Omnichannel ist keine Kür mehr, sondern Pflicht für jedes Unternehmen, das sich im Wettbewerb behaupten will. Versuche, den Kunden zu Marken- oder Unternehmenstreue zu erziehen, sind ebenso zum Scheitern verurteilt wie eindimensionale Konzepte, die sich beispielsweise allein auf den günstigsten Preis als Entscheidungskriterium fokussieren. Die Grundlage der Kundenzufriedenheit bilden reibungslose Prozesse, die durch ihre Flexibilität der Individualität des Kunden gerecht werden. In einem Gastbeitrag erklärt Dr. Angela Bischoff, Vice President Arvato Systems, wie Handelsunternehmen effiziente Omnichannel-Prozesse etablieren.

Mittlerweile gilt: Convenience schlägt Marke. Eine der größten Herausforderungen für den Einzelhandel liegt darin, den Kunden kanalübergreifend herausragende und einheitliche Einkaufserlebnisse zu bieten. Laut einer aktuellen Studie mit über 1.500 Endkunden würde mehr als die Hälfte der Verbraucher den Anbieter nach ein bis zwei negativen Erfahrungen wechseln.

Im Gegenzug sind jedoch 84% bereit, mehr Geld auszugeben, wenn ihnen die Marke einzigartige Erlebnisse verschafft. Dazu gehören zweifelsfrei Omnichannel-Kommunikation und die Möglichkeit, Bestell- und Auslieferungsorte beliebig miteinander kombinieren zu können.
Viele Wege führen zum Kunden: Kanalübergreifende Dienste wie Click&Collect werden von vielen Konsumenten heute vorausgesetzt.
© IMAGO / agefotostock
Viele Wege führen zum Kunden: Kanalübergreifende Dienste wie Click&Collect werden von vielen Konsumenten heute vorausgesetzt.

Tipp 1: Das Order-Management systematisieren

Um jeden einzelnen Kunden als König behandeln zu können, bedarf es einer strukturellen und technologischen Aufstellung, die auf Transparenz und Zentralität ausgerichtet ist. Dies wird durch ein modulares und zugleich omnipotentes Order-Management-System (OMS) erreicht, das als Schaltzentrale fungiert, von wo aus die einzelnen Features und Services implementiert und aktiviert werden können. Das OMS ist eine "Single Source of Truth" mit konsistenten Datenbeständen, auf die alle Mitarbeiter zugreifen können.

Tipp 2: Den Auftragsstatus im Blick behalten

Da ein OMS sämtliche prozessrelevanten Daten an zentraler Stelle übersichtlich bereitstellt, wird ein proaktives statt eines reaktiven Serviceangebots möglich. Beispielsweise wird in einem zentralen Dashboard angezeigt, wie lange Aufträge unterwegs sind und welche Prozessschritte wie lange dauern. So lassen sich problematische Aufträge frühzeitig erkennen und Schwachstellen beheben – bevor sich ein Kunde verärgert meldet.
Der gesamte Auftragsfluss – von der Anlage bis zur Erledigung inklusive Auslieferung, Bezahlung, Retouren und Kundenkommunikation – wird kontinuierlich überwacht und optimiert. Eine zentrale Übersicht über alle Aufträge und den jeweiligen Bearbeitungsstand beinhaltet auch die Aufteilung eines Kundenauftrags in verschiedene Lieferaufträge, die Übergabe an Logistiker, die Verpackung und Übergabe an Transporteure, den Status des Transports und die Übergabe an den Kunden, den aktuellen Bezahlstatus, den Retourenstatus und jegliche Kundenkommunikation zum Auftrag.

Tipp 3: Den Kundenservice verbessern

Mit einem Omnichannel-OMS erhalten Unternehmen nicht nur eine zentrale und aktuelle Übersicht über alle Bestände in den Filialen, in den eigenen und den Lägern der Lieferanten. Auch Artikel, die sich im Transport befinden, und sogenannte Serviceartikel (z. B.  Aufbauservice), die keinen physischen Bestand haben, aber trotzdem nicht immer und überall verfügbar sein können, sind hier eingeschlossen.

