Dass große E-Commerce-Anbieter wie Sportscheck und Spartoo – und zuvor viele weitere Player wie Amazon und Zalando – ihre Website auch für Marktplätze öffnen, verwundert nicht. Es geht hier um die Ausweitung des Portfolios. Je mehr ich anzubieten habe, desto relevanter werde ich für Kunden. In diesem Fall gilt auf jeden Fall „Size matters“, um gegenüber Amazon oder Otto überhaupt in den Relevant Set der Kunden zu kommen. Natürlich kann es leicht dazu kommen, dass Anbieter auf dem Marktplatz den Marktplatzbetreiber selbst preislich unterbieten. Man wunderte sich anfangs ja, wie souverän Amazon auf dem Marketplace Angebote von CDs und (gebrauchten) Büchern zuließ, die deutlich günstiger waren als das „offizielle“ Angebot. Aber dass Amazon hier im Vergleich immer schlecht aussieht, spielt letztlich keine Rolle: Amazon traut den Kunden zu, die günstigeren Angebote ohnehin irgendwo aufzufinden – dann doch lieber auf der eigenen Plattform, wo eine Provision anfällt.
Die Aufbruchstimmung ist vorbei
Und wie sieht es aufseiten der Shop-Betreiber aus? Sie sind meist auf Marktplätze angewiesen, wenn sie eine irgendwie relevante Reichweite erzielen wollen. Und anfangs klang sie ja auch sehr sympathisch und „Grass Roots“-mäßig, die Vorstellung, über Marktplätze plötzlich alles und jeden erreichen kann, darüber auch in Nischen, im Longtail noch ordentlich Geschäft zu machen, das man im stationären Geschäft nie erreichen würde. Aber natürlich ist hier längst eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Amazon und Ebay sind so groß geworden, dass viele Shopbetreiber den Eindruck haben, an ihnen nicht mehr vorbeizukommen. Und das, obwohl das Verkaufen über den Amazon Marktplace oder Ebay schon lange keinen Spaß mehr macht. Weil eben alle da sind, und der „Terror der Vergleichbarkeit“ allgegenwärtig ist. Zudem nerven die beiden E-Commerce-Riesen mit hohen Anforderungen an die teilnehmenden Shops, mit ständigen technischen Änderungen und Geschäftsbedingungen. Es ist ein mühsames Geschäft geworden. Und Amazon und Ebay haben auch kein Interesse mehr, den angeschlossenen Händlern besonders entgegenkommen. Sie müssen es nicht mehr. Sie stehen verbuchen bereits zwei Drittel der Umsätze im E-Commerce für sich, Tendenz steigend.

Dennoch bieten auch kleinere Marktplatzkonzepte weiterhin Chancen. Vor allem in zwei Bereichen ist das möglich:
Anti-Mainstream: Special-Interest- und Nischenmärkte
Wer mit Mode, Schmuck, Design oder Lebensmittel eine spitze, spezialisierte Klientel ansprechen will, kann mit Online-Marktplätzen gut fahren. Der Vorteil liegt nicht nur in der Bündelung exklusiver Angebote, sondern auch in der Aufmachung des Marktplatzes. Natürlich können Amazon und Ebay bei den meisten Produktwünschen ebenfalls "weiterhelfen" (Amazon hat in den USA gerade sogar einen speziellen Marktplatz für seltene Münzen gestartet), aber die optische Einkaufsumgebung spielt gerade bei Luxusprodukten eine wichtige Rolle. Und Marktplätze mit sehr individuellen Produkten oder Selbstgemachtem (Etsy oder Dawanda) profitieren obendrein von einer gewissen Anti-Mainstream-Ideologie der Kunden.
Die Spezialisten-Marktplätze sind dann besonders gut, wenn sie es schaffen, eine komplette, in sich stimmige Einkaufswelt zu schaffen. Dann empfindet man ihn wirlich, den "Stadtbummel online", den der Modemarktplatz Kleidoo verspricht. Interessant, wenn auch teuer, ist auch die Strategie, zusätzliche Informationen zu bieten, also das vielbeschworene Content Marketing. Diesen Weg geht der DHL-Marktplatz Meinpaket.de, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Auf der Website gibt es redaktionelle Beiträge zu konsumnahen Themen, etwa zur korrekten Zubereitung von Reis oder zur perfekten Ausstattung für einen perfekten Fußballabend.

Das größte Potenzial für Online-Marktplätze dürfte bei den lokalen Händlern liegen. Immer wieder werden sie aufgefordert, sich endlich Multichannel-Strategien auszudenken, um sich gegen die Onlinekonkurrenz zu behaupten. Sollte der stationäre lokale Handel wirklich in großem Stil ins E-Commerce-Zeitalter aufbrechen, dann werden Marktplätze dabei eine ganz große Rolle spielen. Die meisten der Konzepte, häufig von Genossenschaften wie eben eBuch oder Verbundgruppen angestoßen, versuchen, Online- und stationäres Geschäft zu verbinden. Beispiel: Hierbeidir, ein Marktplatz für lokale Händler, den ein Düsseldorfer Startup gelauncht hat. Hier bestellt der Kunde online, und noch am selben Tag bringt der Fahrradkurier die Ware, die von einem stationären Händler am Ort kommt. Allerdings eignet sich das System nicht nur für knapp kalkulierte Produkte: Die Verkaufsprovision beträgt 10 Prozent.
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Die Macht der Marktplätze: Freund oder Feind? Welche Zukunft Onlinehändler wirklich erwartet
Online-Marktplätze gehören auch zu den Themen, die Sybille Wilhelm, E-Commerce-Expertin beim Wirtschaftsmagazin “Der Handel” und etailment-Autorin, in ihrem Buch "Erfolgsfaktor Onlinehandel" behandelt. Hier ein Buchauszug.