Es ist ein Armutszeugnis, das der Marketing Entscheider Radar 2019 den deutschen Unternehmen ausstellt. Jeder zweite Marketingentscheider (56 Prozent) sieht sein Unternehmen noch nicht für die digitale Marketing-Ära gerüstet. Das ist das Fazit einer aktuellen Befragung, die Brain Consulting, eine auf Marketing, Kommunikation und Media spezialisierte Unternehmensberatung, unter 100 Geschäftsführern und Marketingleitern durchgeführt hat.
Marketing mit System
Die Untersuchung hat das Institut für Sales und Marketing Automation (IFSMA) in Kooperation unter anderem mit der B2B-Agentur WOB unter mehr als 700 Marketingentscheidern und Geschäftsführern in der DACH-Region durchgeführt. Rund 42 Prozent der deutschen Unternehmen planen immerhin den MAS-Einsatz in den nächsten 24 Monaten. Etwas weniger als 30 Prozent sehen allerdings immer noch keine Notwendigkeit, sich ernsthaft mit einem MAS-Einsatz zu beschäftigen. Uwe Hannig empfindet das als Wettbewerbsnachteil. „Deutschland hinkt im weltweiten Vergleich massiv hinterher.“ Eine der Ursachen sieht der IFSMA-Leiter und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen in der Struktur der deutschen Wirtschaft. „Deutschland ist sehr mittelstandsgeprägt. Natürlich sind es eher die großen Markenartikler, die sich mit dem Thema MAS beschäftigen.“Der Anteil der Teilnehmer, die bereits ein Marketing Automation Tool implementiert haben oder Cloud-Lösungen in Marketing und Vertrieb einsetzen, stieg zwar nur leicht. Hoffnung macht aber die zunehmende Akzeptanz: So ist die vor drei Jahren mit 43 Prozent noch sehr hohe Anzahl der Marketing-Automation-Verweigerer zwischenzeitlich auf unter 30 Prozent in Deutschland gesunken. Eine weitere gute Nachricht: „Customer-Relationship-Management-Systeme erleben in Deutschland gerade eine Art Renaissance“, sagt Hannig, der das in einer weiteren aktuellen Studie zum „Vertrieb im digitalen Zeitalter“ erfragt hat. Demnach verfügen schon fast vier von fünf Unternehmen über ein CRM-System. Weitere rund 13 Prozent wollen in den nächsten zwei Jahren nachlegen.
Mehr Zeit für den Webauftritt
Die Erkenntnis, dass es ohne Datenmanagement und Marketingautomation in einer zunehmend digitalisierten Welt nicht mehr geht, wächst. Die Marketing Automation nimmt den Marketern selbst viel Arbeit ab – die sie dann für die weitere Optimierung des Webauftritts nutzen können", sagt Felix Schirl. Der Geschäftsführer des Personalisierungs-Technologie-Spezialisten Trbo schwört auf selbstlernende Algorithmen: "Sie analysieren das User-Verhalten auf der Website anhand vordefinierter Besuchermerkmale. Auf dieser Basis kann die Ansprache dann ganz zielgerichtet und personalisiert erfolgen." Auch Holger Behnsen, Managing Director DACH bei Emarsys, ist überzeugt, dass Marketing Automation künftig immer mehr Kanäle vernetzen wird. „Eine Maschine ist sehr viel besser in der Lage, auf individueller Basis zu entscheiden. Was ist der richtige Kanal, was ist der richtige Input, soll der Kunde ein Incentive erhalten oder nicht? Die Trennung zwischen online und offline werde verschwinden.Nicht jeder Kunde reagiert auf Online-Maßnahmen
Der Anbieter von Marketing-Automation-Systemen hat deshalb eine Schnittstelle zu den Dialog Marketing Tools der Deutschen Post geschaffen. Im Einsatz war die beispielsweise für Sanicare. Die Versandapotheke hat einen großen Kundenstamm, doch zahlreiche Bestandskunden reagieren nicht mehr auf die Onlineansprache. Um die inaktiven Kunden anzusprechen, entwickelten Emarsys und die Deutsche Post deshalb eine automatisierte Printkampagne. Im Fokus der Kampagne standen alle Kunden, die in den letzten vier Wochen weder Newsletter geöffnet, noch Print-Werbung von Sanicare erhalten haben. Dazu griff die Deutsche Post auf die Newsletter-Daten aus dem Emarsys-Server zu. Eine Postkarte nebst einem 5-Euro-Gutschein sollte die Kunden zur Rückkehr anregen. Und tat das auch. Der Medienswitch von E-Mail zu Print habe „zu einer überdurchschnittlichen Reaktivierungsleistung der Newsletter-Abonnenten mit einem Uplift von 3 Prozent geführt“, so Christine Ahuis-Reckordt, Email-Marketing Managerin bei Sanicare. „Das Triggerdialog-Modul der Deutschen Post ermöglicht uns gemeinsam mit Emarsys auf einfache Art und Weise einen erfolgreichen und automatisierten Medienwechsel zur Erreichung inaktiver Kunden und Newsletter-Abonnenten.“
Clever den Menschen in der Kommunikation ersetzen
Emarsys ist nicht der einzige Anbieter, der Schnittstellen zu den postalischen Dialogmarketingangeboten geschaffen hat. Weitere Partner sind unter anderem Episerver (Optivo), Artegic und Promio.net. Eine Kooperation gibt es auch mit Flyeralarm. Kunden können bei der Onlinedruckerei alles aus einer Hand buchen – vom Druck über die Personalisierung bis zur Zustellung. Über eine offene Schnittstelle greift die Online-Druckerei hierfür auf Services der Deutschen Post zu. Kunden von Flyeralarm können so auf der Bestellseite der Online-Druckerei die Adressen ihrer Bestandskunden hochladen und zusätzlich Service-Module wie die automatische Adressprüfung nutzen. Flyeralarm übernimmt dabei den Druck der Werbebriefe, die Deutsche Post stellt sie zu. Eine ähnliche Partnerschaft gibt es mit Be.Beyond. Der Web-to-Print-Anbieter hat das Selbstbuchungs-Tool für Print-Mailings integriert, die Druckereien Lösungen für die Online-Konfiguration von Druckaufträgen (Web-to-Print) anbietet.Die Automatisierung zwischen den Kanälen macht also deutliche Fortschritte. So wie Kunden selbstverständlich zwischen den Kanälen switchen, so können es zunehmend auch die Marketer. Einen Kundendialog in Echtzeit kann Marc Bohnes, Product Strategy Director bei Episerver, sich angesichts der wachsenden Vielfalt der Kanäle ohne Automatisierung auch kaum vorstellen: "Man müsste wirklich sehr viele Humanressourcen in Anspruch nehmen, um das in Echtzeit abgreifen zu können."
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Horizont.net.