Das Smartphone ist immer dabei – das haben deutsche Händler verstanden und nutzen es, um potenziellen Kunden Coupon, Rabatte oder kurz Werbung aufs Handy zu schicken, genau dann, wenn sie in der Nähe des Standorts sind. Was beim Einsatz sogenannter Location Based Services (LBS) rechtlich möglich ist, erläutert Rechtsanwältin Kathrin Schürmann.

Die Einsatzmöglichkeiten standortbezogener Dienste sogenannter Location Based Services (kurz: LBS), sind vielfältig. Unternehmen bieten sie eine zuverlässige Steigerung der Konversionsrate. Verbraucher sparen Geld und profitieren von den Services. Die Verknüpfung von realer und digitaler Welt erlaubt es Unternehmen Erfolge in Echtzeit zu messen und relevante Angebote sowie zugeschnittene Botschaften ohne Umwege auf das Endgerät von potenziellen Kunden auszuspielen.

Die zunehmende Verbreitung und Nutzung von Smartphones als das persönlichste Gerät machen diese Art von Diensten sehr attraktiv für Unternehmen. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch rechtlich zulässig.

In Deutschland häufig im Einsatz

Tatsächlich wird das Location Based Marketing von deutschen Unternehmen im weltweiten Vergleich am häufigsten betrieben. Alle in Frage kommenden Varianten ermöglichen eine Ortung mittels IP-Adresse, GPS, Mobilfunkzellen, Wi-Fi oder Beacons. Besonders häufig nutzen Unternehmen in diesem Zusammenhang das sogenannte Geofencing.

Hierbei findet eine teilweise sehr präzise Ortung mittels GPS statt. Der potenzielle Kunde erhält zum Beispiel relevante Angebote oder Coupons via Push-Nachricht, sobald er den zuvor virtuell abgesteckten Bereich betritt oder verlässt. Dies kann ein festgelegter Radius um das eigene Geschäft (Point of Sale) oder eines Messestandes (Point of Interest) sein.

Damit standortbezogene Dienste ihre Aufgabe erfüllen können, muss der Kunde jedoch die App des Händlers oder eines Partners nutzen, seinen Standort teilen und Push-Nachrichten zulassen. Hat sich der Standort vor Erhalt der Push-Nachricht geändert, muss dies sofort erkannt werden, um die ausgespielten Inhalte entsprechend anpassen zu können.

Datenschutzrecht – richtige Rechtsgrundlage ist entscheidend

Damit Location Based Marketing rechtskonform umgesetzt werden kann, müssen zunächst datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Bei den erhobenen Standortdaten handelt es sich in der Regel um personenbezogene Daten, da Unternehmen jederzeit den aktuellen Aufenthaltsort des Nutzers einsehen können.

Der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist damit grundsätzlich eröffnet. Nach dieser muss jede Verarbeitungstätigkeit auf eine eigene Rechtsgrundlage gestützt werden können, sofern der Anwendungsbereich nicht mit Hilfe von Anonymisierungstechniken verlassen werden kann.

Eine etwaige Profilbildung muss gesondert gerechtfertigt werden. In Betracht kommen hier zum einen die Einwilligung, überwiegende berechtigte Interessen des Unternehmens, aber auch die Nutzung im Rahmen eines Vertrages (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) DSGVO).

Eine Rechtfertigung mit überwiegenden berechtigten Interessen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f) DSGVO ist zwar mit weniger organisatorischem Aufwand verbunden, aber die Nutzung von Location Based Services muss gut begründet werden.
Entscheidend ist hier oftmals, ob der jeweilige Dienst im Rahmen einer eigens dazu konzipierten App angeboten wird oder gewissermaßen als Zusatzleistung im Rahmen einer umfassenden Unternehmens-App. Der Abwägungsaufwand ist bei der ersten Konstellation deutlich geringer, da die App ja gerade zum Zwecke der Inanspruchnahme ortsbezogener Services vom Nutzer installiert wird.

Werden die personenbezogenen Daten zudem pseudonymisiert, so schlägt sich dies im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ebenfalls zu Gunsten des Verantwortlichen aus.

Eine weitere Möglichkeit ist der Abschluss eines Service- beziehungsweise Nutzungsvertrages. Er bietet zum einen die größte Rechtssicherheit und zum anderen haben Unternehmen aufgrund der Privatautonomie hier den größten Gestaltungsspielraum.

