China ist ein gigantischer und vielseitiger Markt. Deutsche Händler, die dort erfolgreich auftreten wollen, sollten sich daher vorab intensiv mit dem Konsumentenverhalten beschäftigen. Wo also kaufen die Chinesen und was kaufen sie online ein?

Dominanz von Marktplätzen

Gerade die mittlere und ältere Generation der chinesischen Kunden scheut das Risiko. Die Anschaffung eines Produkts wird genau überlegt. Dazu gehört das Einholen von Produktbewertungen und das Lesen von Tests. Das Misstrauen schlägt aber auch Händlern entgegen.
Die Kunden wollen sicher sein, dass sie die Ware auch erhalten. Nimmt man beide Faktoren zusammen, überrascht es nicht, dass Marktplätze im chinesischen Digital Commerce eine dominierende Stellung haben. Fast 90 Prozent aller Transaktionen werden über Marktplätze abgewickelt.

Zu den Gewinnern des Marktplatz-Konzepts gehören dort die beiden Player Alibaba und Tencent.
Das wohl zurecht so bezeichnete Imperium von Alibaba unterhält gleich zwei große Marktplätze:
  • Taobao: Ist das chinesische eBay und bedient damit die C2C-Sparte. Rund 8 Millionen Verkäufer bieten hier ihre Waren an.
  • Tmall und sein auf Importe spezialisierte Ableger Tmall Global sind die Marktplätze für das B2C-Geschäft. Tmall zieht immer mehr europäische Händler an, etwa jüngst die deutsche Drogeriekette dm. Unternehmen wie Asos, Burberry oder Rebook sind hier ebenfalls mit eigenen Storefronts vertreten. Dank der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Stores können die Unternehmen mit ihrem Branding Flagge auf dem chinesischen Markt zeigen.
Herausforderer von Alibaba ist JD.com (Jingdong Mall), das laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 von 45 Prozent der chinesischen Kunden regelmäßig besucht wird. Im Konkurrenzkampf zwischen den beiden Riesen ist JD ein besonderer Coup gelungen. Durch die Partnerschaft mit dem Unternehmen Tencent, das sich auf Medien und Telekommunikationsdienste spezialisiert hat, können JD und seine Marken die Nutzer von WeChat und QQ erreichen. Das sind rund 1 Milliarde Menschen. Spätestens wenn sich das Wirtschaftswachstum in China weiter abkühlt, dürfte sich der ohnehin schon erbitterte Kampf zwischen den beiden Rivalen noch verschärfen. Beide Unternehmen werben sehr aktiv um westliche Marken, um sie von einem Engagement auf ihren Marktplätzen zu überzeugen.

Chinesen kaufen gern ausländische Produkte

Interessant sind die Marktplätze für die europäischen Händler, weil internationale Marken in China einen sehr guten Ruf genießen. Die Produkte gelten als hochwertige Premium-Produkte.

Marken aus dem Westen gelten außerdem als Statussymbole. Die Chinesen lieben deutsche Produkte: Ob es Rheingau-Wein ist oder eine Lederhose aus Bavaria. Doch Vorsicht vor zu viel Optimismus. Die Margen sind längst nicht mehr so gewaltig, wie vor einigen Jahren. Auch die Chinesen haben gelernt, Preise zu vergleichen. So wichtig der Preis bei der Kaufentscheidung der Chinesen aber auch ist, der Wunsch nach Qualität schlägt dieses Argument.

"Haitao Shopping", der Kauf in Übersee, schlug mit einer kumulierten jährlichen Wachstumsrate von über 63 Prozent sogar den Boom des Digital Commerce insgesamt. Vorsichtige Prognosen gehen von einer jährlichen Wachstumsrate des Cross-Border-Commerce bis zum Ende des Jahrzehnts von 18 Prozent aus. Studien von Mintel zeigen, dass 58 Prozent der chinesischen Verbraucher zwischen Juni und November 2015 ausländische Produkte über einheimische Shopping-Websites erwarben.

