Der Gründer der Hamburger Otto Group Werner Otto starb im Alter von 102 Jahren im Kreise seiner Familie.
Er betätigte sich vielfach als Mäzen für soziale und kulturelle Ziele und erhielt höchste nationale und internationale Auszeichnungen. Zuletzt wurde er zu seinem 100. Geburtstag 2009 zum Ehrenbürger Berlins ernannt. Otto hinterlässt seine Ehefrau Maren sowie fünf Kinder. "Mein Mann hatte das große Glück, gesund in einem harmonischen und liebevollen Familienumfeld alt zu werden", sagte Maren Otto. "Er hat bewusst etwas für seine Gesundheit getan und diszipliniert gelebt. Doch sein wichtigster Lebensgrundsatz war, auch im Alter immer noch Ziele zu haben."
"Vor allem war er ein guter Vater"
Werner Ottos ältester Sohn Michael, heute Aufsichtsratschef der Otto Group, sagte, sein Vater habe ein reich erfülltes Leben gehabt. "Er hat sich stets besonders mit der Zukunft beschäftigt und unternehmerisch außerordentlich viel bewegt. Vor allem hat er den Mensch in den Mittelpunkt seines Handelns gestellt, war sozial engagiert und mir persönlich immer ein wertvoller und vertrauter Gesprächspartner." Auch der jüngste Sohn Alexander Otto, Chef der ECE, hob die visionäre unternehmerische Kraft seines Vaters hervor. "Vor allem aber war er ein guter Vater, der mich immer inspiriert und angespornt hat."Werner Otto, am 13. August 1909 in Seelow (Mark Brandenburg) als Sohn eines Kaufmanns geboren, kam nach dem Krieg als Flüchtling mit seiner Familie nach Hamburg. Dort gründete er zunächst eine Schuhfabrik. "Als dann die Zonengrenzen aufgehoben wurden und aus den traditionell in Südwestdeutschland beheimateten Schuhfabriken gut gearbeitete Ware auf den Markt kam, war meine Schuhfabrik ohne Fachleute nicht existenzfähig. Deshalb habe ich sie geschlossen. Mir blieben immerhin 6.000 Mark und die Fabrikhallen", erinnerte sich Otto.
Es folgte die Idee, die Ottos Leben veränderte: Warum nicht Schuhe verkaufen, die andere produziert haben? Und zwar im Versandhandel. Mit 6.000 Mark Startkapital und vier Mitarbeitern begann 1949 die Erfolgsgeschichte, aus der mit der Otto Group die größte Versandhandelsgruppe der Welt hervorgehen sollte.
Versandhändler baut Shoppingcenter
Werner Otto vermied den Kardinalfehler vieler Gründerunternehmer, sich auf Dauer im Tagesgeschäft für unentbehrlich zu halten und sich in zu viele Details einzumischen. Bereits 1965 übertrug Werner Otto die operative Führung des Unternehmens dem familienfremden Manager Günter Nawrath, dem 1981 sein Sohn Dr. Michael Otto im Vorstandsvorsitz folgte. Damit schuf sich Werner Otto den Freiraum für eine zweite unternehmerische Karriere.Ab 1965 baute er mit der ECE ein weiteres Unternehmen auf – wirtschaftlich und personell völlig unabhängig vom Versandhandelsunternehmen Otto. Die ECE entwickelt und baut neben Shopping-Centern große Bürohäuser, Logistikzentren und sonstige gewerbliche Großimmobilien. Im Jahr 2000 übernahm Werner Ottos jüngster Sohn Alexander Otto die Führung der ECE.
Bereits 1962 wagte Werner Otto den Sprung nach Nordamerika und erschloss in Kanada Industrieparks und Wohngelände. Ab 1973 begann er mit dem Aufbau einer US-amerikanischen Immobiliengruppe, der Paramount Group in New York.
Soziale Verpflichtung
Seinen unternehmerischen Erfolg und seine Gestaltungsmöglichkeiten empfand Werner Otto immer auch als soziale Verpflichtung. So gründete er 1969 die "Werner Otto Stiftung". Die medizinische Stiftung springt dort ein, wo der Staat aus finanziellen Gründen nicht oder nicht schnell genug Gelder zur Verfügung stellt. Ein wichtiges Projekt ist das wissenschaftliche Behandlungszentrum für Krebskrankheiten im Kindesalter an der Universitätskinderklinik in Hamburg-Eppendorf, das zahlreichen leukämiekranken Kindern das Leben gerettet hat. Alle zwei Jahre wird zudem der Preis der Werner Otto Stiftung zur Förderung der medizinischen Forschung an in Hamburg tätige Forscher und Ärzte verliehen.Angeregt durch einen Bericht des Kinderarztes der Familie über hervorragende Heilungserfolge bei Kindern in den USA gründete Werner Otto darüber hinaus 1974 das "Werner Otto Institut" auf dem Gelände der Stiftung Alsterdorf in Hamburg. Die erste und bisher einzige Spezialeinrichtung Norddeutschlands widmet sich der Früherkennung und Behandlung entwicklungsgestörter oder behinderter Kinder und Jugendlicher. Seit 1996 gibt es außerdem das "Werner Otto Stipendium zur Förderung des medizinisch-wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Hamburg". Im "Werner Otto Haus" in Berlin wiederum lernen hörbehinderte Kinder und Jugendliche nach einer so genannten Cochlear-Implant-Operation wieder hören.
Der amerikanischen Harvard-Universität stiftete Otto einen Museumsneubau für die Unterbringung der Kunst deutschsprachiger Expressionisten, die "Werner Otto Hall".
Anlässlich seines 100. Geburtstags gründete Werner Otto 2009 mit seiner Frau Maren die Werner und Maren Otto Stiftung zur Förderung der Altenhilfe, insbesondere in Berlin und Brandenburg.
Der Weg zum weltgrößten Versandhändler
Werner Otto gründet den Otto-Versand 1949 und baut ihn innerhalb von zehn Jahren zu einem Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten und 100 Millionen D-Mark Umsatz aus. Mitte der 60er Jahre übergibt er die Führung des Unternehmens an den familienfremden Manager Günter Nawrath, der in den 70er Jahren die Internationalisierung des Konzerns einleitet. Durch Zukäufe und Expansion erreicht Otto bis Ende des Jahrzehnts mehr als drei Milliarden D-Mark Umsatz und beschäftigt mehr als 10 000 Mitarbeiter. Der Konzern gehört weltweit zu den drei führenden Versandhändlern.Ab 1981 übernimmt Werner Ottos Sohn Michael bis 2007 die Führung der Otto Group. Unter seiner Ägide wächst Otto weiter und wird 1987 zum größten Versandhandel der Welt. Seit den 90er Jahren setzt Otto zunehmend auf den Onlinehandel und ist in diesem Bereich weltweit die Nummer zwei hinter Amazon.
Die Gruppe hat aber ebenso starke Standbeine im klassischen Versandhandel und im stationären Einzelhandel. Zudem ist Otto als Logistik- und Finanzdienstleister aktiv. Die Unternehmensgruppe, die von Hans-Otto Schrader geleitet wird, setzte zuletzt 11,4 Milliarden Euro um und hat rund 50.000 Beschäftigte.