Die Lastschrift gehört nach einer aktuellen Umfrage des IT-Branchenverband Bitkom zu den beliebtesten Bezahlverfahren im Internet. Doch die SEPA-Inititative der EU bedroht das effektive Verfahren.

Andere Länder, andere Zahlgewohnheiten: Während die Franzosen gerne zum Scheck greifen und einen sicheren, elektronischen Wechsel kennen, zahlen Briten auch schon mal ihre Stromrechnung mit der Kreditkarte.

Die Deutschen hingegen lieben die Lastschrift. Bei Versicherungen, Spenden, Zeitungsabonnements oder dem Einkauf im Netz erteilen sie einfach eine Einzugsermächtigung und lassen das Geld ohne Umschweife von ihrem Konto abbuchen.

Gut die Hälfte aller bargeldlosen Zahlungstransaktionen wird in Deutschland auf diese Weise abgewickelt. Im Onlinehandel gehört die Lastschrift nach einer aktuellen Erhebung des Branchenverbandes Bitkom zu den drei am häufigsten genutzten Bezahlverfahren.

Lastschrift unter den Top3 der Bezahlverfahren

Nach der von Bitkom in Auftrag gegebenen, repräsentativen Forsa-Umfrage bezahlen 58 Prozent aller Onlineshopper beim Einkauf im Internet per Rechnung. An zweiter Stelle liegen Online-Bezahldienstleister wie Paypal oder ClickandBuy mit 52 Prozent, an dritter Stelle folgt das Lastschriftverfahren (Bankeinzug) mit 46 Prozent.

Mehr als die Hälfte aller Webshops bietet das Verfahren zudem an oder plant die Einführung in Kürze, so das Ergebnisse einer Umfrage des E-Commerce-Competence-Centers (ECC).

Doch ab dem 1. Februar 2014 droht der deutschen Lastschrift das Aus. Hintergrund ist die "Single Euro Payments Area" (SEPA), mit der die Europäische Kommission auch den bargeldlosen Zahlungsverkehr europaweit vereinheitlichen will. In einem über viele Jahre mühsam ausgehandelten Kompromiss wurden dazu einheitliche Standards für Überweisung, Lastschrift und Kartenzahlungen geschaffen, die nun europaweit in insgesamt 32 Ländern Gültigkeit bekommen sollen. Dazu wurde im März dieses Jahres eine EU-Verordnung verabschiedet, die die Abschaffung der nationalen Verfahren zugunsten der neuen SEPA-Verfahren zum Februar 2014 vorsieht (siehe Online Handel 1/2012).

SEPA dreht sich nicht nur um BIC und IBAN

Dabei geht es nicht nur um die in den Publikumsmedien viel beschriebene Umstellung von Kontonummer und Bankleitzahl auf IBAN und BIC, sondern im Fall der Lastschrift um völlig neue Spielregeln für den Zahlungsverkehr. Das bewährte Instrument droht aufgrund aufwendiger Mandatierungen, Vorlaufzeiten und anderer Hürden in vielen bisherigen Einsatzgebieten unpraktikabel zu werden. Von einem "bürokratischen Monster" spricht gar Ulrich Binnebößel. "Wenn nichts passiert, ist diese Zahlungsart ab dem 1. Februar 2014 Geschichte", warnt der Zahlungsverkehrsexperte des Handelsverbands Deutschland.

Damit sich noch etwas ändert, haben zehn Verbände - darunter der HDE, der IT-Branchenverband Bitkom und der Bundesverband des Versandhandels - im September eine gemeinsame Stellungnahme zum Erhalt der Lastschrift veröffentlicht - ein ungewöhnlicher Hilferuf aus der deutschen Verbandslandschaft. Die Interessenverbände wollen zum einen erreichen, dass der Deutsche Bundestag eine Übergangsfrist bis zum 1. Februar 2016 für online beauftragte Lastschriften schafft. Eine solche Schonfrist hat der HDE bereits für die kartengestützte Lastschrift (ELV-Verfahren) durchsetzen können, die ebenfalls dem SEPA-Projekt zum Opfer fallen könnte.

Quelle: Bitkom
Quelle: Bitkom
Zum anderen fordern die Verbände von den Banken, ein praktikables Lastschriftverfahren für das SEPA-Zeitalter zu entwickeln. Derzeit plant die deutsche Kreditwirtschaft nicht einmal die Einführung eines sogenannten elektronischen Mandats, was bedeuten würde, dass Lastschriften in Zukunft nur noch auf Papier mit der Unterschrift des Bezogenen eingereicht werden könnten. Einzugsermächtigungen per Internet oder Telefon wären damit generell nicht mehr möglich.

SEPA-Lastschrift: "Die Verwirrung ist perfekt."

"Niemand kann derzeit verlässlich sagen, was passieren wird", konstatiert Mirko Hüllemann, Geschäftsführer beim Payment-Service-Provider Heidelpay. "Die Verwirrung ist perfekt."

Es könnte beispielsweise sein, dass die Banken auch nach dem Stichtag 2014 weiterhin Lastschriften ohne Unterschriften ausführen. Rechtssicherheit diesbezüglich gibt es aber nicht. Das Erfordernis einer Unterschrift ist darüber hinaus nicht der einzige Pferdefuss, den die SEPA-Lastschrift mit sich bringt: "Neben der Frage, ob das Fehlen einer Unterschrift auf Papier auch künftig im Onlinehandel geduldet wird wie bisher, müssen Internethändler und andere Lastschriftnutzer bis zum Stichtag die Umstellung der Dateiformate von DTAUS zu XML bewerkstelligen", erläutert Hüllemann.

Buchhaltungen und IT-Systeme stehen zudem vor der Herausforderung, völlig neue Daten wie Gläubigeridentifikationsnummer, Mandatsreferenz, Transaktionstyp und -rhythmus aufnehmen, verwalten und verarbeiten können. Ein riesiger Aufwand nicht nur für Internethändler, sondern auch für alle Unternehmen, die mit Lastschriften arbeiten.

"Vielen Onlinehändlern ist die Problematik noch gar nicht bewusst", sagt Christoph Jung vom Payment-Service-Provider Ogone. "Andere suchen bereits nach Alternativen zur Lastschrift und überlegen, ersatzweise Rechnungskauf oder Kreditkarten anzubieten, wenn es so weit ist."

Alternativen teurer oder risikobehaftet

raifk: Der Handel; Quelle: EZB
raifk: Der Handel; Quelle: EZB
Der Rechnungskauf ist freilich nicht risikolos, und die Absicherung über Dienstleister kostet Geld. Zudem berichten viele Onlinehändler nach Einführung dieser Bezahloption von steigenden Retourenquoten, was zusätzliche Kosten verursacht. Und Kreditkarten sind aus Händlersicht ohnehin eine kostspielige Angelegenheit.

Mirko Hüllemann fällt ein eindeutiges Urteil über das neue Zahlverfahren: "Für die deutschen Händler ist die SEPA-Lastschrift ein Graus und keine Verbesserung. Die Lastschrift funktionierte in Deutschland tadellos. Es ist so, als würde man in seinen Computer einen Fön einbauen, der den Chip anbläst, sodass man langsamer arbeiten muss."

Hanno Bender

Dieser Artikel erschien in der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel, er wurde ergänzt um die heute sowie im Sonderheft Online Handel (2/2012) veröffentlichten Ergebnisse der Bitkom-Umfrage. Zum kostenfreien Probeexemplar geht es hier