Verkaufspartys haben auch im Internetzeitalter Hochkonjunktur. Wer nicht anonym bestellen will, bekommt Schnittchen zum Kauf serviert. Doch auch der klassische Staubsaugervertreter saugt weiter.
"Der Spaßfaktor bei der Party ist sehr wichtig", beschreibt Professor Florian Kraus die Idee. Das Geschäft komme dann aber auch nicht zu kurz. Als deutscher Marktführer der Branche gilt der Wuppertaler Hausgerätehersteller Vorwerk.
Marketing-Experte Kraus von der Universität Mannheim erforscht die in der Öffentlichkeit eher wenig beachtete Branche seit Jahren und sagt ihr auch im Internetzeitalter ein weiter rasantes Wachstum voraus.
Mit den geselligen Partys und der direkten Ansprache der Kunden stoße der Direktvertrieb in eine Lücke, die der stationäre Einzelhandel aufgemacht habe, so der Experte. Viele Kunden suchten neben dem anonymen Kauf im Internet zunehmend auch das persönliche Gespräch mit dem Berater.
Klassisches Klinkenputzen wird immer schwieriger
Beobachter schätzen, dass der Umsatz der Branche im vergangenen Jahr auf etwa 15 bis 16 Milliarden Euro weiter zugelegt hat. 2013 hatte der Umsatz noch bei rund 14,6 Milliarden Euro gelegen. Nach einer von Kraus vorgelegten Studie ist der Verkauf bei Heimvorführungen oder Partys mit einem Anteil von 47 Prozent bereits mit großem Abstand wichtigster Vertriebsweg der Branche. Weit abgeschlagen folgen der klassische Vertreterverkauf mit einem Anteil von 26 Prozent und der Verkauf am Arbeitsplatz mit 12 Prozent. "Das klassische Tür zu Tür-Geschäft durch Vertreter wird immer schwieriger", so Kraus.Vorwiegend im Nebenjob, sind nach Einschätzung des Experten bundesweit bereits rund 800.000, meist weibliche Verkäufer unterwegs. Vor allem der sogenannte Partyvertrieb wachse derzeit zweistellig, berichtet der Experte. Voraussichtlich bis zum Jahr 2019 werde die Millionengrenze beim Verkäuferheer überschritten.
"Es ist jedoch eine Fehleinschätzung zu denken, dass Direktvertrieb günstig ist", so der Experte. Einsparungen durch extrem niedrige Rückgabequoten und geringere Werbeetats stünden Ausgaben für Provisionen entgegen.
Direktvertrieb im Herzen Vorwerks
"Der Direktvertrieb wird immer das Herz des Unternehmens bleiben", ist sich Reiner Strecker sicher, persönlich haftender Gesellschafter des Familienunternehmens Vorwerk. Im 130. Jahr seines Bestehens hatte das Wuppertaler Unternehmen den Umsatz 2013 um 5,8 Prozent auf rund2,6 Milliarden Euro gesteigert und damit eine Rekordmarke erzielt. Zahlen für 2014 will das Unternehmen in der kommenden Woche vorlegen. Rund 80 Prozent des Umsatzes wird im Direktvertrieb erwirtschaftet.
Neben Reinigungsgeräten wie Staubsaugern ("Kobold") oder Fensterputzern bietet das Unternehmen auch Küchenmaschinen ("Thermomix") sowie unter anderem Kosmetika und Teppiche an. Übers Internet vertreibt Vorwerk inzwischen einen Teil der Reinigungsgeräte und Zubehör.
Stark erklärungsbedürftige Produkte wie etwa die Küchenmaschine werden dagegen in den derzeit 34 unternehmenseigenen Shops lediglich ausgestellt. Gekauft werden kann ausschließlich im Direktvertrieb. Mittlerweile habe der Umsatz mit der Küchenmaschine das traditionsreiche Staubsaugergeschäft des Unternehmens sogar überholt, berichtet Strecker.
Staubsaugervorführung bis zu zwei Stunden
Am Standort Wuppertal plant das Unternehmen derzeit Investitionen von rund 100 Millionen Euro, unter anderem in den Ausbau der Thermomix-Produktion. Außerdem arbeitet man an einer noch geheim gehaltenen, neuen Produktlinie für den Direktvertrieb.Bis zu zwei Stunden könne eine Staubsauger-Produktvorführung dauern, berichtete Vorwerk Teamleiter Peter Schrörs. Der Kampf gegen den Staub werde dabei mit Rücksicht auf den Kunden in der Regel in Einzelvorführungen demonstriert.
Unangemeldete Besuche von Vertretern gehören zumindest bei Vorwerk seit 2011 der Vergangenheit an. "Wenn ich jemanden bestelle, weiß ich, was auf mich zukommt", sagt eine Sprecherin der Verbraucherzentrale NRW. Und seitdem das Klinkenputzen abgeschafft worden sei, sei der ehemals klassische Männerberuf auch für Frauen zunehmend interessant geworden, berichtet Schrörs.
Uta Knapp, dpa