Nach der angekündigten Restrukturierung von Otto gerät nun Neckermann in Bedrängnis. Sind Universalversender vom Aussterben bedroht? Die Antwort ist nicht so einfach, wie sie aussieht. Und Neckermann ist nicht Otto.
Schon beim Einstieg des US-Finanzinvestors Sun Capital 2008 wurden 800 Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen, später wurden zudem 150 Vertriebsmitarbeiter entlassen.
Mit den angekündigten Maßnahmen setzt sich also die Schrumpfkur des Versenders fort, der einst zur KarstadtQuelle-Gruppe und später zum kränkelnden Nachfolger, dem Arcandor-Konzern, gehörte.
Auf einem Klick: Die wechselhafte Geschichte von Neckermann.
Die sarkastische Überschrift der heutigen

Die schlechten Nachrichten aus Frankfurt kommen nur wenige Tage, nachdem Branchenprimus Otto eine Restrukturierung ankündigte. Mit dem Projekt "Fokus" sollen die Universalversender Otto, Baur und Schwab umgebaut, die Synergien zwischen den drei Marken verstärkt werden. Stellenstreichungen wurden nicht ausgeschlossen.
Otto ist nicht Neckermann
Nun ist die Versuchung groß, beide Traditionsversender in einen Topf zu werfen - unter der Überschrift: "Der Niedergang der klassischen Versandhäuser". Doch Vorsicht: Otto ist nicht Neckermann. Und deren Lagen lassen sich keineswegs vergleichenDie Universalversender sind tatsächlich unter Druck und werden von Internet-Pureplayern wie Zalando und Amazon gequält. Doch während Otto jetzt eine Restrukturierung vornimmt, um seine Stärken besser zu bündeln, geht es bei Neckermann um die nackte Existenz.
Das Katalog-Geschäft der Frankfurter schwächelt bereits seit langer Zeit - allein im ersten Quartal 2012 wurde hier ein beachtliches Minus von 50 Prozent registriert. Das kommt aber nicht von ungefähr: Fehlende Marketinganstöße führten zu immer geringere Umsätze.
Quelle-Effekt verpufft
Zu lange wiegte sich der Versender zudem wegen des "Quelle-Effekts" in Sicherheit - der Zusammenbruch des Quelle-Versands leitete Kunden und Umsätze nach Frankfurt um. Dieser Effekt ist aber nun endgültig vorbei."Leitende Manager haben schon seit Tagen ihre Mitarbeiter vorgewarnt und sie ermutigt, auf Jobsuche zu gehen", sagt ein Insider. Das Auslandsgeschäft sieht er als "bedroht" an".
Bei der Otto Group stellt sich die Lage deutlich weniger dramatisch dar. Warum die drei Marken Otto, Baur und Schwab so lange so unabhängig am Markt agieren konnten, fragen sich Beobachter schon lange. Die Antwort ist vermutlich: Weil es dem Konzern so gut ging.
Nun vollzieht das Unternehmen den überfälligen Schnitt, weil die Margen durch den zunehmenden Wettbewerb immer schmaler werden. Ein Kulturschock, durchaus - aber noch musste keiner in Hamburg den Notfallknopf drücken.
Kein klares Zukunftskonzept
Ganz anders die Situation in Frankfurt: Während Otto noch strategisch handelt, muss Neckermann durch harte Schnitte das Schiff vor dem Untergang bewahren.Aussagen der Pressemitteilung wie "im Textil-Bereich wird neckermann.de künftig attraktive Markenprodukte von Partnern anbieten" klingen hilflos - tut der Versender das nicht bereits? Auch die Konzentration auf das "erfolgreiche Vertriebspartner-Sortiment" dürfte den arg gebeutelten Margen nicht wirklich helfen
"Weniger Hierarchien, kürzere Prozesse und schnellere Entscheidungen machen neckermann.de in Summe flexibler und kundenorientierter", heißt es zudem im Communiqué. Kein Wunder, mit fast 1.400 Arbeitnehmern weniger.
Alles deutet darauf hin, dass wir noch nicht das Ende des Leidens eines nun reinen Online-Versenders Neckermann erleben.