So können alle Mitarbeiter einen überzeugenden Kundenservice leisten – und zwar über alle Touchpoints hinweg: in der Filiale, im Customer Care oder durch Geschäftspartner wie Lieferanten. So sind sie in der Lage, auf Kundenwünsche zu reagieren und Aufträge flexibel anzupassen. Beispielsweise müssen sie unkompliziert einen Auftrag ganz oder teilweise stornieren, den Lieferort ändern oder die Zahlungsmethode anpassen können.
Beim Modehändler Orsay verkürzten sich dank aktueller Bestandsinformationen über die verschiedenen Läger und Filialen und dem Sourcing der Produkte durch das OMS die Lieferzeiten deutlich.
© IMAGO / Lem
Beim Modehändler Orsay verkürzten sich dank aktueller Bestandsinformationen über die verschiedenen Läger und Filialen und dem Sourcing der Produkte durch das OMS die Lieferzeiten deutlich.

Beispiel Dropshipping

Ein Kunde möchte online ein Haushaltsgerät kaufen. Das OMS stellt nun fest, dass das  gewünschte Gerät kurzfristig nicht lieferbar ist, es aber ein Nachfolgemodel im Bestand gibt, und bietet es dem Kunden automatisch an. In einem anderen Fall unterhält der Onlinehändler kein eigenes Warenlager. Erst dann, wenn eine Bestellung eingeht, ordert er die Ware beim Großhändler oder beim Hersteller und lässt sie von dort direkt an den Endkunden ausliefern.

Bei diesem – Dropshipping genannten – Geschäftsmodell kommt es besonders darauf an, dass der Informationsaustausch zwischen Shopbetreiber und Lieferanten reibungslos funktioniert, denn der Händler selbst hat keinen physischen Kontakt mehr mit dem verkauften Produkt. Dazu gehört, dass das OMS automatisiert die relevanten Dokumente wie Lieferschein und Rechnung erzeugt und dem Versender zur Verfügung stellt.

Tipp 4: Verschiedene Bestell- und Liefervarianten anbieten

Verschiedene Bestell- und Liefervarianten wie Click & Collect, Click & Reserve, Pick-in-Store, Ship-from-Store und Endless Aisle (Regalverlängerung) werden von vielen Konsumenten heute vorausgesetzt.

Recht einfach machbar ist Ship-from-Store. Vordergründig ändert sich für den Kunden nichts. Ob ihm seine online bestellte Ware vom E-Commerce-Lager A, dem Lieferanten B oder von einer stationären Filiale C zugeschickt wird, interessiert ihn üblicherweise nicht. In allen drei Fällen ist die Lieferadresse dieselbe. Aber für das Handelsunternehmen ändert sich sehr viel, weil nämlich der Ort, an dem ein Auftrag entsteht,
entkoppelt wird von dem Ort, der die logistischen Aufgaben übernimmt.
Früher waren diese Orte untrennbar verbunden: Wer online bestellte, erhielt seine Ware aus dem E-Commerce-Lager oder vom Lieferanten. Und wer in der Filiale einkaufte, erhielt seine Ware eben in der Filiale. Mit einem OMS können Unternehmen anhand verschiedener Kriterien entscheiden, aus welchem Lager sie Bestellungen ausliefern möchten. Die Kriterien, welche Filiale die Bestellung abwickelt, die Ware also verpackt und verschickt, können dabei beliebig festgelegt werden.

Fazit

Erst durch ein Order-Management-System hat ein Händler die Möglichkeit, verkaufskanalübergreifende Dienste wie Click & Collect oder Ship-from-Store anzubieten, ohne die vorhandenen Lösungen wie das ERP-, das Filial- oder das Kassensystem anpassen zu müssen. Stattdessen senken die Händler ihre Kosten und verbessern den Kundenservice. Daraus resultieren eine stärkere Kundenbindung und eine größere Kundenzufriedenheit.

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