Weil die Kunden in der Coronakrise anders oder sogar weniger einkaufen, haben viele Onlinehändler ein Problem: Ihre Läger sind voll. Wohin mit der Ware? Restbestände effizient auflösen ist eine Kunst, nicht nur zu Coronazeiten. Wie man so etwas schafft, ohne seinen guten Namen als Händler zu verramschen, sagt unser Gastautor Stefan Becker, Senior Sales Manager DACH bei der Experienceplattform Exponea.
Der COVID-19-Ausbruch stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Und obwohl der E-Commerce teils weniger Verluste einfährt als viele andere Branchen, stellt sich hier wie im gesamten Handel das Problem: Die wirtschaftliche Situation der Verbraucher ist unsicher, daher geben sie weniger Geld aus.
Das verschärft auch ein Problem, das Händler schon vor Krisenzeiten kannten: Sie müssen überschüssige Lagerbestände loswerden und dafür sorgen, dass wenig nachgefragte Produkte aus ihren Lagern verschwinden. Und das nicht nur zum höchstmöglichen Preis, sondern gleichzeitig zügig und nicht erst in Wochen oder Monaten.
Dass diese Lagerbestände den Cashflow binden, ist gerade jetzt für viele Unternehmen ein hohes Risiko. Wie Onlinehändler diese jetzt trotzdem so gewinnbringend wie möglich loswerden - dazu hier ein paar Orientierungshilfen.
1. Zielgruppen für die Sales-Aktion definieren
Rabatt-Kampagnen sollten nicht für eine homogene Zielgruppe, sondern für verschiedene Kundensegmente geplant werden. Onlinehändler haben mehr Möglichkeiten denn je, sinnvolle Segmente zu bilden und diesen auf sie zugeschnittene Kampagnen auszuspielen. Beispiel: Sind Kunden einer Marke besonders treu, haben automatisierte Kampagnen Sinn, bei denen sie Rabattgutscheine für diese Marke erhalten.Bei solchen mit weniger Markentreue gilt das nicht. Händler sollten grundsätzlich das Maximum aus ihren Kundendaten herausholen. Mithilfe einer guten Customer-Data-Plattform, die für jeden Kunden einen sogenannten Single Customer View (also eine 360°-Ansicht) bietet, ist das relativ einfach möglich. Auf dieser Basis können sie die Web Experience für den einzelnen Nutzer personalisieren und ihm individuell Produktvorschläge machen. Wenn Sie beispielsweise aus dem Single Customer View erfahren können, welche Farbe er am häufigsten gekauft oder welche Schuhgröße er hat, können Kampagnen dahingehend optimiert werden. So unterschiedlich die Zielgruppen sind, so zahlreich sind auch die Möglichkeiten, um sie zu erreichen. So sollten jetzt auch selten genutzte Kanäle zum Einsatz kommen: Das reicht von Push-Benachrichtigungen über Textnachrichten und Kampagnen-Bannern bis zu (echten!) Postkarten, die dem Kunden nach Hause geschickt werden – herausstechen aus der Masse ist jetzt wichtiger denn je.
