Michael Otto sieht in Zukunft nur Platz für zwei große Universalversender: Amazon und Otto. Bei den Versandtöchtern setzt der Händler auf Spezialanbieter und Multichannel-Konzepte.
Im April wurde in dem Familienunternehmen erstmals öffentlich über einen Stellenabbau geredet. Und nun wurden in Folge dieser Umstrukturierung die Führungsaufgaben neu sortiert: Rainer Hillebrand, der zweite Mann im Konzern hinter Vorstandschef Hans-Otto Schrader, wird künftig die Konzernstrategie und das Geschäftsfeld E-Commerce verantworten.
Seine operativen Aufgaben als Vorstandssprecher der Einzelgesellschaft Otto gibt er hingegen ab: Erstmals wird der frühere Otto-Versand, das Herzstück des Familienunternehmens, von einem eigenen Bereichsvorstand geleitet. Ihm gehören die Manager Michael Heller, Petra Scharner-Wolff und Marc Opelt an.
Den Versender mit einem eigenen Managementteam auszustatten ist eigentlich nicht besonders überraschend: Die Einzelgesellschaft Otto steht mit rund 2 Milliarden Euro immerhin für 17 Prozent des Konzernumsatzes – viel zu groß, um heutzutage "nebenbei" aus dem Konzernvorstand geleitet zu werden. Warum dieser Schritt vergleichsweise spät erfolgt und wie es generell weitergehen soll, wird sicherlich auch auf der Jahrespressekonferenz am Mittwoch für Gesprächsstoff sorgen.
Michael Otto über Otto, Schwab und Baur
Zur grundsätzlichen Strategie hinter dem Umbau hat sich schon mal der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto Group, Michael Otto, geäußert: Der Sohn des Versandhaus-Gründers Werner Otto hat in der "Frankfurter Rundschau" ("FR") über soziale Verantwortung von Unternehmern, Lohndumping bei Paketdiensten wie der Otto Group-Tochter Hermes und die Grenzen des Onlinehandels gesprochen.Demnach dient die Umstrukturierung bei der Otto Group dazu, dass sich die Geschäftsleitung mit ganzer Kraft auf das Kerngeschäft des Unternehmens konzentrieren kann – denn der Konzern will die Marke Otto "nicht nur erhalten, sondern weiter ausbauen".
Die Umstrukturierung der Universalversender Otto, Baur und Schwab sei jedoch nicht etwa notwendig, weil das Kerngeschäft in der Krise stecke: "Alle drei Konzernfirmen schreiben schwarze Zahlen", beteuert Otto in der "FR".
"In Zukunft wird es in Deutschland wahrscheinlich nur noch zwei große Online-Anbieter mit Universalangebot geben: Amazon und Otto. Schwab und Baur haben nicht die Größe dafür, weswegen wir bei beiden schon begonnen haben, sie zu Spezialanbietern zu entwickeln."
Der Hanauer Versender Schwab setze einen Schwerpunkt auf die Übergrößen-Marke Sheego, Baur aus Burgkunstadt auf Mode und Sport. Außerdem hätten die Versandhändler Prozesse angestoßen, um weitere Synergien zu heben.
Stellenabbau beschlossene Sache
Weil sich "Synergien heben" nach Stellenabbau anhört, und dieser auch schon im April angekündigt wurde, ließ die Kritik der Belegschaft auf diese früher bei dem Familienunternehmen Otto undenkbare Managementmaßnahme nicht lange auf sich warten."Meine Herren Vorstände, woran arbeiten Sie? Es ist Ihr Kurs, den hier niemand nachvollziehen kann, es ist Ihr Handeln, das uns das Gefühl gibt, wir hätten es eher mit einer Reparaturwerkstatt zu tun als mit einem komplexen Großkonzern. Wissen Sie eigentlich noch, was Sie tun?" klagte beispielsweise der Betriebsratsvorsitzende Uwe Rost damals auf einer Betriebsversammlung.
In der "FR" wiegelt der Aufsichtsratschef nun ein bisschen ab: "Am Ende des Projektes können die Umstrukturierungen auch Personalveränderungen nach sich ziehen, nicht nur in Burgkunstadt und Hanau, auch in Hamburg", sagt Otto. "Wir werden aber alles tun, dies so sozialverträglich wie möglich zu gestalten, zum Beispiel über natürliche Fluktuation und Querversetzungen."
Dezentral gegen Amazon
In der Zusammenlegung von Baur und Schwab sieht er hingegen keine Option: "Das entspricht nicht unserer Philosophie", antwortet der Otto-Erbe. "Im Gegenteil: Wir bauen auf 123 dezentrale, selbstständige Unternehmen mit eigenständigem Gesicht. Wir sollten vorsichtig sein, alles zu zentralisieren, weil wir dann unsere Flexibilität verlieren."Denn er ist überzeugt, gerade mit dem kleinteiligen Konzept der Versandhandelstöchter der Konkurrenz des weltgrößten Onlinehändlers Amazon etwas entgegensetzen zu können: "Wir heben uns von Amazon durch die Vielfalt unserer Vertriebswege ab. Der Kunde bestimmt bei uns, ob er Online, aus dem Spezialkatalog oder im stationären Geschäft kauft", erläutert der Aufsichtsrats-Vorsitzende. "Wir glauben, dass dieser Multichannel-Einzelhandel, wie wir ihn etwa bei Bonprix, Sportscheck oder Manufactum praktizieren, die Zukunft sein wird."
Wettbewerber entdecken Kataloge
Auch H&M arbeite inzwischen mit Katalogen, und selbst Amazon und Zalando setzen nun auf stationäre Geschäfte. "Außerdem gibt es bei uns eine persönliche Beratung. Man kann anrufen, wenn man zum Beispiel einen alten CD-Player hat und nicht weiß, ob er zu dem neuen Verstärker passt. Und wir legen großen Wert darauf, umweltverträgliche Produkte anzubieten."Beim deutschen Konkurrenten Zalando, der als Schuhhändler im Netz begann und sich nun als Online-Modehändler positioniert, gibt sich Otto unterdessen demonstrativ gelassen: "Zalando ist mit einem hohem Etat in die Fernsehwerbung gegangen, das sorgt natürlich für Bekanntheit", erläutert er. "Zudem müssen Wettbewerber wie Zalando erst beweisen, dass sie auch eine dauerhafte Rendite abwerfen."
Zalando ist wie Groupon
Zalando habe wie das Schnäppchen-Rabattportal Groupon ein anderes Geschäftsmodell und noch nie Gewinn gemacht. "Den Eigentümern ging es bloß darum, das Unternehmen rasch an die Börse zu bringen oder mit Aufschlag an einen Equity-Fonds verkaufen", sagt der Versandhandelsmanager. "Was ihnen sehr erfolgreich gelungen ist. Auch Otto hat als kleiner Anteilseigner davon profitiert."Die Otto-Beteiligungsfirma eVenture beteiligte sich seinerzeit gemeinsam mit den Unternehmerbrüdern Samwer am Rabattportal CityDeal, das 2010 im Zuge eines Aktiendeals an den amerikanischen Marktführer Groupon verkauft wurde. Über die CityDeal-Beteiligung wurde Otto somit indirekt auch zum Groupon-Aktionär.
Während die Otto Group also grundsätzlich nichts gegen Beteiligungen an jungen, aufstrebenden Internetfirmen hat, lassen die Hanseaten von Zalando offenbar lieber die Finger: Auf die Frage, ob Otto denn Interesse an dem ebenfalls von den Samwer-Brüdern gegründeten Onlinehändler hat, antwortet Otto lapidar: "Nein."
Sybille Wilhelm
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