Stephan Erlenkämper, Mayersche Buchhandlung
Stephan Erlenkämper, Mayersche Buchhandlung
Die Koexistenz von Kohlenstoffwelt und Onlinewelt vorantreiben und dabei mit den Branchen-Giganten des E-Commerce mithalten, das ist eine gewaltige Aufgabe für stationäre Händler. Kaum einer scheint dabei so auf verlorenem Posten zu stehen wie die Buchhandelsketten im Wettbewerb mit Amazon.
Doch je mehr die sich dem digitalen Wandel öffnen, desto eher können sie Amazon Paroli bieten. 
Erst recht, wenn es ihnen gelingt, den Mitarbeiter zur Omnichannel-Schnittstelle zu machen.
Der Mayerschen Buchhandlung gelingt das. Denn dort wächst zusammen, was zusammen gehört.
Wie? Das erklärt Stephan Erlenkämper, Mitglied der Geschäftsleitung der Mayerschen Buchhandlung und verantwortlich für die Ressorts IT, Technik und Organisation, in einem Gastbeitrag für etailment.

Ob Jacob Anton Mayer wohl geahnt hat, welche Entwicklung sein Unternehmen einmal nehmen würde, als er im Jahre 1817 in Aachen die Mayersche Buchhandlung gründete? Wohl kaum: Sicher, das Kerngeschäft unseres bis heute familiengeführten Unternehmens ist auch knapp 200 Jahre später der stationäre Handel mit Büchern. Allerdings ist die Mayersche schon lange keine kleine Buchhandlung mehr, sondern hat sich mit inzwischen 40 Standorten im Westen Deutschlands zu einer bekannten Marke entwickelt. Darüber hinaus hat die Digitalisierung den Buchmarkt und somit auch das Geschäftsmodell der Mayerschen von Grund auf verändert. Doch der Reihe nach.

Von der Bleizeit zu Bleifuß-Tabula Rasa

Rückblickend bezeichnen wir das halbe Jahrtausend nach der Erfindung des Buchdrucks in unserer Branche gerne als Bleizeit. Dafür verantwortlich ist natürlich das von Johannes Gutenberg erfundene maschinenbetriebene Drucksystem mit beweglichen metallenen Lettern. Bleizeit – mit einem Augenzwinkern – aber auch, weil sich im Buchhandel erst einmal nichts mehr Grundsätzliches veränderte, bis ihn der Computersatz Mitte der 1980er Jahre erstmals komplett revolutionierte.

Seitdem ist unsere Branche nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die Digitalisierung hat uns gleich doppelt getroffen. Denn in der Buchbranche wurde nicht nur der Vertriebskanal digitalisiert und brachte sogleich starke Konkurrenz in Form von Amazon und Co. mit sich. Kaum hatten wir uns auf den Wettbewerb aus dem Internet eingestellt, wurde auch noch das Buch selbst digitalisiert und findet seitdem auf eBook-Readern und Tablets immer mehr Leser. Eine vergleichbare Entwicklung kennt bestenfalls die Musikindustrie.

Von jetzt auf gleich stand die gesamte Buchbranche vor ein und derselben Frage: Wie können wir auf das veränderte Konsumverhalten unserer Kunden reagieren und ihnen - gegenüber der bequemen Buchbestellung aus dem Netz - einen einzigartigen Mehrwert bieten?             

Verändertes Konsumverhalten fordert strategische Neuausrichtung

Ein wichtiger Grund in eine Buchhandlung zu gehen, ist die Fachkundigkeit der Mitarbeiter. Gleichzeitig muss der Buchhändler es schaffen, Lesen in seinem Geschäft zum Erlebnis zu machen. Genau das haben wir getan: angefangen mit einem eigenen Café über Lesungen beliebter Autoren bis hin zu organisierten Busfahrten zur Frankfurter Buchmesse, W-Lan, Multitouch-Kiosksystemen und einem Klavier, an dem Kunden ihr Können unter Beweis stellen. Vom Logo über die Architektur unserer Filialen bis hin zu bequemen Leseecken und unseren Mitarbeitern: Die Mayersche ist freundlich, fröhlich und farbenfroh – unsere Geschäfte sind Orte, an denen man nicht nur einkauft, sondern darüber hinaus gerne verweilt.