Mobiler Kauf ist wichtig

Das Smartphone ist auch in China aus dem Alltag der Konsumenten nicht mehr wegzudenken. Dazu gehören mobile Geldbörsen als fester Bestandteil des App-Ökosystems. Mobiler Commerce macht inzwischen die Hälfte des chinesischen Digital Commerce aus. Dementsprechend selbstverständlich ist es für die Kunden, mit Anwendungen wie Alipay zu bezahlen. Das hat für europäische Händler durchaus Vorteile, weil das System die Abwicklung deutlich erleichtert. Alipay drängt inzwischen auch stark auf den europäischen Markt, um chinesische Konsumenten auch die Zahlung im Ausland zu ermöglichen.
Viele Internetnutzer in China ärgern sich täglich über langsame Ladezeiten
© CDNetworks
Viele Internetnutzer in China ärgern sich täglich über langsame Ladezeiten
Mehr noch als deutsche Kunden sind Chinesen im Web ungeduldig. Sie erwarten Ladezeiten von rund 5 Sekunden und geben spätestens nach 24 Sekunden auf. Die Websites europäischer Anbieter benötigen jedoch im Durchschnitt 33,1 Sekunden, sodass viele Unternehmen ihre Zielgruppe in China gar nicht erreichen. Das sagt eine aktuelle Studie von Content-Delivery-Network-Spezialist CDNetworks.
Für europäische Händler bietet die starke Verbreitung von Alipay durchaus Vorteile. Sie kommen leichter an ihr Geld
© Screenshot vom Autor
Für europäische Händler bietet die starke Verbreitung von Alipay durchaus Vorteile. Sie kommen leichter an ihr Geld
China zeigt auch eindrucksvoll, wie mobiles Bezahlen und Einkaufen sich mit der Nutzung von sozialen Netzwerken verbinden. Alibaba kaufte sich bei Weibo (dem chinesischen Twitter) ein und binnen eines Jahres wurde Alipay in die Plattform integriert. Parallel bot Tencent Händlern die Möglichkeit, mit eigenen Stores bei WeChat vertreten zu sein. Das ist auch konsequent, denn für die chinesischen Kunden spielen die Meinungen aus dem Umfeld eine wichtige Rolle. Und wenn über soziale Netze ohnehin Rat eingeholt wird, verstärkt die Verbindung mit Kaufangeboten das Kundenerlebnis. Nach einer Umfrage von DigitasLBI lassen sich 53 Prozent der Nutzer von Sina Weibo durch die Plattform beeinflussen. Fast 40 Prozent der Befragten hatten zum Zeitpunkt der Befragung in den 30 vergangenen Tagen etwas über Weibo gekauft.

Gekauft wird, was gebraucht wird

Es sind teilweise überraschend bodenständige Produkte, die sich in China zu wahren Rennern entwickeln. Gekauft werden beispielsweise Waren, denen die Kunden auf anderen Vertriebswegen eher wenig Vertrauen schenken, etwa Lebensmittel und Kosmetika. Europäische Produkte aus diesem Segment wird dagegen ein großes Vertrauen geschenkt. Das gilt auch für Haushaltswaren und Produkte für (werdende) Mütter. Und die Chancen für weitere Nischen sind gut, denn für viele Chinesen ist das Internet der einzige Weg, um Markenartikel erwerben zu können, da es längst nicht überall Einkaufszentren gibt. Den ländlichen Raum will Alibaba etwa durch die Schaffung von 100.000 E-Commerce-Stationen erschließen. Dort werden die Konsumenten Bestellungen aufgeben, aber auch abholen können.

So kann der Einstieg in den chinesischen Markt gelingen

Die überaus positive Entwicklung des Digital Commerce in China und der gute Ruf europäischer Waren dürften viele Händler über einen Einstieg in den chinesischen Markt nachdenken lassen. Und das kann auch verschiedene Weise erfolgreich sein.Um herauszufinden, ob die angebotenen Produkte in China überhaupt ihren Markt finden, könnte ein zurückhaltender Einstieg etwa so aussehen.

  • In den eigenen Store werden Alipay oder Unionpay eingebunden. Für eine Reihe von Testprodukten werden Landing-Pages gebaut, die ins Chinesische übersetzt werden. Im Shopsystem muss kontrolliert werden, dass in die Adressfelder auch chinesische Zeichen eingegeben werden.
  • Verläuft dieses Szenario ermutigend oder ist der Händler etwas risikobereiter, könnte gleich mit einem Markttest begonnen werden. Über Tmall Global kann am einfachsten nach China verkauft werden, denn der Marktplatz kümmert sich um Versand, Kundenservice, Retouren und Zahlungen.
  • Sind die Marktests erfolgreich, kann es sich lohnen, regulärer Marktplatz-Partner bei Tmall Global oder JD Worldwide zu werden. Das ist dann zwar mit höheren Kosten verbunden, dem gegenüber steht aber auch eine deutlich wachsende Bekanntheit der Marke. Um bei den Kosten für Versand zu sparen, sollte die Teilnahme am Versandprogramm von Amazon oder eBay in Erwägung gezogen werden.
  • Die größten Freiheiten, aber auch das größte Risiko tragen Unternehmen, die mit einer unabhängigen Markenwebsite auftreten. Lokalisierung, Prozesse und Lageranforderungen sind mit einigen Vorabanalysen und Investitionen verbunden. Und der Einstieg lohnt sich nur dann, wenn das eigene Angebot auch mit den Marktplätzen selbst konkurrieren kann. Dieser finale Schritt sollte also sehr genau überlegt werden.
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