Mit der Ankündigung von Facebook, das Thema E-Commerce in seiner App-Welt, inklusive Instagram zu forcieren, hat Mark Zuckerberg aufhorchen lassen, insbesondere durch die Tatsache, dass Facebook es jetzt ernst meint und er sich persönlich eingebracht hat. Reflexartig macht Facebook für die meisten Kommentatoren damit Amazon und ebay Konkurrenz. Zu Recht? Antworten hat etailment-Experte Marcel Brindöpke, Geschäftsführer des Plattform-Providers heyconnect.

Es lohnt sich, auf diese Offensive einen Blick zu werfen, sehnen sich doch Händler und Wettbewerbshüter nach neuen Mitspielern, die Amazon ihr Monopol streitig machen. (Facebook sollte es zumindest für die Wettbewerbshüter vermutlich aber nicht sein). Aber ist Facebook auch im Commerce eine ernstzunehmende Plattform?

Auf den ersten Blick ja, denn Händler und Marken können nun eigene Sortimente einstellen, direkt oder über Schnittstellen und – zumindest in den USA – auch den Checkout auf Facebook oder Instagram genießen. Die Kosten sind mit 5% vom Brutto-Verkaufspreis sehr gering und damit eine attraktive Alternative zu den 15-20%, die z.B. deutsche Plattformen derzeit für die gängigsten Sortimente aufrufen.
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Als Zielgruppe hat Zuckerberg, wie es sich in der Covid-19-Krise gehört, den stationären Händler im Blick, der nun mit Hilfe der gigantischen Reichweite des Facebook-Netzwerkes seine Verluste abmildern kann. Dies ist zwar löblich, ist aber auch nur für die Händler relevant, die in der Lage sind, ihre Produkte via Feed und Content einzustellen und auch den gesamten Verkaufsprozess zu organisieren. Damit hilft Facebook einem Händler sicher, mehr Reichweite als „nur“ via Amazon oder ebay zu generieren, löst aber natürlich nicht das strukturelle Problem des Einzelhandels, was u.a. ja in der Abwesenheit der o.g. Kompetenzen (Content, Logistik, Prozesse, Management …) liegt. Dies mag in Amerika anders sein, hier in Deutschland hingegen evident.

Dennoch kann Facebook Shopping für Marken sinnhaft sein, weil es einen anderen Zugang zu Ware ermöglicht, als es Amazon oder ebay können, die über riesige Kataloge und Suchfunktionen ihre Waren an den Kunden bringen, der sich intensiv mit dem Thema Shopping beschäftigt. Der Zugang und Anlass des Interesses ist via Social Media Networks ein gänzlich anderer und ermöglicht es insbesondere Marken, ihre Zielgruppe anders und gezielter anzusprechen, als recht fantasielos Anzeigen bei Amazon zu schalten.
Die Vor- und Nachteile des Kaufes in sozialen Medien hat Olaf Kolbrück vor einem Jahr hier bereits beschrieben. Betrachtet man Facebook-Shopping aus Sicht der Evolution des Plattform-Geschäftes, so muss man in der Tat sagen, dass soziale Medien als Über-Plattform ein konsequentes Weiterdenken der Vorteile von Commerce-Plattformen sind – immerhin verfügen sie in der Regel über mehr Reichweite als reine Commerce-Plattformen und haben bereits ein etabliertes Werbemodell in der Hinterhand, was ohnehin Kern der Monetarisierung ist (Deshalb integrieren auch derzeit alle großen Commerce-Plattformen Retail-Media-Angebote).

Auch Zuckerberg gibt dies unumwunden zu: Mit Facebook Shops soll der Werbe-Dollar rentabler eingesetzt werden können und damit in größerer Fülle zu Facebook fließen. Denn Commerce auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder Pinterest holt Kunden auf einer anderen Ebene ab. Kunden sind hier eher inspirativ als bedarfsdeckend unterwegs und damit auf einer Ebene, auf der Werbung tendenziell besser funktioniert. Deshalb werben auch große Plattformen auf Facebook, die wiederum aber nur selten auf OTTO, Zalando und Co.

Instagram verändert mehr und mehr unsere Shopping-Gewohnheiten.
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Social Commerce

Wie die Bildsprache von Instagram Webshops verändert


Inwiefern aber das Potenzial durch das Feature auch konkret ausgeschöpft werden kann, ist offen. Die Akzeptanz des Checkouts und damit des Bezahlens, das Vertrauen in den Kaufprozess und die Anbieter sowie die Exzellenz in der Exekution zum Kunden werden hier entscheidend sein. Wenn man sieht, wie schwer sich selbst Amazon inzwischen damit tut, die Qualität der Seller zu prüfen und hochzuhalten – und damit auch die Warenqualität –, der ahnt, was auf Facebook zukommen kann.
Sofern der Ansatz vor allem darin besteht, das Werbemodell zu befeuern, so lässt sich zumindest befürchten, dass diese Konsequenzen nicht ganz zu Ende gedacht sind. Immerhin dürfte Facebook daran gelegen sein, nicht in den Ruf von Wish zu geraten, die – vorsichtig formuliert – eher kritisch gesehen werden, was die Händler und deren Produkte angeht.

Daher wird sich der Erfolg des konkreten neuen Konzeptes noch beweisen müssen. Skepsis ist angebracht, da es sich um einen Köder für besser konvertierende Werbung handelt. Eine echte Konkurrenz, ein Angriff auf Amazon und Co. ist hingegen erst einmal nicht zu befürchten oder zu erhoffen. Dafür sind die Kaufanlässe der beiden Plattform-Arten zu unterschiedlich und das Kaufverhalten auf Amazon oder OTTO zu etabliert. Inwieweit sich Shopping in Social-Media-Plattformen in der westlichen Welt durchsetzen wird, ist spannend zu sehen. Versuche gibt es immerhin – und bisher eher erfolglos – seit über zehn Jahren.