinekauf für das Thema perfekt. Über den Live-Chat kann man uns Fragen stellen. Wir glauben sehr stark an online, aber wir sehen auch, was für eine Wirkung Offlineläden haben. Ich kann mir das vorstellen, aber vielleicht eher als eine Art Showroom. Das muss dann aber ähnlich wie der außergewöhnliche Funfactory-Store am Hackeschen Markt in Berlin sein. Es muss also schon Strahlkraft haben.

 

Wirkt sich euer spezifisches Produktangebot auch auf die Wahl der benutzten Zahlungsmittel aus?

Cramer: Ja, natürlich. Kreditkarten werden seltener genutzt, dafür wird viel auf Rechnung gekauft. Wir sehen, dass oft nicht dieselbe Person bestellt, von der die Kreditkarte ist, wahrscheinlich sind das Paare. Noch wichtiger ist das diskrete und verlässliche Fullfilment. Unsere Päckchen werden so diskret verschickt, dass es kein Problem ist, wenn Sie beim Nachbarn abgegeben werden.