"Wollen wir uns im Wettbewerb differenzieren, müssen wir Onlineshop und Filialwelt nahtlos miteinander verknüpfen"


Kompetente Mitarbeiter und ein inspirierendes Ambiente allein reichen jedoch nicht aus. Heute wie vor 200 Jahren zeichnet sich ein guter Buchhändler aus, indem er seine Kunden auf ihrer Reise durch die Welt der Literatur begleitet und ihnen den Weg weist. Auf das veränderte Konsumverhalten unserer Leser haben wir deswegen vor drei Jahren mit einer strategischen Neuausrichtung reagiert und die bis dahin getrennt voneinander existierenden Kanäle Onlinehandel und stationärer Handel zusammengeführt. Für uns stand fest: Wollen wir uns im Wettbewerb differenzieren, müssen wir Onlineshop und Filialwelt nahtlos miteinander verknüpfen.

Da ein solcher Prozess niemals vollständig abgeschlossen ist, war Flexibilität ein entscheidendes Kriterium auf der Suche nach der passenden E-Commerce-Lösung. Auch nach ihrer Einführung musste es möglich sein jederzeit neue Ideen umzusetzen und optimal auf die Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen. Darüber hinaus musste die Lösung in der Lage sein, 7,5 Millionen Artikel zu handhaben und Zukunftssicherheit  bieten. Nach einer ausführlichen Marktevaluation entschieden wir uns schließlich für die OXID eShop Enterprise Edition, da das Shopsystem alle genannten Kriterien erfüllte und nach wie vor erfüllt.

Im stationären Geschäft schlägt ein E-Commerce-Herz

Inzwischen hat das E-Commerce-System bei uns die Vorreiterstellung übernommen. Das hat zwei Gründe. Zum einen können wir den Einkaufsprozess unserer Kunden durch ein kombiniertes Offline-/Onlineangebot von Anfang bis Ende und über verschiedene Berührungspunkte hinweg begleiten.

Im Internet etwa präsentieren wir uns als authentischer Branchenspezialist, indem wir unseren Onlineshop nicht nur als Vertriebsplattform nutzen. Stattdessen bieten wir unseren Kunden beispielsweise die Möglichkeit, sich Videos mit Buchtrailern anzusehen. Ein großer Erfolg ist zudem unsere Online-Community (www.wasliestdu.de), auf der sich Kunden über Bücher austauschen und Rezensionen schreiben.

"Click & Collect ist ein Beispiel dafür, wie sich die Kanäle online und offline gegenseitig befruchten"


Durch die zentrale Rolle des OXID eShop sind wir heute außerdem in der Lage, wesentlich mehr Wertschöpfungskette abzubilden als früher. So haben wir inzwischen unter anderem einen eigenen eBook-Reader, der mit unserem E-Commerce-System verbunden ist und Kunden eine einfache Bestellung mit nur einem einzigen Klick ermöglicht. Fährt eine Kundin beispielsweise nach einer Lesung nach Hause, kann sie sich in der Straßenbahn schnell das gerade vorgestellte Buch herunter laden. Insbesondere beim Reader kommt übrigens unsere Kompetenz als persönlicher Berater in stationären Geschäften zum Tragen. Denn auf Wunsch richten unsere Mitarbeiter ihn für Kunden im Geschäft ein und erklären seine Funktionen – ein gern genutzter Service, da Reader aufgrund der verstellbaren Schriftgröße auch bei älteren Kunden mit wenig Technik-Know-how ausgesprochen beliebt sind.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die Kanäle online und offline gegenseitig befruchten, ist Click & Collect: Kunden bestellen bequem von zuhause und holen das Buch anschließend in einer Filiale ihrer Wahl direkt ab. Selbstverständlich können sie sich auch ein in der Filiale nicht vorhandenes Buch bestellen und direkt nach Hause liefern lassen.

