PS und Drehmoment haben als Währung ausgedient. Die Automobilindustrie arbeitet mit Hochdruck an neuen Fortbewegungskonzepten und will sich als Dienstleister etablieren.
Laut einer Roland-Berger-Studie könnten allein in Europa, in den USA und in China im Jahr 2020 schon rund eine Million Spezialfahrzeuge für Mitfahrdienste verkauft werden, meist mit Elektroantrieb und zunächst noch mit Fahrerarbeitsplatz. Im Jahr 2025 soll die Nachfrage bereits bei 2,5 Millionen Einheiten liegen. Danach beginnt das Zeitalter des autonomen Fahrens.
Zwei Megagtrends: Mitfahrdienste und Elektromobilität
Die Zahl der E-Shuttles – viele davon dann „Robocabs“ – könnte sich, laut Studie, bis 2030 auf 5 Millionen Fahrzeuge verdoppeln. Damit werden zwei Megatrends verknüpft: die verstärkte Nutzung von Mitfahrdiensten und die Elektromobilität. Was kommt da auf Unternehmen und Firmenflotten zu? Hier zukunftsweisende Beispiele:
Sammeltaxi per App buchbar
Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die eigens gegründete Tochter Moia, die zunächst in Hannover und jetzt auch in Hamburg einen „App-basierten on-demand Ridesharing-Service“, so die neudeutsche Bezeichnung, auf die Straße gebracht hat. Im Klartext: Ab April rollen zunächst 100 elektrisch betriebene, jeweils sechssitzige Sammeltaxis durch die Hansestadt. Das Angebot wird per App gebucht, wobei Fahrgäste mit ähnlichen Zielen gemeinsam transportiert werden. Angeblich will der Hersteller zeitnah alleine in Hamburg bis zu 1000 solcher Fahrzeuge einsetzen – zum Verdruss der angestammten Taxiunternehmen.Selbst die Mobilitätsbedürfnisse des Nachwuchses hat der weltgrößte Autokonzern im Blick: In Berlin und Dresden ist die Mitfahr-App des Start-ups Zouzoucar, das im VW-Gründerprogramm gefördert wird, bereits aktiv. Das Prinzip: Eltern laden über die App andere Eltern, Großeltern und weitere vertrauenswürdige Personen ein und schaffen sich so ihr eigenes Netzwerk. Mit nur einem Klick suchen oder bieten sie dann Mitfahrgelegenheiten an.

Anzeige von Ladestationen, Leihrädern und Unfallschwerpunkten
Auch die VW-Konzernmarken bringen sich in Stellung: Beispielsweise hat Seat in seinem Entwicklungslabor in Barcelona eine App entwickelt, die neben anderen Funktionen die Standorte der Ladestationen für Elektroautomobile, die Stationen eines Fahrradverleihsystems oder die Unfallschwerpunkte in der katalanischen Stadt anzeigt.Bei den großen Trendthemen will natürlich auch der Erfinder des Automobils Akzente setzen: Aktueller Stand aus der Daimler-Denkfabrik: Die „Vision Urbanetic“, ein Gefährt, das autonom und mit unterschiedlichen Aufbauten zur Verkehrsreduktion in den Ballungszentren beitragen soll.
Süddeutsche Allianz hat Großes vor
Eine erhebliche Angebotserweiterung verspricht Mercedes-Benz zudem durch die Fusion des eigenen Carsharing-Angebotes Car2go mit dem BMW-Konzept DriveNow. Durch den Zusammenschluss soll nicht weniger als „die attraktivste und umfassendste Mobilitätslösung für ein besseres Leben in einer vernetzten Welt“ entstehen, so die marketinglyrische Prophezeiung der süddeutschen Partner. Unter dem schwäbisch-bayerischen Dach stehen nicht nur die etablierten Carsharing-Unternehmen mit rund 20.000 Fahrzeugen in 30 internationalen Metropolen, sondern auch Angebote wie Moovel, mytaxi, Chauffeur Privé, Clever Taxi sowie Park- und Ladeservices.Um die „letzte Meile“ hat sich auch Renault gezielt Gedanken gemacht und die Studie „EZ-Pro“ ersonnen. Die voll automatisierten und rein batterieelektrischen Lieferroboter sollen ein umfassendes Logistikkonzept abbilden und sind Bestandteil des Smart-City-Konzepts, das, nach Überzeugung des französischen Konzerns, in den kommenden Jahren von Regierungen, Stadtverwaltungen und Privatunternehmen gefördert und entwickelt wird.

