Die Kanzlerin stellt im NRW-Wahlkampf Schlecker öffentlich an den Pranger. Dabei sind die Probleme mit Dumpinglöhnen nicht auf einzelne Unternehmen oder Branchen beschränkt.  

Es kommt nicht oft vor, dass die Kanzlerin ein deutsches Unternehmen an den Pranger stellt. Für die Drogeriemarktkette Schlecker machte Angela Merkel jedoch eine Ausnahme.

Beim Landesparteitag der NRW-CDU am Wochenende holte sie tief  Luft und betonte, sie werde nicht tatenlos zusehen, dass Firmen wie Schlecker "die Möglichkeiten der Leiharbeit derart missbrauchen, dass sie einfach die Leute entlassen, in andere Unternehmen umgruppieren und sie mit der Hälfte des Gehalts wieder einstellen", sagte Merkel.

Drohung gegen Dumpinglöhne

Die Drohung gegen Dumpinglöhne zeigt, dass die Bundesregierung zwar eine Ausweitung befristeter Jobs begrüßt, um einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu vermeiden - Missbrauch soll aber bald rigoroser geahndet werden.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert von der Zeitarbeitsbranche nach Wochen des Abwartens nun ultimativ Vorschläge, um solche Drehtürverfahren - erst entlassen, dann als Leiharbeiter wieder einstellen - zu unterbinden. Sie rechne da nicht in Monaten, droht sie via "Spiegel". Schlupflöcher könnten sonst per Gesetz geschlossen werden.

Mindestlohn kein Tabu mehr

Auch ein Mindestlohn für die Branche ist kein Tabu mehr. Denn von der Leyen betont: "Es kann nicht sein, dass Leiharbeiter dauerhaft schlechter entlohnt werden, als fest angestellte Arbeiter, die im selben Betrieb die gleiche Arbeit machen." Eine Arbeitsgruppe lotet derzeit aus, wie Leiharbeit-Missbrauch vermieden werden kann.

Im Januar warf die Gewerkschaft Verdi Schlecker vor, fest angestellte Mitarbeiter in neue Verträge mit weit schlechteren Arbeits- und Einkommensbedingungen zu zwingen. Dies erfolgte über die Zeitarbeitsfirma Meniar ("Menschen in Arbeit"), die laut Verdi einen Stundenlohn von nur 6,78 Euro zahle.

Im Schnitt liege der Tariflohn einer Verkäuferin aber bei 12,70 Euro - Schlecker kündigte nach der harschen Kritik an, keine neuen Verträge mit Meniar abzuschließen.

Unternehmen unter Druck

Schlecker ist kein Einzelfall. Viele Firmen stehen wegen der Wirtschaftskrise und des zurückhaltenden Konsums unter Druck und müssen an der Kostenschraube drehen. Von der Leyen betont, dass die Politik kein Lohndiktat ausüben will.

"Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich einig sind, dass sie in ihrer Branche einen Mindestlohn benötigen, sollte die Politik sie unterstützen", sagt die Ministerin, die einräumt, dass der Koalitionspartner FDP selbst tarifliche Mindestlöhne skeptisch sieht. SPD und Gewerkschaften fordern mittlerweile eine gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro.

Trend zum befristeten Job

Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist gerade massiven Umwälzungen unterworfen. Dass derzeit trotz Konjunkturkrise "nur" 3,64 Millionen Menschen arbeitslos sind, hängt auch mit Lohnzurückhaltung und Flexibilität zusammen. Jeder zweite Berufseinsteiger wird nur noch befristet eingestellt. Ortswechsel, an der Psyche nagende Unsicherheit und Fernbeziehungen sind für viele junge Arbeitnehmer heute der Preis für einen Job.

Wenn diese Krise womöglich einen L-Verlauf nimmt, also starker Absturz mit anschließender jahrelanger Stagnation, droht dieses Unsicherheitsgefühl zum Dauerzustand zu werden, warnen Ökonomen. Schon während der Wirtschaftsflaute zwischen 2002 und 2006 mit hoher Arbeitslosigkeit stieg die Zahl der befristeten Arbeitsverträge stark an - nämlich von 35 auf 43 Prozent. Zeitarbeiter sind von Krisen besonders betroffen.

Doch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise warnt mit Blick auf immer mehr Zeitverträge : "Wenn dies zum Standard wird, ist das für die Entwicklung unserer Gesellschaft verheerend."