Innovationen aus China werden die Zukunft im Digital-Commerce entscheidend mitbestimmen, ist sich Karl Krainer, Gründer und Chief Thinker der Marken- und Digitalberatung Gedankenfabrik, sicher. Ende Oktober reiste er in das Reich der Mitte, um den dortigen Markt zu beobachten. Dabei sind ihm elf Handelsinnovationen aufgefallen, die in China schon längst im Leben der Verbraucher angekommen sind und auch Retailer hierzulande kennen sollten.

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Das Online-Auktionshaus Taobao bietet eine Produkt-Bildersuche an, um den Konsumenten noch einfacher an begehrte Produkte zu bringen. Durch ein simples Drag’n’Drop zum Beispiel des Fotos eines Pullover, den man letztens noch im Ladenfenster gesehen hat, durchsucht man hunderte von Händlern nach dem Objekt der Begierde. Die Taobao-Bildersuche wurde 2011 das erste Mal als Beta-Version veröffentlicht und ist seit 2013 fester Bestandteil auf der Startseite der Plattform.

2. Shake it Baby

Das Modehaus H&M lässt zur Bewerbung der exklusiven Kooperation mit dem Designer-Label Kenzo den Konsumenten mit dem Smartphone interagieren. Über das Schütteln des Handys wird eine Promotion getriggert und mit Gamification verknüpft. Wer zu einem bestimmten Zeitpunkt schüttelt, bekommt einen extra Rabatt. Einfacher geht’s nicht. Das Schütteln kennt der Chinese übrigens schon sehr gut von WeChats Entdecken-Funktion.

3. Mobile Payments rocks...

Steht an fast allen U-Bahnstationen: der Getränke-Automat mit mobiler Bezahlungsmöglichkeit. Akzeptiert werden dort alle gängigen Systeme sei es Alipay, WeChat Pay, Tenpay, Baidu Wallet... Wer braucht in China schon Bargeld. Einfach das Produkt auswählen, Code scannen oder scannen lassen und schon hat man bezahlt. Ganz selbstverständlich werden die mobilen Zahlungssysteme in On- und Offline-Shops, Restaurants und im Service-Bereich angewendet. Alipay hat circa 450 Millionen täglich aktive Nutzer und WeChat mehr als 200 Millionen registrierte Payment-Konten.
Mit Alipay und Smartphone bezahlen
© Gedankenfabrik
Mit Alipay und Smartphone bezahlen

4. The reversed Shopping Way

Bei der Textilmarke Septwolves – eine laut GFK China „Bestbrand“ chinesischen Ursprungs – wird Offline2Online (O2O) proaktiv angeboten. Die Auswahl und Bestellung der gewünschten Produkte findet stationär auf interaktiven Displays im Geschäft statt, die Bestellung ebenfalls. Geliefert wird nach Hause.
Interaktive Displays im Handel in China
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Interaktive Displays im Handel in China

5. Holy moly!

Die Trinity des chinesischen Digitaluniversums – Baidu, Alibaba, Tencent – bestimmt nach wie vor das Geschehen. Die sogenannten BAT-Konzerne bleiben im Innovationsbereich weiterhin dominierend. Dabei verfolgen alle drei einen One-Stop-Shop-Approach für den Konsumenten und gleichen sich in Angebot und Features weiter an – so zum Beispiel im Bereich Finanzen und Mobile Wallets (Baidu Wallet, Alipay, WeChat) oder Entertainment (Alibaba pictures group, Tencent Pictures, Baidu iQiyi/ Baidu Video/ Baidu Nuomi). Auf der anderen Seite haben sie einen Marktplatz-Ansatz für Händler durch die neue Integration von Shopping-Partnern direkt in die Wallet-Funktion der Chat-App, Store-Bewertungen und Rabatt-Gutscheine.