Ist für die Erbringung der Dienste eine Profilbildung erforderlich, so muss dies unbedingt im Rahmen des Vertrages transparent dargelegt werden.

Unmissverständliche Aufklärung

Eine anderweitige Nutzung solcher Profile kann sich in Zukunft schwierig gestalten: Der Europäische Datenschutzausschuss hat kürzlich Leitlinien verabschiedet, in denen er klarstellt, dass es nicht allein auf den Vertragsinhalt ankommt, um zu beurteilen, ob eine Verarbeitung zur Vertragserfüllung erforderlich ist.

Vielmehr bedarf es einer wertenden Entscheidung, die die in Artikel 5 DSGVO niedergelegten Grundsätze berücksichtigt. Die nutzerfreundlichste Vorgehensweise, um Location Based Services zu rechtfertigen, stellt die Einholung von Einwilligungserklärungen dar. Einwilligungen gelten nach Artikel 7 DSGVO nur als wirksam erteilt, wenn diese freiwillig, für den konkreten Einzelfall, nach ausreichender Information und unmissverständlich abgegeben werden. Eine Opt-Out-Lösung verbietet sich somit. Der Nutzer muss genauestens darüber informiert werden, was mit seinen personenbezogenen Daten geschieht. Der betroffenen Person muss außerdem jederzeit die Möglichkeit gewährt werden, eine bereits erteilte Einwilligung unproblematisch zu widerrufen.

Wettbewerbsrecht – Grenzen kennen, Spielraum nutzen

Auch das Wettbewerbsrecht stellt Anforderungen an die grundsätzlich vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten von Location Based Services zu Marketingzwecken. Wird der Geofence etwa so abgesteckt, dass der Bereich eines fremden Supermarktes tangiert wird, so können potenzielle Kunden mittels Push-Nachricht dazu veranlasst werden, die eigene Filiale aufzusuchen, statt die des konkurrierenden Unternehmens.

Ob solche Praktiken aufgrund der gezielten Behinderung von Mitbewerbern gemäß § 4 Nr. 4 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) als unlauter zu qualifizieren sind, ist noch weitestgehend ungeklärt. Da dem Wettbewerb jedoch gewisse gegenseitige Beeinträchtigungen immanent sind, bedarf es weiterer, beeinträchtigender Umstände, um eine Unlauterkeit bejahen zu können.

Sollen Kunden angesprochen werden, die sich bereits in einem Shop des Mitbewerbers aufhalten oder sich auf dem Weg dorthin befinden, so könnte dies als unlauteres Abfangen von Kunden zu werten sein.

Beim Wettbewerber abwerben?

Eine solche Einordnung hängt jedoch von der konkreten Art der Einwirkung ab. Eine Unlauterkeit kommt immer dann in Betracht, wenn der Kunde in seiner Bewegungsfreiheit, Wahrnehmung oder in seinen Vergleichsmöglichkeiten beeinträchtigt wird. Die Ansprache müsste also derart schwerwiegend sein, dass der Kunde zur Änderung seines Kaufentschluss quasi gedrängt wird.

Das bewusste Hinwirken auf einen Vertragsbruch verstößt hingegen regelmäßig gegen das Wettbewerbsrecht. Befindet sich ein Kunde zum Beispiel bereits im Kassenbereich eines Mitbewerbers und wird ihm mittels Push-Nachricht ein Rabatt versprochen, wenn er die Ware retourniert, so ist diese Vorgehensweise unzweifelhaft unlauter.

Schmaler Grat zwischen Nutzen und Spam

Grundsätzlich ist eine rechtskonforme Nutzung von standortbezogenen Diensten problemlos möglich, sofern Unternehmen die datenschutz- und wettbewerbsrechtlichen Grenzen nicht überschreiten. Die eigentliche Herausforderung sind somit nicht die rechtlichen Anforderungen, sondern die Nutzer selbst: Werden Push-Nachrichten als generisch, irrelevant, belästigend oder sonst wie als Spam empfunden, landet eine App schnell im Papierkorb. Im Übrigen stehen den Akteuren weite Spielräume zur Verfügung, um auf sich aufmerksam zu machen und sogar Kunden abzufangen, um so ihren Absatz zu fördern. Schließlich gehört es zum Wesen des Wettbewerbs, dass Konkurrenten gegenseitig in den Kundenkreis des anderen eindringen. Wer sich hier unsicher ist, sollte unbedingt rechtlichen Rat einholen.

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