Armand Farsi und Katharina Kossendey
Armand Farsi und Katharina Kossendey
Put the Customer First!“ So lautet das Credo, das laut Jeff Bezos den Erfolg von Amazon begründet. Wie kann es dann sein, dass Amazon oder auch Asos keine Hotline anbieten, die die Kunden bei Fragen zur Lieferung oder Bezahlung direkt anrufen können? Amazon bietet zwar einen Rückruf-Service an. Es bedarf allerdings einiger Angaben, um diesen zu veranlassen. Sollten Online Shops nicht alles für einen perfekten Kundenservice tun, also rund um die Uhr, einfach und über möglichst viele Kanäle erreichbar sein? Die arvato-Manager Armand Farsi und Katharina Kossendey suchen in einem Gastbeitrag nach einer Antwort.

Guter Kundenservice beginnt bereits damit, dass sich Kunden gut informiert fühlen und folglich wenige oder keine Fragen offen bleiben. Dabei müssen Besucher und Kunden in erster Linie die relevanten Informationen zur richtigen Zeit erhalten. Dies kann durch den direkten Kontakt mit dem Kundenservice oder proaktiv erfolgen. Gerade in der proaktiven Kommunikation steckt viel Potential, das in manchen Shops noch nicht vollständig ausgeschöpft wird. Erhalten Besucher rechtzeitig bestimmte Informationen oder finden sie schnell Antworten auf ihre Fragen, reduziert dies die sogenannten „Anfragen pro Bestellung“ – ein wichtiger Indikator für die Reibungslosigkeit im Ablauf einer Bestellung. Gleichzeitig erhöht sich die Zufriedenheit der Kunden, da keine aktive Kontaktaufnahme und gegebenenfalls lästiges Warten auf eine Antwort nötig ist.

Natürlich ist das Potential proaktiver Kommunikation begrenzt. Ohne ein Customer Service Center wird es schwierig sein, insbesondere komplexe Kundenanfragen zufriedenstellend zu beantworten. Auch Anfragen in Folge von Fehlern im Shop oder der Logistik lassen sich durch proaktive Kommunikation nur begrenzt abfangen. Dennoch gibt es einfache Möglichkeiten, den Informationsbedarf der Kunden zu analysieren und entsprechende Maßnahmen abzuleiten.

1. Die häufigsten Kontaktgründe – der Informationsbedarf der Kunden

Eine Auswertung der Kontaktgründe für Online-Shops, deren Kundenservice durch arvato betrieben wird, ergab folgende Top-Themen: Fragen zur Lieferung, Retoure und Bezahlung. Im Durchschnitt spielten Fragen zu Produkten, dem Bestellprozess oder Gutscheinen eine deutlich geringere Rolle. Eine Ausnahme bildeten Shops aus dem Premium- und Luxussegment. Kunden fragten hier vermehrt nach zusätzlichen Produktinformationen.

Die Analyse der Kontaktgründe sollte hinsichtlich allgemeiner und bestellbezogener Anfragen differenziert werden. Nach welchen Informationen fragen die Kunden beispielsweise bzgl. der Lieferung: Geht es um generische Informationen, wie Lieferkosten, -destinationen oder -arten, z.B. Expresslieferung? Oder erkundigen sich Kunden verstärkt nach dem Lieferstatus ihrer eigenen Pakete?

Das gleiche Prinzip gilt für Zahlarten: Möchten Kunden wissen, welche Zahlarten angeboten werden, wie die Bezahlung pro Zahlart grundsätzlich funktioniert und wie sicher bestimmte Zahlarten sind? Oder erkundigen sich Kunden, warum ihnen eine bestimmte Zahlart nicht angeboten wurde oder beschweren sich über eine nicht funktionierende Kreditkartenzahlung? Gerade im Luxus- und Premiumsegment können zum Beispiel Anfragen zur Kreditkartenzahlung häufiger vorkommen.

Für die Identifikation von Optimierungspotentialen sollten diese Erkenntnisse genutzt werden, um im nächsten Schritt die proaktive Kommunikation in zwei Bereichen zu überprüfen. Der erste Bereich betrifft die so genannte Pull Kommunikation, also alle Informationen, die der Kunde im Shop lesen bzw. selbst suchen und finden kann. Hierunter fallen zum Beispiel die FAQ. Der zweite Bereich umfasst die Push Kommunikation. Hiermit sind im Wesentlichen die Transaktionsmails gemeint, die ein Online-Shop nach der Bestellung an die Kunden versendet, zum Beispiel die Bestellbestätigung. 

2. Pull-Kommunikation – Informationen im Shop platzieren

Angenommen, ein Besucher landet auf der Suche nach einer Hose in einem Fashion Online Shop. Er befindet sich zunächst auf einer Landingpage für Hosen und schaut sich dann noch weitere Seiten im Shop an. Schon auf diesen Seiten des Shops lassen sich wichtige Informationen platzieren. So sollten im Header und/oder Footer Hinweise zu Versandkosten, Rücksendebedingungen, angebotenen Zahlarten und Gütesiegeln erscheinen. Mit Hilfe von Symbolen sind diese Informationen für die Besucher schnell zu erfassen und erhöhen zudem die Vertrauenswürdigkeit des Shops. Auch ein Link zu den FAQ sollte hier platziert werden, so dass Besucher diese immer mit einem Klick erreichen können.

