Klack, klack, klack, macht der Amazon-Geldzählautomat. Im Sekundentakt wird eine fünfstellige Dollarsumme umgesetzt, Tag und Nacht. So haben es Analysten ermittelt, die dem Onlineriesen für das Corona-Quartal eine atemberaubende Bilanz vorhersagen. Der deutsche Stationärhandel hingegen darf sich ab heute an die Normalität herantasten - aber nur die kleineren Händler oder die, die schnell ihre Flächen verkleinern. Merkwürdige Innenstädte werden das jetzt sein, ohne große Frequenzbringer, ohne Gastronomie. Faktisch ist es eine amtlich angeordnete Wettbewerbsverzerrung, auf die die Branche möglicherweise mit etlichen Schadensersatzforderungen antworten wird.
Das kleine Ende vom Lockdown
Ab diesem Montag ist vieles anders in deutschen Innenstädten. Es wird erstmal nicht so sein so wie früher, weil das große Ladenaufschließen ja nicht erlaubt ist. Es ist der kleine Abschied vom Lockdown. Wer jetzt auswendig weiß, welche Bundesländer welche Regeln erlassen haben, ist ein Held. Sicherheitshalber hat Möbelmarkt eine Übersicht zusammengefasst, deren Urheber der Mittelstandsverbund ist.
Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht systemrelevant
Schlimmer hätte das vergangene Wochenende für Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) nicht laufen können. Da darf ein Gutteil des deutschen Einzelhandels wieder seine Türen öffnen, in NRW gilt das sogar für Ikea - die Warenhäuser dürfen jedoch nicht. Gerade mit Blick auf Ikea ist das absurd. Da halfen bisher auch keine Eilanträge vor Gerichten; die Oberverwaltungsgerichte in Greifswald und Berlin schmetterten bereits beide ab. Die Begründungen müssen sich für die GKK wie blanker Hohn lesen. "Warenhäuser müssten nicht gleich behandelt werden wie Einzelhandelsgeschäfte, die der Grundversorgung der Bevölkerung dienen und deshalb von der Schließung ausgenommen sind", zitiert Spiegel Online etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Diesen Satz kann man auch so deuten: Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht systemrelevant. Das muss weh tun. Nicht nur, wenn man sich gerade unter den Schutzschirm gerettet hat.
Warum ist der große Buchladen so sicher?
In der Tat, das kann man schonmal fragen: "Warum man sich in einem großen Buchladen nicht anstecken können soll, in einem anderen großen Geschäft aber schon, erschließt sich mir nicht", sagt Arno Frommhagen, Sprecher Interessengemeinschaft Innenstadt Magdeburg. Die 800-Quadratmeter-Begrenzung ist eben das Thema der Stunde im deutschen Einzelhandel, auch in Sachsen-Anhalt. Wohl dem, der hier jetzt einen Buchladen hat, denn bei dem und auch bei Baumärkten ist die Größe egal. Wie die Händler in der Landeshauptstadt den Neustart einschätzen, steht in der Volksstimme.
Ab unter die Maske
Aus Sachsen werden uns ab heute lustige Bilder erreichen von Tausenden von Menschen, die mit nicht nur mit medizinischen Masken in der Leipziger Straßenbahn sitzen oder in den Geschäften in der Prager Straße in Dresden einkaufen gehen. Denn ein Stofftuch tuts auch. So will es die neue Vorschrift der Landesregierung: Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr und Einzelhandel. Der MDR hat eine Übersicht erstellt, was das im Umgang mit Kunden zu bedeuten hat. Könnte sein, dass es jetzt in den Geschäften zu Verständigungsschwierigkeiten kommt, wenn das Sprechen von beiden Seiten gefiltert wird.
Die Ängste des Thomas Bruch
Thomas Bruch fürchtet um die Chancengleichheit im Lebensmitteleinzelhandel. Grund ist für den Chef der SB-Warenhauskette Globus, dass von den 276 Standorten von Real 141 an die Konkurrenten von Kaufland beziehungsweise Edeka gehen. So haben es beide bereits mit dem neuen Real-Eigentümer SCP ausgehandelt. Bruch will ebenfalls berücksichtigt werden und hat Angebote für 16 Standorte abgegeben. "Sollten wir nicht auch zum Zuge kommen, ist das für uns mit eindeutigen Nachteilen im Vergleich mit den großen Konkurrenten verbunden", klagt er im Handelsblatt. "Wir machen uns große Sorgen um die Wettbewerbssituation in der Branche."
Kommunikation in der Krise
Mit der Krise kommt die Unsicherheit: Gerade jetzt zeigt sich, ob Unternehmen in guten Zeiten Geld und Ideen in ihre Kommunikation gesteckt haben. Was kann adhoc kommunikativ verbessert werden? Welche Kanäle sind die richtigen? Und was müssen Unternehmen tun, um für künftige Krisen noch besser vorbereitet zu sein? Dies und noch viel mehr im Horizont Digital Talk am Donnerstag (23. April) von 11 bis 12 Uhr. Mehr Informationen gibt es hier.
Starkes Geschäft, schwacher Trost
Die Verbundgruppen sind nicht gerade die First Mover des Onlinehandels, es gibt faktisch keine Kooperation, die hier Maßstäbe setzt. Vieles hängt immer noch am stationären Geschäft. Auch bei den Elektronikhändlern von Expert, die es gar mit einem der stärksten Sortimente im E-Commerce zu tun haben. Immerhin konnten die Händler in der Lockdown-Zeit im Internet etwas besser mitspielen. Vorstand Frank Harder spricht im Interview mit Channelpartner von einem Bestellniveau "weit über dem vergangenen Weihnachtsgeschäft". Aber ein Kracher war besagtes Weihnachtsgeschäft halt auch nicht, muss man den nächsten Satz deuten: "Vor dem Hintergrund der Schließungen unserer stationären Fachmärkte und -geschäfte ist dies zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nur ein äußerst schwacher Trost", sagt er. Im Onlinekonzert spielt Expert nur die Triangel.