Der Lieferwagen plant seine Route selbst
Der Lieferwagen der Zukunft plant seine Route, abhängig von Verkehrsaufkommen, Ampelschaltungen und Haltemöglichkeiten, aber selbst. Sämtliche für das automatisierte Fahren erforderlichen Kameras, Radar-, Lidar- und Ultraschallsensoren sind in den Radverkleidungen untergebracht. Das Aufladen des Stromspeichers erfolgt kabellos per Induktion. Zusätzlich verfügen die Kabinen auf dem Dach über Solarmodule.Stefan Reindl, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) in Geislingen ist angesichts all der Ambitionen und Verheißungen allerdings skeptisch: „Dass Autohausunternehmen mit ihren Herstellern und Importeuren eigenständige und zukunftsfähige Mobilitätsplattformen betreiben werden, halte ich tendenziell für ausgeschlossen“, erklärt der Experte und schränkt ein: „Um die Kundenschnittstelle in einzelnen Geschäftsmodellen zu erobern und stabil aufrecht zu erhalten, sind spezifisches Know-how und eine ausreichende Leistungsfähigkeit nötig. Man denke nur an multimodale Mobilitätssysteme, die auf verschiedene Verkehrsträger mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zugreifen müssen.“

Und noch ein Hindernis steht auf dem Weg in die digitale Verkehrswelt: Um Angebote und Services auf Basis vernetzter Informationen nutzen zu können, müssen oft persönliche Daten übermittelt werden. Dazu wiederum ist, laut der aktuellen Continental-Mobilitätsstudie, weniger als die Hälfte der deutschen Autofahrer bereit.
Autotür öffnet durch Fingerabdruck...
Nicht nur das Dienstleistungsangebot, auch die Fahrzeugtechnik entwickelt sich inn Richtung Digitalisierung und Convenience: So bringt Hyundai die weltweit erste intelligente Fingerabdrucktechnologie, mit der Fahrer nicht nur Türen entriegeln, sondern auch das Fahrzeug aktivieren können. Die Innovation startet zunächst in einer Version des Geländewagens Santa Fe, die noch im ersten Quartal 2019 in ausgewählten Ländern auf den Markt kommt. Schrittweise will der koreanische Hersteller dieses System auch in anderen Fahrzeugen der Marke und weiteren Märkten anbieten. Für Europa ist die Einführung jedoch zunächst nicht vorgesehen.
... oder per Erkennungssoftware ganz automatisch
Noch einfacher geht der Einstieg bei Jaguar Land Rover. In ersten Prototypen des britischen Anbieters öffnen die Türen für den autorisierten Fahrer mittels Bewegungssensoren selbstständig. Eine spezielle Software innerhalb des Infotainmentsystems informiert über den Schließstatus aller Türen und ermöglicht die Betätigung der Fahrer- und Beifahrertür vom Cockpit aus.Unter dem Namen "InMotion Ventures" unterstützt der Traditionshersteller zudem aktuell sechs Start-ups, die von selbstfahrenden Taxis über 3D-Kartentechnologie bis zur Buchung von Reisepaketen eine breite Palette anbieten. Darüber hinaus gibt es zunächst in Großbritannien Carpe, ein Abonnementservice, zugeschnitten auf Vielfahrer, die für eine Monatsgebühr Zugang zu neuen Modellen der Marke erhalten.
Und wenn durch autonome Autos schon immer mehr Personen gefahren werden, statt selbst Hand ans Steuer zu legen, dann sollen sie sich in der Kabine wenigstens wohl fühlen. Hierzu setzt Kia auf künstliche Intelligenz zur Erkennung von Biosignalen. Dadurch kann das System die Gefühlslage der Passagiere in Echtzeit analysieren und den Innenraum entsprechend gestalten – um zum Beispiel eine aufmunternde Umgebung zu schaffen, die zu einem freudigeren Fahrerlebnis beiträgt.
Darüber hinaus ist der koreanische Konzern eine Kooperation mit Vodafone eingegangen. Über das Netzwerk des Mobilfunkanbieters sollen künftige Kia- und Hyundai-Fahrzeuge ein voll vernetztes Infotainment sowie weitere Konnektivitätsdienste erhalten. Vorgesehen sind unter anderem Echtzeitinformationen zu Verkehrslage und Parkplatzsuche, Ortungsdienste sowie Fahrzeugdiagnosefunktionen und Sprachsteuerung.
Hilfe bei der Parkplatzsuche
Derweil kümmert sich Zulieferer Continental um den ruhenden Verkehr und weitet seine Parkdatendienste auf weitere 14 Länder aus. Das Angebot beinhaltet die europäischen Kernmärkte Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Spanien, Italien und Großbritannien.Der Dienst bietet Echtzeit-Belegungsdaten, beispielsweise von Parkhäusern und Tiefgaragen, sowie relevante Informationen zu Tarifen, Öffnungszeiten, oder Elektro-Ladestationen. Die Erhebung der Daten zur Lage der Infrastruktur erfolgt über verschiedene Datenquellen. Das Technologieunternehmen verspricht „eine fast hundertprozentige Abdeckung in Städten über 25.000 Einwohnern mit mehr als 70.000 Parkmöglichkeiten.“
Die weltweite Ausweitung soll im Laufe des Jahres umgesetzt sein. Die Daten werden in Lizenzpaketen an Kartenanbieter und Automobilhersteller verkauft, was ermöglicht, Autofahrer direkt über ihre „On-Board“- und Navigationssysteme zu erreichen. Zudem können sie über die kostenlose Continental-App „Parkpocket“ genutzt werden. Zusätzlich zu den Parkinformationen bietet Parkpocket auch ein mobiles Bezahlsystem. Ab der zweiten Jahreshälfte wird das Portfolio mit Echtzeitinformationen zum Parken am Straßenrand ergänzt.