Kurz vor der Fußball-WM verliert Intersport seinen Chef. Kim Roether und der weltgrößte Sporthandel-Einkaufsverbund trennen sich. Intersport nennt persönliche Gründe für Roethers Abgang. Das stimmt auch - nur ist es die halbe Wahrheit.

Fußball-Weltmeisterschaften sind seit jeher Sonderkonjunkturen für Sportartikelhändler, hier brummt das Geschäft, vor allem mit dem Verkauf von Fanartikeln wie Trikots. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders, wenn am 14. Juni in Russland das globale Championat beginnt.

Für die Intersport-Händler ist diesmal aber vieles anders - denn ihre Verbundgruppe steht ohne Chef da. Kim Roether wird zum 15. Juni, also einen Tag nach WM-Beginn, seine Mandate als Vorstandsvorsitzender der Kooperation sowie als Mitglied des Aufsichtsrats der Intersport International niederlegen, teilt das Unternehmen mit.

Warme Worte zum Abschied

Das ist im Frühsommer dieses Jahres ein Paukenschlag in der Handelsbranche. Der 56-jährige Roether ist seit Oktober 2007 Mitglied des Intersport-Vorstands und führt seit 2014 auch den Vorsitz - nachdem zuvor Klaus Jost als zweiter Teil der Doppelspitze die Kooperation im Unfrieden verlassen hatte.
Intersport-Filiale im Alexa: modern und viel Technik
© Intersport
Intersport-Filiale im Alexa: modern und viel Technik
 Nun verlässt Roether Intersport, "aus persönlichen Gründen", wie es heißt. Erklärt werden diese Gründe aber nicht. In einem der üblichen Abschiedsworte attestiert Aufsichtsratschef Knud Hansen Roether, dass dieser "mit seiner anerkannten Expertise und seinen Managementfähigkeiten den Erfolg der Gruppe maßgeblich vorangetrieben und den Transformationsprozess angeschoben" habe. "Die gesamte Intersport-Familie dankt ihm für die hervorragende Zusammenarbeit und wünscht ihm alles Gute für seine Zukunft."  

Nachfolger wird zügig gesucht

Roethers Nachfolger soll schnell benannt werden, heißt es. Bis ein neuer Chef gefunden worden ist, tritt Harald L. Schedl, Unternehmensberater aus Düsseldorf und Aufsichtsratsmitglied von Intersport Deutschland, übergangsweise in den Vorstand ein. 

Gleichzeitig hat der Aufsichtsrat Mathias Boenke (52) zum Bereichsvorstand berufen, der ab 15. Juni unternehmerisch den neu geschaffenen Bereich sämtlicher Intersport-profilierter Mitglieder einschließlich deren Markt- und Produktbelangen verantworten soll, wie Intersport weiter mitteilt. 

Vertrag sollte offenbar nicht verlängert werden

Doch die Wahrheit für Roethers Weggang ist wohl eher, dass dieser vom Aufsichtsrat signalisiert bekam, dass sein im Sommer 2019 auslaufender Vertrag nicht verlängert werde - und Roether dann den Bettel hinwarf. Doch ob die gesamte Familie wirklich dankbar ist, darf man bezweifeln, denn der meist schneidig auftretende Roether soll nach Informationen von Etailment an der Basis, sprich bei den Mitgliedern, immer weniger Rückhalt gehabt haben. Auch das Konzept der roten und blauen Welt, mit dem Intersport den Mitgliederkosmos neu ordnen wollte, ist bisher wohl weniger erfolgreich als erwartet. Geplant war, dass die Händler sich entscheiden, ob sie sich stärker an die Zentrale anlehnen bei Sortimenten und Marketing (blaue Welt).

Rote Welt, blaue Welt - doch die Mitglieder zögern

Händler für den roten Bereich sollte die starken lokalen Unternehmer bündeln, deren Namen wichtiger Bestandteil der Kundenansprache ist, die sich trotzdem eindeutig zu Intersport bekennen. "Aber es geht auch darum, wo wir diese Mitglieder besser unterstützen können", beschrieb Roether einst bei Der Handel das Konzept.

