Bei etailment berichten wir regelmäßig über neueste Technologien und Möglichkeiten im Marketing. Doch nach dem Besuch eines Onlineshops kann man sich aber auch rasch in die Steinzeit der Internetwerbung zurückversetzt fühlen. Ist Re-Targeting schon alles, was aktuellem Marketing einfällt?

Ich habe eine Matratze gekauft. Online. Das hat nun keinen Neuigkeitswert, schließlich tun das inzwischen viele Menschen und rund um das Thema ist (nicht nur) unter Start-ups ein regelrechter Hype entbrannt. Das Problem dabei ist nur. Ich habe ja inzwischen gekauft, und sollte sich der bestellte Artikel nicht als absoluter Flop erweisen, wird eine Neuanschaffung so schnell nicht wieder auf der Agenda stehen.

Sie vermuten wahrscheinlich schon, was nun kommt. Seitdem die Matratze in meinem Warenkorb landete, werde ich im Web von Angeboten von weiteren tollen Schlafstätten geradezu bombardiert. Und das nervt einfach nur noch. Mit dem Segment hat es nichts zu tun, denn wenn ich auf Facebook oder anderen Sites nicht über marktschreierische Banner für Matratzen stolpere, dann geht es um Herrenmode, denn schließlich habe ich auch eine Kleinigkeit bei About You bestellt.

Re-Targeting ist die Pest

Die dahinterstehende Technik ist sattsam bekannt. Re-Targeting ist preiswert, aber irgendwie verdient sie weder die Silbe "Re" noch das Wort "Targeting". Das Problem des Re-Targeting besteht darin, dass es aus Daten aus der Vergangenheit versucht, Kaufabsichten in der Zukunft abzuleiten. Und das geht halt oftmals grandios schief.

Die Grundlage schafft eine Erfindung aus der Frühzeit des Internets. Zur langen Historie des Cookies passt leider oft auch die eingespielte Werbung, die nicht selten irgendwo zwischen Schweinebauch und Pixelversuchen angesiedelt ist. Der Cookie wird im Shop gesetzt und dann penetrant von Ad-Servern ausgelesen. Anschließend wird dann die Werbung ausgespielt.

Der Kunde fühlt sich von der Werbung verfolgt und reagiert damit oft auch genervt.

Und damit wird Re-Targeting zum Problem des Händlers. Denn wenn Einigkeit darüber besteht, dass es heute darauf ankommt, dem Kunden eine durchweg positive "Experience" auf seinem Weg zum Kauf zu bescheren, ist nervige Werbung schon mal kein guter Beginn.

Aus Verkäufersicht ist das klassische Re-Targeting aber noch aus anderer Sicht eher eine Krücke als eine echte Lösung zu mehr Umsatz. Wenn der Kunde sich zuletzt auf einer Site über Lautsprecher informiert hat, bietet die Werbung also weitere Lautsprecher an. Nur, was wäre denn, wenn die Lautsprecher nur den Abschluss seiner Recherche gewesen sind? Und er sich vorher über die Anschaffung eines High-End-Fernsehers informiert hätte, vielleicht sogar Vergleichsberichte gelesen hat? Mit dem Re-Targeting erhält der Elektronikversender jetzt die Chance, Lautsprecher an den Kunden zu bringen. Der deutlich lukrativere Artikel wird nicht beworben. Schade eigentlich.

Personalisierung muss auch anders gehen!

Würde es wahrscheinlich auch, jedenfalls technisch. Dazu bedingt es aber, dass ein Händler sich Gedanken zu seiner Zielgruppe macht und all die Daten auswertet, die ihm zur Verfügung stehen. Auf das letzte (Kauf-) Interesse des Kunden zu schielen, ist bequem und schnell gemacht.

Hat aber nichts mit Personalisierung von Angeboten zu tun. Wenn ein Nutzer von einem Freund um seine Meinung zum Kauf gebeten wird, und sich das Produkt ansieht, wird unterstellt, dass er sich auch dafür interessiert. Und das, obwohl zum Beispiel die Daten im CRM eines Händlers zeigen könnten, dass er das Produkt vielleicht bereits besitzt oder es zumindest ungewöhnlich wäre, wenn er sich jetzt plötzlich dafür begeistert.

Amazon, ja nun wahrlich nicht dafür bekannt, wenig mit seinen gesammelten Daten anzustellen, hat sein Potenzial in Sachen Personalisierung auch noch längst nicht ausgeschöpft. Beispiel gefällig? Das Unternehmen besitzt von mir eine Kundenhistorie, die in die Anfangstage der ersten Schritte Amazons in Deutschland zurückreichen. Gerade was den Geschmack von Musik, Filmen und Literatur betrifft, müsste sich ein ziemlich gutes Profil ableiten lassen. Wenn ich jetzt für eines meiner Kinder eine Lektürehilfe bzw. Schullektüre bestelle, erhalte ich weitere "passende" Titel als Vorschläge. Nur, wenn ich das Mathematikbuch für die 9. Klasse am Gymnasium in Schleswig-Holstein gekauft habe, ist die Ausgabe für ein anderes Bundesland von geringem Interesse.  

Marketing, das auf Daten basiert, ist lediglich durch zwei Dinge limitiert. Den Richtlinien zum Datenschutz und der Fantasie der Marketing-Verantwortlichen. Und viele Kampagnen erwecken da leider den Eindruck, als ob es genau daran mangelt.



Das Erkennen von Nutzern über Gerätegrenzen hinweg, bleibt eine technisch anspruchsvolle Aufgabe.
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