Quelle kämpft ums Überleben - aber der Versandhandel-Branche geht es immer besser. E-Commerce boomt unaufhörlich. Dem Online-Handel gehört die Zukunft, sagen die Experten.

Die Deutschen bestellen gerne im Katalog oder Internet und lassen sich dann die Waren bequem nach Hause senden. Der Einkauf vom heimischen Sofa aus ist in den vergangenen Jahren sogar immer beliebter geworden. Die strauchelnde Arcandor-Tochter Quelle spiegelt also keineswegs den Zustand einer ganzen Branche wider.

"Die Krise eines einzelnen Unternehmens kann nicht auf die gesamte Branche übertragen werden", heißt es beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Es gebe nach wie vor viele gute Anbieter unter anderem auch von Spezialsortimenten, betont Sprecher Hubertus Pellengahr.

"Keine Verschlechterung"

So rechnet der Bundesverband des deutschen Versandhandels (BVH) in diesem Jahr wieder mit steigenden Umsätzen. Zu seinen 280 Mitgliedern zählen Unternehmen, die ihre Waren per Katalog, Internet oder übers Fernsehen anbieten, darunter auch Apothekenversender oder sogenannte Ebay-Powerseller.

Es werde trotz Wirtschaftskrise ein Umsatzplus von zwei bis drei Prozent erwartet, hieß die Prognose bereits zum Jahresanfang. E-Commerce könnte dabei sogar um zehn Prozent zulegen. "Auch jetzt gibt es keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung", betont BVH-Branchensprecher Oliver Claas. Der Verband hat ermittelt, dass der Versandhandel seinen Anteil am Einzelhandelsumsatz von 5,8 Prozent im Jahr 1996 auf 7,2 Prozent im Jahr 2008 ausweiten konnte.

Die jüngsten GfK-Daten, nach denen die Kauflaune der Deutschen noch recht gut ist, stimmten die Versandhändler zuversichtlich, dass dieser Trend anhält.

Immer mehr Online-Händler

Doch nicht nur bei den Verbrauchern wird der Versand- und Onlinehandel immer beliebter. Es gibt auch immer mehr Händler, die eigene Online-Shops eröffnen und so das Internet als zusätzlichen Vertriebskanal zu ihrem stationären Geschäft nutzen.

Allein im vergangenen Jahr stieg der Online-Umsatz mit Waren um satte 23 Prozent auf 13,4 Milliarden Euro. Zum gesamten Versandumsatz von 28,6 Milliarden Euro steuerte das Internet fast 47 Prozent bei und war damit maßgeblicher Treiber des Wachstums von gut 3,7 Prozent.

Internetversender legen zu

Etwa 52 Millionen Deutsche waren im Jahr 2008 Versandhandelskunden, hat der BVH in einer Erhebung festgestellt. 9,4 Millionen gehen mindestens einmal im Monate per Katalog, Internet oder Fernseher auf Einkaufsbummel. Pro Kopf wurde dabei 2008 der Rekordwert 346 Euro ausgegeben (2007 waren es 335 Euro).

Der meiste Umsatz wurde im Jahr 2008 von den Versendern mit parallelem Katalog- und Internetangebot erwirtschaftet. Allerdings ging deren Umsatz um 4,6 Prozent auf 16,6 Milliarden Euro zurück (Vorjahr 17,4 Milliarden Euro). Die reinen Internetversender legten um 38,6 Prozent auf rund 4,5 Milliarden Euro zu (Vorjahr: 3,3 Milliarden Euro).

Preistransparenz und Flexibilität

"Der Versandhandel wird immer mehr zum Internethandel und jeder Onlinehändler ist natürlich auch ein Versender", betont Claas. Die Vertriebskanäle hängen sehr eng zusammen. Das Internet biete dabei große Vorteile wie Preistransparenz, hohe Flexibilität und eine attraktive Produktpräsentation.

Rund 80.000 Menschen sind derzeit direkt im Versandhandel tätig. Darüber hinaus noch mal so viele in der Logistik, in Druckereien, Call-Centern und Agenturen.

"Otto geht es gut"

Sehr gut aufgestellt sieht sich auch Quelles härtester Konkurrent: Mit einem Umsatz- und Ertragsplus startete der Versandhändler Otto das neue Geschäftsjahr. "Otto geht es gut", sagte der Chef der Einzelgesellschaft Otto, Rainer Hillebrand, erst kürzlich angesichts einer Präsentation zum 60. Firmenjubiläum. Mit einem E-Commerce- Umsatz von 850 Millionen Euro sieht sich der Hamburger Versender mittlerweile als zweitgrößter deutscher Online-Händler gleich hinter Amazon.

Ottos Erfolgsrezept ist dabei sicher auch die Ausrichtung auf junge Kundschaft. Außerdem sehen sich die Hamburger als ein sehr modernes Unternehmen, das alle Facetten des Internets für sich nutzt. So gibt es bei Otto.de auch Blogs aus New York und von internationalen Modemessen. Die Kunden können zudem online Angebot und Qualität aller Waren kommentieren.

Wachstum sogar bei Quelle

Auch die stark angeschlagene Quelle verweist auf zweistellige Wachstumsraten in den vergangenen Jahren. Allein in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahrs habe der Umsatz noch um 24 Prozent zugelegt, teilt das Unternehmen mit. Allein online seien Waren für mehr als einer Milliarde Euro nachgefragt worden. Quelle hat bereits 1995 als erstes unter den großen deutschen Versandunternehmen einen Online-shop eröffnet.

Seit 2006 sei massiv umstrukturiert worden. Erst vor kurzem war die erste Stufe von "Quelle reloaded" geschaltet worden. Mitte 2010 sollte die Modernisierung des Online-Marktauftritts abgeschlossen sein. Den Vorwurf, den Internet-Trend verschlafen zu haben, weist Unternehmenssprecher Manfred Gawlas daher auch entschieden zurück. "Wir waren eigentlich gut aufgestellt, jetzt ist aber durch die massive Zäsur vieles infrage gestellt."