Ob die Kunden im Jahr 2020 66 oder 75 Prozent aller Online-Käufe mit einem mobilen Gerät erledigen, ist aus Sicht des Handels nicht entscheidend. Fest steht dagegen, dass das Smartphone aus dem Leben der Menschen nicht wegzudenken ist. Darum sollte der Handel mobile Geräte besser auf allen Kanälen in seine Strategien einbeziehen.
Im stationären Handel sind Smartphones Infozentrale und Kasse
Angenehm und bequem soll er sein, der Checkout an der Kasse. Aktuelle Konzepte rund um das Bezahlen im Laden wollen in erster Linie die Warteschlangen an der Kasse vermeiden. Unternehmen wie Hornbach, Saturn, Knauber und Edeka experimentieren mit unterschiedlichen Ansätzen, den Kunden zum Kassierer zu machen. Die Kamera im Smartphone übernimmt dann die Funktion der Scannereinheit an der Kasse. Das geht aus Kundensicht gefühlt schneller, als sich anstellen zu müssen. Für größeren Umsatz sorgen die Kunden beim Self-Scanning zwar nicht, aber behalten im Idealfall den Einkauf in guter Erinnerung und kommen somit gern in den Laden zurück.Umfragen zeigen nicht nur immer wieder, dass die Kunden ungern im Laden warten. Sie informieren sich auch gern über die Warenverfügbarkeit von Produkten, bevor sie sich auf den Weg in das Geschäft machen. Und damit kein anderer Kunde das Schnäppchen macht, ist eine Reservierungsoption vorteilhaft. Das kann auch geschäftsübergreifend funktionieren, wie die Shopping-App des Alstertaler Einkaufszentrums (AEZ) in Hamburg beweist.
Mobile Geräte für lokales Marketing oder Aufbau einer Community
Dem so genannten „Geofencing“ wird jährlich der große Durchbruch vorhergesagt. Und der Grundgedanke ist auch überzeugend. Kunden werden über ihr mobiles Gerät angesprochen, wenn sie sich in der Nähe eines Angebots befinden. So sollen die Kunden dann in Läden oder Restaurants gezogen werden. Aber so richtig ins Rollen kommen Geofending und Location Based Services (LBS) nicht.Es gibt einige Gründe dafür, warum das so ist. Der Händler muss entsprechende Sendevorrichtungen installieren und sich dann auch darum kümmern, dass es tatsächlich auch immer ein Angebot gibt. Die Kommunikation erfolgt in der Regel über die App des Händlers. Die müssen sich die Kunden aber auch erst einmal herunterladen und installieren.
Und dafür brauchen die Konsumenten auch gute Gründe. Die meisten Apps werden bereits nach wenigen Tagen wieder gelöscht, wenn ihre Funktionen nicht überzeugen. Dieses Problem beschäftigt inzwischen viele Agenturen und Berater, die sich auf die „App Retention“ spezialisiert haben. Schließlich müssen die Geräte auch noch für den Bluetooth-Empfang bereit sein. Und das sind viele Smartphones einfach aus Sicherheitsbedenken der Nutzer nicht.
Neben den rein technischen Voraussetzungen braucht es schließlich noch kreative Ideen, mit welchen Botschaften die Kunden denn adressiert werden sollen. Wie das gehen kann, zeigt beispielsweise Nike. Der Konzern sprach in Atlanta anlässlich des Superbowls die Nutzer seiner Snkrs-App mit besonderen Editionen und Angeboten via Geofencing an. Allerdings auch nur im Rahmen eines Pop-up-Stores.


Social Commerce als Strom von Inspirationen
Der nachhaltige Erfolg von Geofencing ist nach wie vor ungewiss, der des Social Shoppings dagegen nicht. In Instagram können sich die Kunden einen nie abreißenden Strom an Bildern ansehen, um sich inspirieren zu lassen. Kosmetika, Einrichtung und Mode sind die starken Kategorien dort. Und die Betreiber ergänzen ihre Apps mit immer weiteren Funktionen, die es Händlern und Markenherstellern erlauben, Produkte direkt aus einem Posting heraus zu verkaufen.Ganz auf die Kraft von Bewegtbildern setzt QVC mit seiner neuen App. Produkte werden dort in Form kurzer Videoclips vorgestellt. Gefällt dem Nutzer ein Produkt, tippt er auf das Video. So kann er direkt aus dem Film heraus weitere Informationen abrufen und auch das Produkt kaufen. Im Rahmen der Pressemitteilung für die neue App, hat das Unternehmen auch verraten, dass es die meisten Neukunden über seine digitalen Kanäle gewinnt. Und dass Einkäufe per Mobilgerät für den meisten Umsatz sorgen.
Augmented Reality wird sich weiter durchsetzen
Fraglich scheint, ob die Kunden jemals tatsächlich durch virtuelle Räume und Erlebniswelten spazieren werden, um dort einzukaufen. Virtual Reality ist teuer in der Produktion und von spezieller Hardware abhängig. Anders sieht das dagegen mit der erweiterten Realität (Augmented Reality) aus. Hier dürften sich immer mehr Anwendungsszenarien dauerhaft etablieren.
Besonders umtriebig zeigt sich hier der (Online-) Möbelhandel. Dank Augmented Reality probieren die Kunden ausgesuchte Stücke schon einmal in den eigenen vier Wänden aus. Ikea, Otto, Villeroy und Boch sind einige namhafte Unternehmen, die das Einrichten per App vorantreiben.
Ebenfalls sehr umtriebig sind Kosmetikhersteller und Händler. Mit der Kamera des Smartphones und hinterlegten Produktdaten probieren die Kundinnen Lipgloss und Make-up aus, ohne einen Laden betreten zu müssen. Das ist hygienischer und dank der Funktionen zum Teilen von Inhalten können dann auch gleich Freunde und Bekannte nach ihrer Meinung gefragt werden.
Mit Marktplätzen preiswert in den M-Commerce einsteigen
Softwareentwickler und Beratungsunternehmen betonen zwar gern und häufig, dass die Kunden immer häufiger per App einkaufen und diese auch im Zweifel jeder für Mobilgeräte optimierten Website vorziehen. Worüber dann aber nicht weiter berichtet wird, ist die Verteilung der Einkäufe über die angebotenen Apps. An den Apps der großen Händler vorbeizuziehen, ist für Newcomer kaum zu bewältigen. Händler, die sich entschließen, auf den Marktplätzen zu verkaufen, können so ganz nebenbei auch in den M-Commerce einsteigen. Ohne einen Euro in Softwareentwicklung stecken zu müssen, sind sie auf Apps vertreten, die zu den Anwendungen zählen, die weltweit am häufigsten auf mobilen Geräten installiert werden.Dieser Schritt bietet nicht nur technologische Vorteile. Er ist auch strategisch sinnvoll, denn die wachsende Bedeutung von Plattformen im digitalen Handel scheint unumkehrbar.
Händler, die mobile Geräte bisher nicht in das Zentrum ihrer Strategie gestellt haben, sind schon fast zu spät dran. Hier können der Einstieg auf einem Marktplatz und die konsequente Optimierung des Onlineangebots in Richtung mobiler Nutzung etwas Zeit gut machen. Denn das Smartphone wird auch in absehbarer Zukunft das zentrale Gerät der Kunden für das Management des eigenen Lebens bleiben.