
Von wegen, Frauen legen keinen Wert auf betreutes Shoppen. Das war offenbar eine Fehleinschätzung. Im Schatten des viel beachteten Booms der Curated Shopping-Pioniere Outfittery und Modomoto hat sich in den vergangenen zwei Jahren ein zweiter Markt für individuelle Modeberatung und Belieferung im Netz entwickelt: Curated Shopping für Frauen.
Vorreiter ist das Berliner-Start-up Kisura, das im Mai 2013 online ging. Ende 2014 folgte der Wuppertaler Anbieter 3compliments. Im Mai dieses Jahres stellte Zalando den Curated Shopping-Ableger Zalon online, der gleichermaßen Frauen und Männer anspricht.
Das Geschäft läuft offenbar vielversprechend: Kisura schaffte im August 2014 erstmals den Break-even auf Monatsbasis. Der Umsatz wird in diesem Jahr voraussichtlich die 10 Millionen Euro-Grenze überschreiten. 3compliments berichtet von zweistelligen Wachstumsraten und Zalon hat nach eigenen Angaben inzwischen mehr weibliche als männliche Kunden.
Wie lässt sich das erklären? „Frauen sind bei Curated Shopping weiter, als man denkt“, sagt die Kisura-Geschäftsführerin Tanja Bogumil, die von 2011 bis 2012 den an Männer gerichteten Curated Shopping-Service Modemeister geleitet hat. Anschließend startete sie das weibliche Pendant Kisura. Co-Gründerin war die E-Commerce-Beraterin Linh Nguyen. „Viele Frauen lieben es nicht, physisch einkaufen zu gehen“, sagt Bogumil. Dies gelte besonders für Frauen, die Karriere und Familie unter einen Hut bekommen müssen. „Sie sind oft sehr pragmatisch, wenn es darum geht, den passenden Look zu finden.“

Auch bei der Curated Shopping-Nutzung ist die Kluft kleiner als gedacht: Rund 10 Prozent der Männer haben das Konzept ausprobiert. Bei den Frauen sind es immerhin 6 Prozent.
Ein möglicher Grund: Die Beraterinnen, Stylisten genannt, kennen die Vorlieben ihrer Kunden nach mehreren Einkäufen so gut, dass sie zum Hauptansprechpartner in Modefragen avancieren. „Unsere Stylisten sind wie die beste Freundin. Sie können jede Kundin perfekt einkleiden“, sagt Bogumil. Zumal nur wenige Freundinnen über ausgefeilte technische Hilfsmittel verfügen dürften wie die Kisura-Stylisten. Das Unternehmen hat kürzlich mit Fördergeldern der EU und der Investitionsbank Berlin ein Echtzeit-Empfehlungssystem entwickelt, das Kunden- und Produktdaten zusammenführt. Hinzu kommt, dass der Modeanbieter mit mehreren Berliner Labels und einer zweistelligen Zahl an Online-Shops kooperiert, zum Beispiel mit dem Big Size-Spezialisten Navabi. Insgesamt umfasst das Sortiment 200 Marken. Kleider gibt es für 50 bis 500 Euro.

„Wir sind weiter auf Wachstum und Expansion angelegt“, betont Bogumil. In diesem Sinne hat die Firma gerade ihre Bürofläche verdoppelt, indem sie zum Checkpoint Charlie zog. Somit ist genug Platz für das Team, das sich innerhalb eines Jahres auf 60 Mitarbeiter verdoppelt hat. Und weiter wächst: Kisura hat sich kürzlich für das Förderprogramm German Accelerator qualifiziert, das Start-ups bei der Expansion in die USA mit Know-how und Infrastruktur unterstützt. Nguyen: „Es gibt dort noch keinen Anbieter, der wie Kisura Curated Shopping mit Daten und Technologie verknüpft.“
Bert Rösch berichtet für die Fachzeitschrift TextilWirtschaft über E-Commerce, Logistik und IT in der Modebranche. Sie erscheint, ebenso wie etailment, in der dfv Mediengruppe.