Galt der E-Commerce vor Corona noch als Verkaufskanal, so hat er sich in den letzten anderthalb Jahren zum Versorgungskanal gewandelt, auch für Zielgruppen und Generationen, die bisher mit Onlineshopping nicht viel am Hut hatten. Vor diesem Hintergrund müssen sich stationäre Händler, die für die Zukunft ein zweites, digitales Standbein schaffen möchten, fragen, wie sie ihre Vertriebskanäle direkt richtig verschmelzen, anstatt einfach zwei Systeme – Laden und Webshop – nebeneinanderher zu bedienen. Nina Pütz, CEO von Ratepay, gibt in einem Gastbeitrag Tipps, wie Händler Omnichannel richtig umsetzen.

Eine neue Studie von Nets, die den E-Commerce im Jahr 2020 untersucht, zeigt, dass 33 % der Deutschen seit Beginn der Pandemie häufiger online eingekauft haben als zuvor.

Die Studie verrät auch, dass inzwischen 46 % der Deutschen etwas lieber online einkaufen als im Ladengeschäft (43 %). Die fast hälftige Teilung spricht für Omnichannel-Lösungen, die den Einkauf sowohl offline als auch online über alle Endgeräte hinweg ermöglichen, um dem Kunden ein umfassendes Shopping-Erlebnis zu bieten.

Stationäre Händler, die für die Zukunft ein zweites, digitales Standbein schaffen möchten, müssen sich deshalb fragen, wie sie ihre Vertriebskanäle direkt richtig verschmelzen, anstatt einfach zwei Systeme – Laden und Webshop – nebeneinanderher zu bedienen.
Nahtlose Übergänge zwischen den Shoppingwelten: Händler sollten Online und Offline nicht nur parallel betreiben, sondern die Vertriebskanäle verschmelzen.
© IMAGO / Ralph Peters
Nahtlose Übergänge zwischen den Shoppingwelten: Händler sollten Online und Offline nicht nur parallel betreiben, sondern die Vertriebskanäle verschmelzen.

Marktplatz oder eigener Shop?

Kleinere und mittelgroße stationäre Händler verfügen nicht über dieselben Ressourcen wie die Zalandos oder Amazons dieser Welt – wie können sie trotzdem einen vernetzten Vertrieb über mehrere Kanäle und Endgeräte hinweg gewährleisten?

  • Marktplätze: Die Nets-Studie zeigt: 58 % der Deutschen kaufen online lieber bei einem Marktplatz ein, 29 % direkt beim Händler. Um möglichst viele Kunden mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen, sollten stationäre Händler an Marktplätze wie Otto oder Ebay andocken. Das kostet etwas Marge, aber die Reichweite, die ein Händler über einen Marktplatz erzielt, wird er selbst niemals aufbauen können. Plattformen wie schuhe24.de ermöglichen es auch Kleinsthändlern, ihr Angebot einem breiten Publikum vorzustellen – hierüber lassen sich die stationären Ladenhüter wunderbar verkaufen, und Kunden können deutschlandweit besondere Einzelteile shoppen.
  • Eigener Webshop: Zu Omnichannel gehört der eigene Webshop, der mit den eigenen Retail-Beständen verknüpft wird. Das klingt für kleine Händler erst einmal nach viel Arbeit, aber es gibt mittlerweile tolle Shoptools, die wenig Geld kosten. Hierüber lassen sich alle benötigten Services wie Logistik, Lagerung oder Payment flexibel zusammenklicken. Gute Shop-Provider bieten außerdem Schnittstellen zu allen größeren Marktplätzen; auch Dienste wie Click & Collect lassen sich hierüber ganz leicht implementieren. Passende Anbieter sind zum Beispiel Shopify oder Magento.

5 Vorteile von Omnichannel für stationäre Händler

1. Mehr Kundenzentrierung

Die Nets-Studie zeigt: Verbraucher sind im letzten Jahr noch anspruchsvoller geworden. Der Einkauf soll einfach, schnell und sicher laufen, das Angebot umfassend sein und der Service hervorragend. „Bequemlichkeit“ ist der entscheidende Grund, warum die Deutschen online einkaufen, nicht der Preis.

Deswegen müssen Händler ihren Kunden etwas bieten und sie genau da abholen, wo sie sind. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Die Kunden können sich im Geschäft beraten lassen und die Ware ansehen, um sie später online zu bestellen und zu bezahlen. Oder online eine Auswahl treffen und diese im Laden abholen (Click & Collect).

2. Kunden können so bezahlen, wie sie es sich wünschen

Nichts ist schlimmer, als wenn ein Kunde die Ware, die er sich online mühsam zusammengeklickt hat, nicht so bezahlen kann, wie er möchte. Nach wie vor gehört das Fehlen der gewünschten Bezahlmethode zu den häufigsten Gründen, warum Kunden ihren Einkauf im Check-out abbrechen. Teilweise lassen sich große Händler einen Neukunden über 100 Euro kosten – und dann scheitert der Einkauf an den Bezahlmethoden.

Um so etwas zu vermeiden, gibt es auch für kleinere Händler passende Lösungen. Über Payment-Services wie „Easy“ von Nets können sie Zahlungsarten wie PayPal, Kreditkarte oder den Rechnungskauf integrieren, die auf allen Endgeräten funktionieren. Die meistgenutzten Online-Zahlungsarten in Deutschland waren 2020 E-Wallets, der Kauf auf Rechnung und die SEPA-Lastschrift.

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© Zara
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3. Endlich hilfreiche Daten

Egal, ob stationäre Händler ihre Waren künftig über Marktplätze oder den eigenen Shop anbieten: Über den digitalen Verkaufskanal können viel mehr Daten erhoben werden, die Händler auch für das stationäre Geschäft nutzen können: Um welche Uhrzeit kauft der Kunde was am liebsten? Wie bewertet er meinen Service und mein Angebot? Wie möchte er am liebsten mit mir kommunizieren? Viele Marktplätze liefern die technische Infrastruktur, der Kunde gehört aber weiterhin dem Händler.

4. Lokale Händler sind im Vorteil

Auch wenn inzwischen mehr Deutsche online einkaufen als vor der Pandemie: Sie tun das am liebsten im eigenen Land. Laut der Nets-Studie liegt das vor allem an Lieferzeiten, aber auch am größeren Vertrauen und der Loyalität zu landeseigenen Shops – ein weiteres Argument für eine Omnichannel-Strategie lokaler Händler.

Wenn Kunden sich teure Rücksendungen sparen können, indem sie die zu retournierende Ware direkt im Laden abgeben können: perfekt.

5. Neue Vertriebsmodelle ausprobieren

Wer seine Verkaufskanäle verschmilzt, kann besser mit neuen Vertriebsformen experimentieren. Die Corona-Pandemie hat zum Beispiel Abo-Modelle salonfähig gemacht.

Zwar wurden laut der Nets-Studie 2020 vor allem Streamingdienste, Tageszeitungen und Transportleistungen abonniert, aber die Bereitschaft der Verbraucher, auch physische Güter wie Indoor-Sportgeräte oder Homeoffice-Lösungen im Abo-Modell zu mieten, ist gestiegen. Da immer mehr Menschen nachhaltig konsumieren möchten, wird sich dieser Trend künftig auf weitere Produktgruppen ausweiten. 

Fazit

An Omnichannel wird in Zukunft kein Händler mehr vorbeikommen. Verbraucher erwarten sowohl offline als auch online das volle Kundenerlebnis und nahtlose Übergänge zwischen den Shopping-Welten – nach der Corona-Pandemie besteht dieser Anspruch stärker als je zuvor.

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