Seit fast einem Monat pfeifen es die Spatzen von den Dächern. Nun ist es endlich offiziell: Die Bertelsmann-Tochter Arvato übernimmt den insolventen E-Commerce-Dienstleister Netrada Europe. Wie der zuständige Insolvenzverwalter Rainer Eckert mitteilt, sollen „nahezu alle“ Arbeitsplätze der rund 2200 Mitarbeiter erhalten bleiben. Die Betriebsübergabe an den neuen Eigentümer soll in den nächsten Wochen erfolgen. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, meldet TextilWirtschaft.de.

Nach Angaben von Arvato ist der Deal, dem das Bundeskartellamt noch zustimmen muss, eine der größten Transaktionen in der Firmengeschichte. Er stärke nachhaltigie Position des Dienstleistungskonzerns im E-Commerce-Geschäft, das den definierten Wachstumsfeldern des Bertelsmann-Konzerns zähle. „Die Übernahme passt perfekt zu unserer Strategie, Arvato zu einem innovativen, flexiblen und internationalen Geschäftspartner auszubauen“, sagt Arvato-Vorstandschef Achim Berg.

Der E-Commerce-Umsatz werde sich voraussichtlich auf mehr als 300 Mill. Euro im Jahr verdreifachen, die Zahl der Mitarbeiter auf über 3000 steigen. Die Einsparungen, die sich durch die Synergien innerhalb des Konzerns ergeben, beziffert Berg auf einen Betrag im „deutlich einstelligen“ Millionen-Euro-Bereich. „Wir sehen recht große Skaleneffekte und Qualitätsverbesserungen.“ Verantwortlich für das neu formierte E-Commerce-Geschäft ist der langjährige Arvato-Manager Niels Weithe, der zuletzt Geschäftsführer für Entertainment und Hightech war.

Verträge neu verhandelt

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Netrada betreibt über 80 Mode-Online-Shops. Zum Kundenstamm gehören unter anderem Esprit, C&A, Puma, Lacoste, Hugo Boss, Görtz, Lacoste, Triumph und Versace. Mit den sechs größten Kunden, die für 80% des Umsatzes stehen, hat Arvato nach eigenen Angaben die Verträge neu ausgehandelt. Die bisherigen Konditionen waren nach Ansicht von Branchenexperten der Hauptgrund für die Pleite von Netrada gewesen, da sie auf zu optimistischen Umsatzprognosen basierten. Ebenso wurden die Mietverträge für die Logistikzentren von Netrada neu aufgesetzt. Die Standorte von Netrada und Arvato in Garbsen bei Hannover und Gütersloh bleiben erhalten.

Arvato kann Insidern zufolge Risiken des E-Commerce-Fulfillments besser abfedern als etwa Netrada. Grund ist die breite Aufstellung des Outsourcing-Konzerns, der neben fast allen Multichannel-Dienstleistungen auch sämtliche Services rund um die Erstellung und Distribution von Druckerzeugnissen und digitalen Speichermedien durchführen kann. Weitere Sparten sind beispielsweise CRM, Dialogmarketing, Supply Chain-Management, Customer Care, Finanzdienstleistungen und IT-Services. 2012 erwirtschaftete das Unternehmen mit rund 63.000 Mitarbeitern in 35 Länden einen Umsatz von fast 4,45 Mrd. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) betrug 241 Mill. Euro.

Netrada-Manager abgeworben

Arvato hat in den vergangenen Jahren fast zwei Dutzend Netrada-Manager abgeworben. Darunter Mitgründer Friedhelm Johannes Schmitter, der im Februar 2012 CEO der E-Commerce-Einheit von Arvato wurde. Drei Monate später folgte ihm COO Peter Buse. Während Schmitter nach einem Jahr wieder gehen musste, ist Buse immer noch COO von Arvato E-Commerce, was die Integration von Netrada erleichtern dürfte.

Bei Arvato sind Gerry Weber, Marc O’Polo,  Douglas, P&C Hamburg und Galeria Kaufhof als Kunden bekannt.

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