Die Verzahnung der Kanäle geht weiter

Besondere Freude bereitet uns übrigens unsere App für iOS- und Android-Geräte, die seit Ende letzten Jahres im Einsatz ist und bereits rund 15.000 Mal herunter geladen wurde. Die App verfügt über eine Scannfunktion: Erfassen Kunden ein Buchcover mit ihrer Kamera, wird der Titel erkannt und im Onlineshop angezeigt. Dabei ist es egal, ob das Buch beispielsweise in einer Universitätsbibliothek physisch vorliegt oder das Cover auf einem Werbeplakat oder in unserem Katalog lediglich abgedruckt ist. Insbesondere unser Katalog ist so zu einer eigenen Verkaufsplattform geworden, denn mit nur wenigen Klicks ist das gewünschte Buch nun bequem auf dem Sofa liegend und in Sekundenschnelle bestellt. Zudem können Kunden die App nutzen, um Bewertungen und Rezensionen der gescannten Bücher aus unserer Online-Community „Was liest du?“ aufzurufen.

"Durch die enge Verzahnung von E-Commerce und stationärem Handel können wir nicht nur E-Commerce-Technologie im Laden verwenden, wir können nun auch online unsere Offline-Kompetenzen abbilden"


Doch damit nicht genug: Inzwischen erkennt die App sogar Schilder in unseren Geschäften. Läuft ein Kunde beispielsweise am Schild „Spiegel-Bestseller“  oder „Neuheiten“ vorbei, kann er diese scannen und bekommt sofort die entsprechende Liste angezeigt. Zudem haben wir die Scanfunktion unserer App bereits genutzt, um Ostereiersuchen in unseren Geschäften zu veranstalten oder unsere Kunden in der Weihnachtszeit Adventstürchen öffnen zu lassen.

Derzeit sind wir gerade dabei, die Fotos unserer Mitarbeiter zu digitalisieren. Scannt ein Kunde diese Fotos, kann er sich künftig die persönlichen Empfehlungen des jeweiligen Mitarbeiters anzeigen lassen. So schaffen wir es unsere Kunden sofort zu beraten, selbst wenn gerade sämtliche Mitarbeiter beschäftigt sind. Auch außerhalb unserer Öffnungszeiten können Kunden jederzeit die Beratung ihres Lieblingsbuchhändlers in Anspruch nehmen, etwa wenn sie auf einem abendlichen Spaziergang durch die Stadt an unserem Schaufenster vorbei kommen. Alles was sie tun müssen, ist das Foto des Mitarbeiters im Schaufenster zu scannen – schon haben sie seine aktuellen Empfehlungen. Dieses Beispiel zeigt: Durch die enge Verzahnung von E-Commerce und stationärem Handel können wir nicht nur E-Commerce-Technologie im Laden verwenden, wir können nun auch online unsere Offline-Kompetenzen abbilden. Mit OXID eShop als zentralem System, das alle Anbindungen unterstützt, bieten wir unseren Kunden ein gesamtes Ökosystem, an das sie sich jederzeit andocken können. Ob stationär, digital oder stationär und digital – unsere Kunden haben die Wahl.

Apropos Kunden: Unser nächstes großes Projekt ist die Entwicklung eines eigenen Empfehlungsalgorithmus. Im Gegensatz zu den üblichen Wenn-dann-Empfehlungen (Kunde A hat Buch X und Y gekauft, kauft Kunde B Buch X bekommt er ebenfalls Buch Y empfohlen), soll dieser Algorithmus den Lesegeschmack der Mitglieder unserer Online-Community berücksichtigen und auf ihren Bewertungen und Empfehlungen aufbauen. Schon bald sind es also nicht länger nur unsere Mitarbeiter, die analog und digital Empfehlungen geben. Kunden bekommen stattdessen Empfehlungen, die auf dem gesammelten Wissen unserer Online-Community basieren. In Zukunft beraten also nicht nur unsere Mitarbeiter unsere Kunden. Auch Kunden werden zu Beratern. Bei der Mayerschen sind wir uns einig: Egal ob Jacob Anton Mayer sein Unternehmen heute noch auf den ersten Blick als das seine erkennen würde oder nicht - an dieser Vorstellung hätte er mit Sicherheit Gefallen gefunden.

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