2. Verkaufspsychologie für sich nutzen
Hohe Rabatte führen nicht unbedingt zu mehr Abverkauf. Ein pauschaler Nachlass von 50% auf einen Großteil der verfügbaren Produkte ist meist weniger effizient als ein smarter Ausverkauf, der auf durchschnittlich niedrigeren Rabatten, dafür aber sorgfältig ausgewählten Produkten beruht. Warum? Wird ein niedrigerer Rabatt festgelegt, kann mehr Budget in Marketingmaßnahmen fließen und bringt somit deutlich höheren Traffic und auch eine höhere Conversion Rate, als wenn ein großer Rabatt mit wenig Marketingbudget vertrieben wird und nicht genug Menschen erreicht.Rabatte werden auch nicht immer exakt anhand ihres tatsächlichen Wertes vom Kunden bemessen. Ein 30%-Rabatt, der ab 100 Euro Einkaufswert geboten wird, macht bei exakt 100 Euro einen Einkaufswert von 30 Euro aus. Bei 150 Euro Einkaufswert aber schon 45 Euro - und so weiter. Ein pauschaler Rabatt von 30 Euro dagegen ergibt bei 100 Euro Einkaufswert denselben Nachlass, ab 100,01 Euro aufwärts aber macht er anteilig weniger aus. Der Gewinn für den Händler wird so größer. Erfahrungsgemäß nehmen aber viele Kunden diesen Rabatt trotzdem als gleichwertig mit einem 30%-Rabatt wahr. Eine pauschale Regel lässt sich hier nicht anwenden, aber es lohnt sich, verschiedene Versionen zu testen. Denn: Wer testet, gewinnt. Diese alte "Marketing-Weisheit" ist jetzt wichtiger denn je, um zu verstehen, wie Kunden auf verschiedene Optionen reagieren, um dann die Kampagnen zu optimieren.
Und zuletzt: Seien Sie sorgfältig beim Festlegen Ihrer Preise. Ob Sie für ein rabattiertes Produkt 26 oder 28€ festlegen, macht in vielen Fällen für die Kaufentscheidung des Kunden keinen Unterschied – für Sie aber schon, gerade bei einem Ausverkauf mit vielen Produkten.
3. Die Web-Grundlagen für den erfolgreichen Abverkauf
Gerade in der Krise ist es wichtig, Kunden den aktuellen Status des eigenen Unternehmens zu kommunizieren und damit für einen möglichst reibungslosen Kaufprozess zu sorgen. Sie sollten daher bestens informiert werden über Faktoren wie Versandrichtlinien, Kundenschutz-Maßnahmen oder die Zusicherung risikofreier Waren. Auch "Social Proof" ist ein hilfreiches Verkaufsinstrument, wenn Sie ihn haben. Nur noch 12 Artikel verfügbar? Bereits 1.500 Artikel im heutigen Sale verkauft? Letzter Artikel auf Lager? Das sollte kommuniziert werden und erhöht den Kaufanreiz. Und: Sale-Kampagnen sind für den Händler und seine Lagerhaltung sehr wichtig – so sollten sie auch behandelt werden.Neben darauf zugeschnittenen Direktmarketing-Maßnahmen gehört dazu auch, sie im Shop attraktiv darzustellen und für den Kunden so interessant wie möglich zu machen. Das beinhaltet die Nutzung von Bannern und Labels auf Produktseiten ebenso wie prominent auf der Startseite. Besonders schön sind eigens kreierte Visuals und eine spezielle Kampagne darum herum – nicht selten macht es Sinn, das Thema Covid-19 dabei gezielt aufzugreifen und beispielsweise Produkte in Homeoffice-Umgebung in Szene zu setzen.
4. Omnichannel-Kommunikation, ganzheitliches Kundenerlebnis
Grundsätzlich gilt jetzt für Händler, sich auf die neue Situation einzustellen, die mit verändertem Nutzerverhalten einhergeht. So ist ein positives Omnichannel-Erlebnis für den Kunden wichtiger denn je – gerade Händler, die offline und online verkaufen, konnten da bisher (auch) auf attraktive Erlebnisse im Ladengeschäft setzen.Das ist jetzt sehr eingeschränkt, sodass diese Erlebnisse in anderer Form stattfinden müssen, nämlich digital. Omnichannel-Kommunikation bietet viele Möglichkeiten, von denen Händler oft nicht alle ausschöpfen. Eine exzellente Kenntnis des Kunden und seiner Vorlieben ist dabei unabdinglich – etwas, das moderne Tools und die Masse vorhandener Daten heute möglich machen. So können Händler auch kurzfristig auf äußere Veränderungen und Krisen reagieren und ihr Marketing darauf optimieren. Das wird zwar eine extreme Krise wie diese niemals komplett auffangen können, mildert aber die negativen Effekte zumindest deutlich.