Etablierte Player und Newcomer liefern sich ein Wettrennen um Zahlungs­lösungen für das Smartphone. Die Anforderungen im Handelsalltag werden dabei oft vergessen - doch das könnte sich nun ändern.

Auch für professionelle Beobachter ist es mittlerweile schwierig, einen Überblick zu behalten: Nahezu im wöchentlichen Rhythmus steigt die Anzahl von Unternehmen, Kooperationen und Konzepten, die Zahlungslösungen für das Smartphone etablieren wollen. Bei dem Wettstreit der Ideen geht es um Milliardenumsätze und den direkten Draht zum Kunden.

Die Kreditkartenorganisation Mastercard verfolgt nach eigenen Angaben weltweit 30 Projekte zwischen Pilotstadium und Praxisbetrieb für "Mobile Payment"-Anwendungen. Wettbewerber Visa Europe nennt ebenfalls 30 Projekte, der Online-Zahlungsdienst PayPal kommt auf elf - von Home Depot in den USA über Automaten in Schweden, Pizzabäcker in Großbritannien und Schnellrestaurants in Frankreich bis hin zum mStore in Berlin.

Die Mobilfunkunternehmen Deutsche Telekom, Vodafone und Télefonica (O2) verfolgen gemeinsam mehr oder weniger lustlos das Projekt mpass und kochen nebenbei jeweils fleißig eigene Süppchen mit anderen Partnern - Vodafone kooperiert weltweit mit Visa, die Deutsche Telekom will mit ClickandBuy mobil ganz groß durchstarten, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Ein Wörtchen mitreden, wenn der Kuchen verteilt wird

Selbst die Sparkassen treten an, um die erhoffte "Zukunft des Zahlens" nicht zu verpassen. Nach Informationen von Der Handel wird die S-Finanzgruppe alsbald eine Kooperation mit einem Smart­phone-Hersteller verkünden. Und freilich wollen auch die beiden ganz großen Spieler Google und Apple mehr als ein Wörtchen mitreden, wenn es um sogenante "disruptive "Technologien geht.

Der Einzelhandel betrachtet das Treiben mit gespannter Gelassenheit: "Solange der Kunde an der Kasse nicht sagt: 'ich gehe zur Konkurrenz, wenn Ihr das nicht akzeptiert‘, sehen wir keinen Handlungsbedarf", kommentiert der Topmanager eines großen deutschen Lebensmittelhändlers, der nicht namentlich zitiert werden möchte.

"Viele der bislang bekannten Lösungsansätze sind unausgegoren und berücksichtigen weder die Realität an den Kassen noch die Komplexität der IT-Integration - von den Kostenstrukturen im Zahlungsverkehr ganz zu schweigen", sagt er. 

Um Volumen auf die IT-Systeme zu bringen und Skaleneffekte zu realisieren, muss ein Zahlungsverfahren, das nicht in einer Nische verbleiben will, im Lebensmittelhandel Fuß fassen.

"Wir wollen in allen Branchen präsent sein", sagt Arnulf Keese, Chef von PayPal Deutschland im Interview mit Der Handel. "Ein Zahlungsmittel, das der Verbraucher nur für bestimmte Zwecke einsetzen kann, wird nie den Weg in die Breite schaffen."

Harte Konkurrenz durch Bargeld und Karte

Im Lebensmittelhandel aber sind die Margen dünn, der Platz an der Kasse begrenzt, die Zeit knapp und die Konkurrenz hart.

Bargeldhandling kostet Edeka nach eigenen Angaben 0,14 Prozent vom Umsatz, für Kartenzahlungen mit der girocard (EC-Karte) fallen 0,47 Prozent an - da ist wenig Spielraum für zusätzliche Stationen in der Wertschöpfungskette wie Mobilfunkunternehmen oder Kreditkartengesellschaften.

Und auch Zeit ist an der Kasse Geld. Rund 34 Sekunden dauert der durchschnittliche Bezahlvorgang im Supermarkt, zehn zusätzliche Sekunden bedeuten für einen bundesweit vertretenen Filialisten Hunderte zusätzliche Kassenplätze.

Sind Zeit- und Kostenthemen gelöst, hakt es bei vielen Lösungen noch an der Integration in die Kassensysteme des Handels, wenn das Verfahren nicht auf ein bestehendes Kredit- oder Debitkarteschema aufsetzt.

Der harte Alltag an der Supermarktkasse

"Es gibt zig interessante Smartphone-Applikationen, die alle tolle Zahlungslösungen etablieren wollen", sagt Peter Reich, Geschäftsführer von POS-Partner. "Wenn man die Anbieter aber zum Beispiel fragt, wie sie die tagesaktuell für eine bestimmte Filiale gültige Price-Look-up-Datei berücksichtigen, dann machen die große Augen."

Das Team von POS-Partner kennt den Schnittstellen-Dschungel zwischen Warenwirtschaft- und Kassensystemen im deutschen Einzelhandel. Kunden wie Rewe, Obi und die SB-Warenhäuser der Metro-Tochter real gehören zu den Kunden des IT-Dienstleisters aus Königswinter. Zusammen mit dem ehemaligen Karstadt-IT-Tochter Itellium haben die Kassenexperten eine QR-Code-Lösung für Kartenterminals entwickelt.

PayPal will diese Lösung für seine QR-Code-App nutzen, um Zahlungen per Smartphone an der Ladenkasse zu ermöglichen. "Eigentlich eine Steinzeittechnologie", räumt PayPal-Chef Keese im Gespräch mit Der Handel ein. Aber im Gegensatz zur NFC-Technologie sind die kryptisch wirkenden Zeichen bereits verfügbar und flexible nutzbar.

Dass PayPal auf Partner wie Itellium und POS-Partner setzt, zeigt jedenfalls, wie ernst die Amerikaner das Vorhaben verfolgen, den stationären Handel zu erobern.

Eine Lösung aus dem Handel für den Handel

Der neuste Aspirant im Wettlauf um mobile Zahlungslösungen kommt gar aus der Handelsbranche selbst: Die Otto Group will PayPal unter dem Namen „Yapital" Konkurrenz machen, wie das Wirtschaftsmagazin Der Handel im März exklusiv enthüllte.

Eine Zahlungslösung aus dem Handel für den Handel soll Yapital werden - online, stationär und mobil. Nach eigenen Angaben führten die Hamburger bereits Gespräche mit Edeka und Rewe über das Konzept.

Die Markteinführung ist für das kommende Jahr geplant. "Wir wollen uns ganz klar vom Wettbewerb abheben", erklärt Nils Winkler, Geschäftsführer von Yapital. "Es wird kein neuer Online-Zahlungsdienst oder eine Handy-Bezahl-Software, sondern ein übergreifendes Zahlungsmittel".

In den USA arbeiten die Handelsriesen Wal-Mart und Target laut einen Bericht des Wall-Street-Journals an einer branchenübergreifenden Zahlungslösung für Handys. Das Rennen um die Zukunft des Zahlens bleibt spannend.

Hanno Bender

Dieser Artikel erschien in der April-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel. Zum kostenfreien Probeexemplar geht es hier.

Update (13.4.): Mastercard, Aral (Deutsche BP) und die Landesbank Berlin (LBB) , einer der größten Kreditkartenissuer in Deutschland, haben das mobile Zahlen per iPhone nach Deutschland gebracht. Lesen Sie hier mehr dazu.