Jürgen Schulte-Laggenbeck, im Vorstand der Otto Group zuständig für Finanzen und IT, über die Zusammenarbeit mit SAP, die Zukunft von Quelle.de und die Potenziale des iPads.

Sie stellen die IT in der Otto Group auf SAP um. Wieso haben Sie sich für eine Standardsoftware entschieden?
Bislang hatten wir vor allem selbst entwickelte Systeme im Einsatz. Das lief auch lange Jahre gut, aber durch die immer neuen Anforderungen an die IT beispielsweise durch den Onlinehandel und mobile Einkaufsmöglichkeiten müssen wir verstärkt auf Schnelligkeit und Flexibilität setzen. Unsere eigenen Systeme waren eher monolithisch, nicht modular. Außerdem haben wir es beispielsweise im Bereich Service bei Hermes mit Kunden zu tun, für die wir Dienstleistungen erbringen. Deshalb muss unsere IT nicht nur leistungsfähig, sondern auch kompatibel mit den Systemen unserer Mandanten sein.

Haben Sie zumindest kurz auch mal über Open Source nachgedacht?
Nein, das haben wir nicht wirklich überlegt. Ich persönlich habe nichts gegen Open Source, aber wir brauchen in der Gruppe eine garantierte Stabilität und waren in dieser Hinsicht nicht unbedingt von den offenen Systemen überzeugt.

Sich bei einer Software auf nur einen Anbieter zu verlassen hat durchaus Nachteile: Der Hersteller kann die Preise beispielsweise für Lizenzen, Service oder Support als Quasi-Monopolist festlegen. Haben Sie keine Angst vor einer zu großen Abhängigkeit?
Das ist immer ein potenzielles Risiko. Doch man muss das Thema IT grundsätzlich als strategische Notwendigkeit sehen und die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen. Wir haben daher versucht, einer allzu großen Abhängigkeit entgegenzusteuern. Innerhalb des Hauses haben wir zum Beispiel eigene SAP-Spezialisten, und auch bei der Vertragsgestaltung haben wir vorgesorgt.

Wann immer es um neue Technologien im Onlinehandel oder neuerdings rund um das mobile Einkaufen geht, ist die Otto Group ganz vorne. Wie schaffen Sie das?
Zuallererst haben wir hervorragende Mitarbeiter, die auch richtig motiviert sind. Das sage ich nicht einfach dahin, sondern das prägt unsere Firmenkultur und gilt für das ganze Haus. Das richtige Klima ist für Neuerungen und Ideen unerlässlich. Bei Otto soll und kann man neugierig sein, experimentieren und Spaß haben.

Manchmal ist Otto bei neuen Anwendungen sogar so früh, dass Sie bisweilen belächelt werden, auf ein "totes Pferd" gesetzt zu haben. Mobile Shopping, auf das sich nun auch alle anderen Händler stürzen, ist ein Beispiel. Wieso können Sie sich einen so langen Atem leisten, selbst wenn Sie längere Zeit keine sichtbaren Erfolge verbuchen?
Die Otto Group ist nicht börsennotiert und somit nicht vom Kapitalmarkt getrieben. Wir können in Ruhe unsere Stärken ausbauen. Und eine unserer Stärken ist es, technische und gesellschaftliche Trends zu beobachten, früh auszuprobieren, wenn wir von ihnen überzeugt sind, und somit technisch oft ganz vorne zu sein. Wenn sich dann zum Beispiel Mobile Shopping durchzusetzen beginnt, haben wir schon unsere Erfahrungen gesammelt und können durchstarten.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie nicht trotzdem einmal auf das falsche Pferd setzen?
Natürlich hat jede neue Technologie gleichermaßen Chancen wie Risiken. Wir machen aber nicht alles alleine, sondern stehen mit Internetgrößen wie Apple, HP, SAP oder Google in sehr gutem Kontakt. Mit ihnen diskutieren wir gemeinsam, wie sich die Technik und das Verhalten der Kunden grundsätzlich weiterentwickeln werden. Schon für unseren früheren Vorstandsvorsitzenden und jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Michael Otto war es das vorrangige Geschäftsprinzip, nicht nur am Schreibtisch zu sitzen, sondern sich stets auch außerhalb Anregungen zu holen. Nur so kann man heute schon den Trend von morgen erkennen. Deshalb fahren beispielsweise auch die Vorstandsmitglieder regelmäßig nach Amerika, um sich die kommenden Ideen rund um Technologie und das Einkaufen von morgen anzuschauen.

Sie haben Ende 2008 die Start-up-Finanzierungstochter E-Venture Capital Partners gegründet. Wie macht sie sich denn?
Wir sind sehr zufrieden. Wir liegen im Plan, pro Jahr etwa sechs bis zehn Beteiligungen einzugehen, sodass nach fünf Jahren rund 40 neue Firmen entstehen könnten. Da ist es gut, eine kleine, wendige Tochter zu haben, die sich in der Szene der Jungunternehmer, Eliteuniversitäten und Kapitalgeber auskennt. Von den Ideen und den Konzepten für den elektronischen Verkauf von Waren profitiert letztlich auch wieder die ganze Gruppe.

Quelle.de gehört nach der Insolvenz nun auch zur Otto Group. Was haben Sie damit noch vor?
Wir werden aus Quelle.de einen Internetmarktplatz mit den Schwerpunkten Technik und Living machen. Und zwar als Onlineplattform, die auch Händlern und Marken innerhalb und außerhalb der Otto Group offen steht. Außerdem werden dort auch Großelektrogeräte der Marke Privileg angeboten, die wir im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit Whirlpool verkaufen. Näheres zu dem Konzept geben wir im Herbst bekannt.

Der gedruckte Katalog ist noch lange nicht überflüssig, sagen im Prinzip alle Versandhändler. Im Internet ist es allerdings bislang eher mühsam, in Katalogen zu blättern. Sie bieten nach der Markteinführung des iPad von Apple den "Otto Home Affaire Katalog" als App an. Was macht den Katalog nun auch online interessant?
Das iPad war genau das Gerät, das für den komfortablen mobilen Einkauf noch gefehlt hat. Handys haben einen zu kleinen Bildschirm und Laptops kleben an Maus und Tastatur. Durch den berührungsempfindlichen Touchscreen und die einfache, intuitive Bedienung des iPad wird die Dramaturgie des elektronischen Katalogs eine völlig neue Dimension bekommen. Jetzt macht es endlich allen Spaß, von unterwegs einzukaufen.

Interview: Sybille Wilhelm

Zur Person
Der Diplom-Wirtschaftsingenieur Jürgen Schulte-Laggenbeck kam 2005 als Nachfolger des für die Finanzen verantwortlichen Vorstands Dr. Michael E. Crüsemann zur Otto Group. Davor war der Finanz- und Handelsexperte seit 1997 bei der OBI AG, Wermelskirchen, tätig, zuletzt als Vorstand für Finanzen, IT und Logistik. Seine berufliche Karriere startete der Handelsmanager bei dem Beratungsunternehmen McKinsey & Company in Düsseldorf.

Dieses Interview ist in der Juli/August-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen. Hier geht es zum kostenlosen Probeheft.