Im Streit um Kreditkartenentgelte droht Mastercard eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof und Schadensersatz in Millionenhöhe. Zudem steigt der politische Druck auf das derzeitige Gebührenmodell.

Die Kreditkartenorganisation Mastercard wird die juristische Auseinandersetzung mit der EU-Kommission über die Zulässigkeit ihres Gebührenmodells aller Voraussicht nach verlieren.

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat dem Gericht am heutigen Donnerstag die Zurückweisung einer Rechtsbeschwerde der Kartenorganisation gegen das erstinstanzliche Urteil empfohlen.

In aller Regel folgen die Richter dem ausführlich begründeten Vorschlag des unabhängigen Generalanwalts. Ein endgültiges, letztinstanzliches Urteil wird in zwei bis drei Monaten erwartet.

Sollte der EuGH das Urteil der Vorinstanz bestätigen, drohen Mastercard Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe. Eine Reihe von großen europäischen Kreditkartenakzeptanten wie die Inditex-Gruppe, Metro, Sainsbury's, Hertz und die Deutsche Bahn haben bereits 2012 eine entsprechende Klage bei einem Londoner Gericht eingelegt. Die Verfahren wurden bis zum Ausgang des EuGH-Prozesses auf Eis gelegt. Gegenstand der Klage sind die Interchange-Gebühren der Jahre 1992 bis 2007.

Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe möglich

Über die Höhe der Regressforderungen kann man nur spekulieren, da die betroffenen Unternehmen hierzu keine Angaben machen. Laut dem Beratungsunternehmen Paysys haben Mastercard und Visa im Jahr 2011 allein in Deutschland ein Volumen von insgesamt 625 Millionen Euro an Interchange-Gebühren vereinnahmt.

Rita Wezenbeek-Geuke, Leiterin der Unit Payment Systems in der Wettbewerbsdirektion der EU-Kommission, sprach Ende Januar auf dem "Kartenforum 2014" in Frankfurt am Main von 13 Milliarden Euro, die europäische Händler jährlich an Kartengebühren entrichten. Davon entfielen rund 70 Prozent (9 Milliarden Euro) auf die umstrittenen Interbankenentgelte.

Nach Ansicht der EU-Kommission ist das System der Interbankenentgelte in den so genannten Vier-Parteien-Systeme (Kunde-Kundenbank-Händler-Händlerbank) von Mastercard und Visa wettbewerbswidrig. "Die Interchange-Gebühren sind der Bestandteil des Disagio, den Händler nicht verhandeln können, weil sie einseitig von den Banken festgeschrieben werden", kritisierte Wezenbeek-Geuke in Frankfurt. Durch diesen unverhandelbaren Bodensatz an Kartengebühren erhöhe sich letztlich das Preisniveau für die Verbraucher in Europa, so die bekannte Argumentation der Kommission.

Verabschiedung der Interchange-Verordnung bis Ende 2014

Aufgrund der wachsenden Bedeutung der elektronischen Zahlungen in der EU und im E-Commerce sowie der Bemühungen einzelner nationaler Wettbewerbsbehörden um eine Regulierung der Gebühren-Problematik habe die Kommission im vergangenen Jahr eine gesetzliche Regulierung der Interchange-Sätze vorgeschlagen, erläuterte die Kommissionsvertreterin auf der Fachveranstaltung von Atos Worldline und B+S Card Service in Frankfurt.

Laut Wezenbeek-Geuke könnte die Regulierungsverordnung, die Interchange-Sätze von 0,3 Prozent für Kreditkarten und 0,2 Prozent für Debitkarten vorsieht, noch bis Ende 2014 von den europäischen Gremien verabschiedet werden und damit ab 2015 greifen - "in einem idealen Szenario".

Nach den derzeitigen Planungen wird das Europäische Parlament am 12. und 13. Februar über die Verordnung debattieren, am 20. Februar soll dann der ECON-Ausschuss des Parlaments einen Beschluss fassen, über den das Parlament am 3. April beschließen kann. Auf Basis dieses Zeitplans könne im Trialog-Verfahren (Rat, Kommission, Parlament) noch im Herbst 2014 der Weg für die Regulierung frei gemacht werden, so die europäische Wettbewerbshüterin.

Offene Punkte in der Diskussion um die Verordnung

Diskutiert werde in den parlamentarischen Gremien derzeit insbesondere noch die Höhe der vorgeschlagenen Interchange-Sätze, die Notwendigkeit und Dauer einer Übergangszeit für nationale Märkte, die so genannte "Honour all cards rule" und die Frage, wer über das anzuwendende Kartenverfahren entscheiden dürfe, falls aufgrund von Co-Brandings mehrere so genannte Schemes zur Auswahl stehen - wie etwa bei einer Girocard mit Maestro- oder V-Pay-Funktion.

Insgesamt wurde bislang 300 Anmerkungen zum Entwurf der EU-Kommission eingereicht, berichtete Wezenbeek-Geuke. Für die Übergangszeit von 24 Monaten, in denen die neuen Gebühren nur für grenzüberschreitende Zahlungen gelten soll, spricht nach ihrer Ansicht, dass dieses Niveau von Mastercard und Visa bereits seit Jahren bei grenzüberschreitenden Crossborder-Transaktionen  akzeptiert wird. Dagegen spräche allerdings, die zu befürchtenden Marktverwerfungen bei den Acquirern. In einigen der aufgeführten Diskussionspunkte weicht auch der erste Entwurf des Berichterstatters des Europäischen Parlaments Pablo Zalba Bidegain vom
Foto: Deutsche Card Service
Foto: Deutsche Card Service
ab.

Auf den Einwand eines Bankers, die vorgeschlagenen Gebühren würden die Kosten der Kartenherausgeber nicht decken, entgegnete die streitbare Kommissionsvertreterin, dass die angedachten 0,2 und 0,3 Prozent keine "magic numbers" seien. "Wer höhere Kosten hat, muss diese an seinen Kunden weitergeben", so Wezenbeek-Geuke. In den USA sei es zwar nicht gelungen, die Kosten an die Kunden weiterzugeben, aber es gebe nun mehr Transparenz und Wettbewerb im Kartenmarkt.

Hanno Bender


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