Die Kunden wollen ein einheitliches Kauferlebnis, egal über welchen Vertriebskanal. Das stellt hohe Anforderungen an die Technik im Hintergrund, wie die Beispiele Görtz, Kaufhof und Karstadt zeigen.
Für den Handelsexperten gibt es keine Alternative zu dem Verkauf auf allen Kanälen, die der Kunde wünscht. Entscheidend sei nur, wie das Thema angepackt wird. Der Schuhhändler Görtz hat sich für eine enge Verzahnung des On- und Offlinegeschäftes entschieden: Der Kunde kann online bestellte Ware in der Filiale zurückgeben und diese auch als Lieferadresse für die Onlinebestellung angeben.
Hohe Anforderungen an die IT
Dieser kundenfreundliche Verkauf über die verschiedene Kanälen verlangt dem Händler in Hinsicht auf die IT allerdings allerhand ab: "Hinter den Kulissen muss alles stimmen, bevor die Marketingabteilung loslegt", stellt Spannuth klar. So müssten zum Beispiel Kundendaten, Bestand, Sortiment und Service einheitlich sein.Doch der Vertrieb über sich ergänzende und nahtlos integrierte Vertriebskanäle mit integrierter Datenbasis und vereinheitlichten Kundenprozessen sei eine echte Herausforderung: "Görtz hat zum Beispiel nur eine Servicenummer für alle Filialen und den Onlineshop", berichtet Spannuth. "Das ist für den Kunden sehr praktisch, aber in der Vorbereitung, dem Alltag und der Pflege aufwendig."
Zwei Warenwirtschaftssysteme
Bei dem Schuhhändler gibt es zwei Warenwirtschaftssysteme. Diese sind so miteinander verbunden, dass alle Online und Offlinebestände der Görtz-Gruppe über ein zentrales System gelenkt werden können. "Die Produkte werden je nach Bedarf und Sinnhaftigkeit zwischen einem zentralen Reservelager, den Filialen und dem Onlineshop hin und hergesteuert", erläutert Spannuth.Von den "grenzenlosen" Prozessen und Daten profitierten daher auch die stationären Filialen: Durch die einheitliche Datenbasis könne jeder Filialmitarbeiter über eine WebBestellplattform auf das "eine" Sortiment und den gesamten Bestand zugreifen: "Dieser Verkaufsassistent für das stationäre Personal ist bisher die höchste Form der Kanalintegration bei Görtz", sagt Spannuth. "Vor allem kleinere Filialen profitieren von der virtuellen Sortimentserweiterung und dem Zugriff auf weitere Modelle, Größen und Farben. Das macht jede Filiale zum FlagshipStore."
Schritt für Schritt bei Galeria Kaufhof
Der Weg zu einem kanalübergreifend angenehmen Einkaufsgefühl ist steinig, weiß man auch bei Kaufhof: "Die technische Umsetzung ist hochgradig komplex", bestätigt Michael Baumann, Leiter von Galeria.de. "Aber Multichannel ist keine Strategie, sondern der Weg, die gesteigerten Kundenerwartungen an Service und Warenvielfalt zu erfüllen."Der Warenhauskonzern ist mit seinem neuen Webshop und ersten Multichannel-Funktionalitäten im Oktober 2011 live gegangen: "Wir haben von Anfang an geplant, dass der Kunde online Reservierungen in der Filiale vornehmen kann, das Produkt online bestellt und in der Filiale abholt und sich nicht in der Filiale verfügbare Produkte direkt nach Hause schicken lassen kann", nennt Baumann einige Angebote, die für die IT im Hintergrund Herausforderungen darstellen und die Schritt für Schritt umgesetzt werden.
"Die Kundenretoure in der Filiale ‚ohne Wenn und Aber‘ haben wir von Anfang an integriert", so Baumann. "Allerdings gab es die auch schon immer stationär: Wer einen Artikel in Berlin gekauft hat, kann ihn in München umtauschen."
Es gibt durchaus noch einiges zu tun, bis Galeria Kaufhof an ihre erklärten Multichannel-Vorbilder wie die amerikanischen Warenhäuser Macy’s oder Nordstrom herankommt, gibt Baumann unumwunden zu. "Wir gehen Schritt für Schritt, auch wenn das etwas länger dauert", erläutert er. "Ich freue mich aber auf den Weg."
Multichannel-Strategie "Karstadt 2015"
Der Warenhauskonzern Karstadt ist seit gut zehn Jahren online, hat seinen Webshop aber vor Kurzem umgebaut und geht nun auch das Thema Multichannel verstärkt an."Wir waren immer sehr stationär geprägt. Aber im Zuge unserer neuen Strategie, die wir bis 2015 umsetzen wollen, richten wir uns als Händler aus, bei dem die verschiedenen Verkaufskanäle ineinandergreifen", erläutert Michael Melzer, Geschäftsführer von Karstadt.de.
Für den Umbau zu einem ernst zu nehmenden Multichannel-Händler haben sich die Karstadt-Manager ein halbes Jahr nach internationalen Best-Practice-Beispielen umgeschaut und analysiert, wie zum Beispiel die großen Warenhausbetreiber in Amerika, Großbritannien und anderen Ländern online und stationär gute Geschäfte machen.
Sortimentreduzierung im Onlineshop
Herausgekommen ist der im Juni gestartete neue Onlineshop, der sich auf die Bereiche Mode, "Personality" (Kosmetik, Uhren, Schmuck und Accessoires), Living und Sports konzentriert. Nach und nach sollen die Fashion- und Lifestyle-orientierten Sortimente ausgebaut werden. "Wir werden nicht alles online anbieten, was wir stationär verfügbar haben", stellt Melzer klar.Seit Anfang Juni ist auch die neue Karstadt-App erhältlich, ab Herbst sollen Kunden in die Lage versetzt werden, Wunschartikel online zu bestellen und in der Filiale abzuholen. "Dies ist ein großer Schritt in Richtung Multichannel", so Melzer. Bereits jetzt können Kunden im Internet die Verfügbarkeit eines Artikels in einer bestimmten Filiale überprüfen.
"Es ist relativ einfach, einen Webshop aufzusetzen oder ein Frontend-System auszutauschen", erläutert der Karstadt.de-Chef. "Aber am Ende des Tages wird das Geld im Backend verdient – oder verloren." Die Entwicklung zum Multichannel-Händler sei ein Prozess, macht der ECommerceChef deutlich: "Und Karstadt wird sich kontinuierlich weiterentwickeln – ganz im Sinne unserer Strategie Karstadt 2015."
Sybille Wilhelm
Dieser Artikel ist in der September-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Der Handel erschienen. Hier können Sie ein kostenloses Probeexemplar anfordern.