Kurz vor der Fußball-WM verliert Intersport seinen Chef. Kim Roether und der weltgrößte Sporthandel-Einkaufsverbund trennen sich. Intersport nennt persönliche Gründe für Roethers Abgang. Das stimmt auch - nur ist es die halbe Wahrheit.
Für die Intersport-Händler ist diesmal aber vieles anders - denn ihre Verbundgruppe steht ohne Chef da. Kim Roether wird zum 15. Juni, also einen Tag nach WM-Beginn, seine Mandate als Vorstandsvorsitzender der Kooperation sowie als Mitglied des Aufsichtsrats der Intersport International niederlegen, teilt das Unternehmen mit.
Warme Worte zum Abschied
Das ist im Frühsommer dieses Jahres ein Paukenschlag in der Handelsbranche. Der 56-jährige Roether ist seit Oktober 2007 Mitglied des Intersport-Vorstands und führt seit 2014 auch den Vorsitz - nachdem zuvor Klaus Jost als zweiter Teil der Doppelspitze die Kooperation im Unfrieden verlassen hatte.
Nachfolger wird zügig gesucht
Roethers Nachfolger soll schnell benannt werden, heißt es. Bis ein neuer Chef gefunden worden ist, tritt Harald L. Schedl, Unternehmensberater aus Düsseldorf und Aufsichtsratsmitglied von Intersport Deutschland, übergangsweise in den Vorstand ein.Gleichzeitig hat der Aufsichtsrat Mathias Boenke (52) zum Bereichsvorstand berufen, der ab 15. Juni unternehmerisch den neu geschaffenen Bereich sämtlicher Intersport-profilierter Mitglieder einschließlich deren Markt- und Produktbelangen verantworten soll, wie Intersport weiter mitteilt.
Vertrag sollte offenbar nicht verlängert werden
Doch die Wahrheit für Roethers Weggang ist wohl eher, dass dieser vom Aufsichtsrat signalisiert bekam, dass sein im Sommer 2019 auslaufender Vertrag nicht verlängert werde - und Roether dann den Bettel hinwarf.Rote Welt, blaue Welt - doch die Mitglieder zögern
Händler für den roten Bereich sollte die starken lokalen Unternehmer bündeln, deren Namen wichtiger Bestandteil der Kundenansprache ist, die sich trotzdem eindeutig zu Intersport bekennen. "Aber es geht auch darum, wo wir diese Mitglieder besser unterstützen können", beschrieb Roether einst bei Der Handel das Konzept.Doch die Mitglieder fragten sich beispielsweise, was wohl mit ihnen werde, wenn sie sich für die blaue Welt entscheiden. Schließlich zeige die Zentrale allein schon beim Intersport-Regiebetrieb Voswinkel, welche Schwierigkeiten sie habe, obwohl dieser der Paradebetrieb des blauen Segements sein soll.
Im Clinch mit der Sportartikelindustrie
Auch bei den Lieferanten aus der Sportartikelindustrie soll der scheidende Intersportchef als Geschäftspartner nicht allzu gut angekommen sein. Es ist sogar die Rede davon, dass der Gigant Nike keine Lust mehr gehabt haben soll, mit Roether zu verhandeln.Selbst die Adilette gehört jetzt zum Lifestyle
In der Tat haben Händler immer weniger zu lachen, weil die Industrie manche Waren nicht mehr in den klassischen Handel liefert; die populären Sneaker etwa zählen nicht mehr zum Sport- sondern zum Modesortiment - in das es sogar schon die legendäre Badeschlappe "Adilette" geschafft hat.
2017 war Neustart im Online-Handel
2017 hatte sich der Verbund vom bisherigen Online-Modell Marktplatz verabschiedet und eine offene Plattform gebaut. "In Breite und Tiefe haben wir ein Angebot, mit dem in Deutschland kein E-Commerce-Händler mithalten kann", beschrieb Digitalchef Carsten Schmitz damals bei Etailment die Vorteile des neuen Systems.Vor einigen Tagen sagte Schmitz im Gespräch mit Neuhandeln.de, dass mittlerweile 125 Filialen an die neue Plattform angebunden seien. Ob Intersport damit aber Geld verdient, ist fraglich. Dabei werden die wirtschaftlichen Zeiten für die Genossenschaft schwieriger. Selbst die moderne und mit allen möglichen digitalen Elementen ausgestattete Filiale im Berliner Einkaufszentrum Alexa soll hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Negative Konzernbilanz
Als Roether im Januar die Bilanz für 2017 vorstellte, sprach er für das deutsche Geschäft von einem Umsatzplus von 1 Prozent auf 2,94 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Doch dieses Plus betrifft den Außenumsatz, also die Erlöse der Händler.Beim zentralregulierten Umsatz, auch Innenumsatz genannt, haperte es hingegen. Hier verdient die Gruppe ihr Geld mit Lagerumsatz, Zentralregulierung und Marketing. Unterm Strich ist die Konzernbilanz von Intersport eigentlich negativ. Gerettet wurde sie wohl durch aufgewertete Forderungen in Höhe von 2 Millionen Euro sowie reduzierte Marketingausgaben in Höhe von 1 Million Euro. Darüber hinaus wurde in der Bilanz eine Firmenwertzuschreibung in Höhe von 5 Millionen Euro vorgenommen.
Das sind legale bilanzielle Schachzüge - die aber immer einen schalen Beigeschmack haben.
In der Summe dürfte Roethers Bilanz dem Intersport-Aufsichtsrat nicht mehr gefallen haben. Nun heißt es wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft: der Vorstandschef verlässt das Spielfeld.