Von Scheuchenzubers lernen
Ein schönes Beispiel für die späte, aber erfolgreiche Entdeckung des Internets bieten hingegen Vera und Helmut Scheuchenzuber. Nie gehört? Sollten die Traditionalisten im -Einzelhandel schleunigst ändern. Denn anstatt in die Jammerei ihrer Kollegen einzusteigen, wonach "das Internet uns die Umsätze klaut", ist das Textilhändlerpaar aus Schönberg in Niederbayern selbst ins Netz gegangen. Im Jahr 2017, als beide schon im Rentenalter waren. Online statt stationär. Ein Paradigmenwechsel, der sich gerade in dieser Corona-Zeit gelohnt hat, wie Onlinehändler-News notiert hat.
Corona im Überblick
DUH gewinnt gegen zwei Händler
Die klagefreudige Feinstaub-Polizei Deutsche Umwelthilfe (DUH) sorgt bei Oberbürgermeistern für zuckende Unterlippen. Nun hat es auch zwei große Einzelhändler erwischt. Es geht hier aber nicht um die Luftverschmutzung durch Dieselmotoren, sondern um Elektroschrott, den auch Onlinehändler zurücknehmen müssen. Dieses Gesetzt betrifft auch Energiesparlampen. In diesem Fall hatte die DUH gegen Saturn und Cyberport geklagt - und vor zwei Gerichten gewonnen. Eine ausführliche Interpretation der beiden Urteile bietet Onlinehändler-News.
//// HANDEL INTERNATIONAL
Amazon - das Corona-Dienstprogramm
Der Begriff Handelsgigant ist vielleicht noch untertrieben, angesichts dieser Erwartungen. Denn wenn die Prognosen von Analysten zutreffen, dann wird Amazon im ersten Quartal weltweit ein atemberaubendes Umsatzplus erzielt haben. Es wird im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von einem Zuwachs um 22% auf 73 Milliarden Dollar (67 Milliarden Euro) gesprochen - und das entspricht einem Umsatz von 10.000 Dollar pro Sekunde, wie der britische Guardian errechnet hat. Josh Brown, Geschäftsführer des Investors und Anlageberaters Ritholtz Wealth Management, sagte: "Amazon wurde zu einem Dienstprogramm in dieser Krise - defensiv, zuverlässig, unverzichtbar." Am 30. April werden nicht nur die Analysten wissen, ob die Prognosen richtig waren: An dem Tag stellt Amazon seine Quartalszahlen vor.
Mit Wärmebildkameras auf Krankensuche
Wer so gut verdient, der will sich keine Schwäche mehr erlauben. Zumal es für Amazon auch negative Kritik wegen schlechter Behandlung von Mitarbeiterin in den Logistikzentren gab. Nun setzt das Unternehmen in Verteilzentren in den Vereinigten Staaten Wärmebildkameras ein, um schneller fiebrige Mitarbeiter finden zu können. Die Kameras messen, wie viel Wärme Menschen im Verhältnis zu ihrer Umgebung abgeben. Sie benötigen weniger Zeit und Kontakt als die bekannten Stirnthermometer, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Amazonmitarbeiter. Die Kritik an unzureichendem Mitarbeiterschutz war vor allem in Frankreich laut geworden. Wegen des Streits mit der Gewerkschaft dort sind die sechs Fulfillment-Center erst einmal mindestens bis Dienstag (22.) geschlossen, meldet ebenfalls Reuters.
//// TECH & TRENDS
Und jetzt zur Werbung
Ende des traditionellen Marketings, alle Kraft der Daten sowie noch mehr soziale Verantwortung von Marken. Das sind nur drei Veränderungen, die auf die Werber zukommen, sollte die Coronakrise überstanden sein. Internetworld hat sich intensiv mit den Auswirkungen für dies Branche beschäftigt.
Dem Bargeld vergeht das Lachen
Vielleicht lacht das Bargeld in Deutschland demnächst etwas leiser. Denn weil überall im Handel wegen der Coronakrise zum bargeldlosen Bezahlen aufgerufen wird, könnte diese Bezahlform rasant an Akzeptanz gewinnen, glauben die Zahlungsexperten das Beratungsunternehmens Oliver Wyman. Bis 2025 sollen, nach Umsatz, nur noch rund 32 Prozent der Bezahlungen hierzulande bar erfolgen.
Zahl des Tages
Was ist die Atemschutzmaske eigentlich? Ein medizinisches Accessoire oder schon Bekleidung? Kommt vielleicht auf Optik und Material an. Auf jedenfall ist die Maske das Produkt der Stunde beim Schutz vor der Infektion mit dem Coronavirus. Und der Bedarf ist gigantisch: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schätzt, dass Deutschland 8 bis 12 Milliarden Stück benötigt - im Jahr! "Unser Ziel ist es, dass wir schon in der zweiten Sommerhälfte Millionen OP-Masken und Mundschutze in Deutschland produzieren können", zitiert Spiegel Online aus einem Gespräch Altmaiers mit der Bild am Sonntag.
Favorit der Leser:
Wenn Buchhändler Spuckschutzwände bauen, dann spricht das für eine außergewöhnliche Lage für die Branche. Aber es zeigt sich jetzt auch, dass kluge und internetaffine Händler in dieser Krise besser zurechtkommen als die digitalen Schlafmützen. Warum der gelockerte Lockdown für den Einzelhandel weniger der Branche dafür der Seele des Volkes helfen soll, erklärt "Die Woche im Handel".