6. It’s the logistic, stupid

Delivery Services stehen im harten Wettbewerb zu einander. Der Chinese lässt sich die bestellten Produkte gerne nach Hause oder ins Büro liefern. Im Food-Bereich sind Lieferzeiten von nur wenigen Minuten zu erwarten. Mit E-Scootern ausgestattete Lieferflotten garantieren schnelle Lieferung trotz weiter Wege, dichtem Verkehr und komplexen Gebäudestrukturen. Neben einer ausgefeilten technischen, größtenteils auf Mobile basierenden Infrastruktur hilft da natürlich Ordnung und Disziplin in der Vorbereitung.

7. Teamspirit im Erlebnis-Kaufhaus richtig leben...

Das Einstimmen des Teams ist in China Gang und Gäbe und findet auch im Servicebereich statt. Dies könnte auch ein Vorbild für den deutschen stationären Handel sein – wie etwa im Steak-Restaurant „Niupaijia“ im neu eröffneten Topwin Center mitten im Pekinger Unterhaltungs- und Ausgehbezirk Sanlitun, wo die Inszenierung im Mittelpunkt steht.

8. Lebensziel Madame Tussauds

Erfolgreiche Internet-Unternehmer werden als chinesische Celebrities gehandelt und spielen mit Astronauten in einer Liga. Eine eigene Wachsfigur bei Madame Tussauds ist da auch schon mal drin. Mehr geht nicht. Das würde Oliver Samwer wahrscheinlich ganz gut passen.
Verehrung von Internet-Unternehmern
© Gedankenfabrik
Verehrung von Internet-Unternehmern

9. QR-Codes everywhere

Omnipräsent: QR-Code-Scanner und QR-Generatoren sind essentielle Tools für Digital-Commerce-Transaktionen in China – vom Sharing, Kaufen bis zur Bezahlung. Sie werden von allen überall genutzt und bilden die Brücke zwischen der On- und Offline-Welt. Sie sind oft in Apps integriert und in China nicht mehr wegzudenken.
QR-Codes sind in China praktisch überall zu finden
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QR-Codes sind in China praktisch überall zu finden

10. Innovationsmaschine Alibaba

Der Online-Marktplatz Alibaba sieht sich als Vorreiter in vielen Themen des Digital-Commerce und experimentiert genau so viel wie es darüber spricht. Alibaba für sich ist schon ein Unternehmen, dass in keiner strategischen Handelsbetrachtung fehlen darf. Schließlich sind zwei Milliarden potentielle Nutzer bis 2020 eine enorme Zahl. Ein Innovationsbeispiel gefällig? VR-Store: Die Alibaba-Tochter GnomeMagic hat einen VR-Video-Player entwickelt und VR-Welten kreiert, die über die App als Buy+ zugänglich sind. Ein erster 360-Grad-Beta-Entwurf mit 3D-Fashion-Produkten aus 72 Shops und Shopping-Funktionen wird mit Konsumenten bereits getestet. Modeartikel können dreidimensional an Models in großer Detailtiefe in 3D erkundet werden. Ein Roboter-Shopping-Guide führt die Kunden zu den passenden Produkten. Langfristig sollen Händler ihre eignen VR-Stores bauen können.

VR Shopping in China

11. Der 11.11. als wichtigster Shopping-Tag in China

Der Singles Day am 11. November wurde im Vorfeld massiv kommunikativ unterstützt. Hier kommt es zu einer einzigartigen Zusammenarbeit von Marken und Händlern. Ein Design (Taobaos Katzenlogo) wird zum Beispiel über die verschiedensten Bereiche und Marken gesetzt. Alibaba pusht damit einen Shopping-Tag, der Black Friday und Cyber-Monday alt aussehen lässt. Es wurden 17,8 Mrd. Dollar Umsatz allein bei Alibaba umgesetzt.

Fazit

Wir sollten uns langsam aber sicher an das Thema Innovationen aus China gewöhnen. Von der Regierung forciert, den Unternehmen und Start-ups initiiert und gemanagt und von den chinesischen Käufern gefordert, zeigen sich in China überaus interessante Entwicklungen für den Konsumenten. Dabei müssen es nicht immer große Dinge und Neuigkeiten sein.



Marktplatz Tmall.com
© Tmall.com
China

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Terry von Bibra: Mehr Hilfe beim Start in China (Foto: Alibaba)
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Screenshot Foto: Alibaba.com
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