Doch die Mitglieder fragten sich beispielsweise, was wohl mit ihnen werde, wenn sie sich für die blaue Welt entscheiden. Schließlich zeige die Zentrale allein schon beim Intersport-Regiebetrieb Voswinkel, welche Schwierigkeiten sie habe, obwohl dieser der Paradebetrieb des blauen Segements sein soll.

Im Clinch mit der Sportartikelindustrie

Auch bei den Lieferanten aus der Sportartikelindustrie soll der scheidende Intersportchef als Geschäftspartner nicht allzu gut angekommen sein. Es ist sogar die Rede davon, dass der Gigant Nike keine Lust mehr gehabt haben soll, mit Roether zu verhandeln. Wenn man es gut mit ihm meint, dann wollte er eben die Handelsbranche gegen die Industrie verteidigen, die längst in Konkurrenz zum Einzelhandel getreten ist. Unvergessen ist seine kalkulierte Provokation auf der Sportartikelmesse Ispo im Jahr 2015: "Es kann nicht sein, dass große Lieferanten durch Outlets und eigene Onlineaktivitäten ihren Kunden die Butter vom Brot nehmen und dann noch erwarten, dass applaudiert wird", polterte er damals und sorgte für großes Erstaunen in der Branche.

Selbst die Adilette gehört jetzt zum Lifestyle

In der Tat haben Händler immer weniger zu lachen, weil die Industrie manche Waren nicht mehr in den klassischen Handel liefert; die populären Sneaker etwa zählen nicht mehr zum Sport- sondern zum Modesortiment - in das es sogar schon die legendäre Badeschlappe "Adilette" geschafft hat.
Kundin in der Alexa-Filiale: per Bildschirm den Laufschuh wählen
© Intersport
Kundin in der Alexa-Filiale: per Bildschirm den Laufschuh wählen
Immer mehr Hersteller sind längst auch Onlinehändler geworden - und Intersport hatte, wie alle Verbundgruppen, jahrelang krampfhaft versucht, das eigene Internet-Geschäft in den Griff zu bekommen. Die Investitionskosten für diesen Kraftakt sollen sich bei Intersport mittlerweile auf rund 30 Millionen Euro belaufen.

2017 war Neustart im Online-Handel

2017 hatte sich der Verbund vom bisherigen Online-Modell Marktplatz verabschiedet und eine offene Plattform gebaut. "In Breite und Tiefe haben wir ein Angebot, mit dem in Deutschland kein E-Commerce-Händler mithalten kann", beschrieb Digitalchef Carsten Schmitz damals bei Etailment die Vorteile des neuen Systems. 

Vor einigen Tagen sagte Schmitz im Gespräch mit Neuhandeln.de, dass mittlerweile 125 Filialen an die neue Plattform angebunden seien. Ob Intersport damit aber Geld verdient, ist fraglich. Dabei werden die wirtschaftlichen Zeiten für die Genossenschaft schwieriger. Selbst die moderne und mit allen möglichen digitalen Elementen ausgestattete Filiale im Berliner Einkaufszentrum Alexa soll hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Negative Konzernbilanz

Als Roether im Januar die Bilanz für 2017 vorstellte, sprach er für das deutsche Geschäft von einem Umsatzplus von 1 Prozent auf 2,94 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Doch dieses Plus betrifft den Außenumsatz, also die Erlöse der Händler.

Beim zentralregulierten Umsatz, auch Innenumsatz genannt, haperte es hingegen. Hier verdient die Gruppe ihr Geld mit Lagerumsatz, Zentralregulierung und Marketing. Unterm Strich ist die Konzernbilanz von Intersport eigentlich negativ. Gerettet wurde sie wohl durch aufgewertete Forderungen in Höhe von 2 Millionen Euro sowie reduzierte Marketingausgaben in Höhe von 1 Million Euro. Darüber hinaus wurde in der Bilanz eine Firmenwertzuschreibung in Höhe von 5 Millionen Euro vorgenommen.

Das sind legale bilanzielle Schachzüge - die aber immer einen schalen Beigeschmack haben.

In der Summe dürfte Roethers Bilanz dem Intersport-Aufsichtsrat nicht mehr gefallen haben. Nun heißt es wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft: der Vorstandschef verlässt das Spielfeld.

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