Ab der Produktdetailseite und während des Checkouts gilt es noch stärker, alle kaufrelevanten und vertrauenssteigernden Informationen hervorzuheben. Mittlerweile selbstverständlich ist die Anzeige von Produktverfügbarkeiten. Ist der Artikel in der gewünschten Größe nicht mehr verfügbar, fragen Kunden jedoch häufig nach, ob oder wann dieser Artikel wieder lieferbar ist. Tommy Hilfiger z.B. bietet Kunden daher an, sie per E-Mail zu benachrichtigen, wenn der Artikel in der gewünschten Größe wieder verfügbar ist.

Hat der Besucher die passende Hose gefunden, ist für die Kaufentscheidung oft ausschlaggebend, wann der Artikel voraussichtlich zugestellt wird und wie bezahlt werden kann. Im Optimalfall wird die erwartete Lieferzeit bereits auf der Produktdetailseite oder früh im Checkoutprozess angezeigt. Eine prominente Darstellung empfiehlt sich bei Zahlarten, die von Kunden besonders präferiert werden, z.B. Kauf auf Rechnung in Deutschland.

Der FAQ-Bereich –auf einigen Seiten auch Hilfe genannt – ist nicht zu unterschätzen. Eine gute Struktur, auf die Kundenanfragen ausgerichtete Reihenfolge der Themen und eine visuelle Darstellung von Themen und Antworten bieten Kunden schnell zugängliche Informationen. Zalando beispielsweise hilft Kunden mit Symbolen, die richtige Kategorie für ihre Fragen zu finden und setzt unter anderem Videos als Erklärung ein.

3. Push-Kommunikation – proaktive Kommunikation nach der Bestellung

Sobald der Besucher die Hose gekauft hat, sollte er über den Status der Bestellung auf dem Laufenden gehalten werden. Die Bestell- sowie die Versandbestätigung sollten daher zwingend Informationen zum Lieferdatum enthalten, idealerweise prominent dargestellt. Hilfreich für die Kunden ist zudem der Hinweis zur Sendungsverfolgung. In Ländern, wie Großbritannien, Schweden oder Dänemark ist es darüber hinaus üblich, dass Kunden per SMS über den Lieferstatus ihres Pakets informiert werden.

Oft genug – gerade in Deutschland – kommt es vor, dass der Kunde einen Artikel retournieren möchte. Dafür bietet es sich an, den Retourenprozess auf einem Paketbeileger übersichtlich zu erklären. Den Kunden interessiert dabei nicht nur, wie und in welchem Zeitraum Artikel retourniert werden können. Von besonderer Bedeutung ist, wann ihm der Kaufpreis erstattet wird. Gerade diese Frage ist für Online Shops nicht so einfach zu beantworten, hängt der Zeitpunkt nicht nur von der Abwicklung in der Logistik, sondern auch von der Zahlart des Kunden ab.
Vor allem im Falle der Kreditkartenzahlung kann eine Erstattung je nach Kreditkartenanbieter bis zu zwei Wochen dauern. Es wird daher empfohlen, diesbezüglich an verschiedenen Stellen zu sensibilisieren. Auf dem Paketbeileger selbst sollte bereits ein Hinweis erfolgen. In der Eingangsbestätigung der Retoure sollten zudem gut sichtbar der Erstattungsprozess, die Dauer und die Abhängigkeiten bei einer Erstattung erklärt werden.

Standardmäßig sollte in allen Transaktionsmails auf die FAQ hingewiesen werden. Am einfachsten ist die Einbindung eines Links zu den FAQ im Footer. Kundenfreundlicher und wirkungsvoller ist ein prominenter Hinweis zu Kategorien in den FAQ, die thematisch nah an der jeweiligen Transaktionsmail stehen. Asos beispielsweise bindet neben den Haupttext in der Bestellbestätigung eine Hinweisbox mit den FAQ zu weiteren Versandinformationen, der Sendungsverfolgung und Rücksendebestimmungen ein.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es viele kleine Hebel gibt, Besucher und Kunden sowohl auf der Shop-Seite als auch über Transaktionsmails proaktiv zu informieren, um „Anfragen pro Bestellung“ zu reduzieren. Auch wenn die wesentlichen Informationsbedarfe für alle Online-Shops gleich sind, müssen individuelle Feinheiten für jeweilige Kundensegmente und Länder identifiziert werden. Funktionen und Services entwickeln sich zudem permanent weiter und müssen auch in der Kommunikation laufend angepasst werden. Nicht zuletzt ist es natürlich auch eine strategische Fragestellung, ob man seine proaktive Kundenkommunikation so intensiv wie möglich ausgestaltet, um so die „Anfragen pro Bestellung“ zu reduzieren oder ob man nicht doch die Chance nutzen möchte, mit seinen Kunden öfter ins direkte Gespräch zu kommen.